Description: Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg Freisetzung von Phosphorwasserstoff bei der Oberflächenreinigung von Aluminiumteilen Dipl.-Chem. Hubert Faller Dipl.-Ing. (FH) Gerhard Ott OChR Ulrich Wurster* *Korrespondenzadresse: Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg Referat Arbeitsschutz/Chemikalien Postfach 210752 76157 Karlsruhe Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg Referat Arbeitsschutz/Chemikalien Postfach 210752 76157 Karlsruhe 2 Freisetzung von Phosphorwasserstoff bei der Oberflächenreinigung von Aluminiumteilen Zusammenfassung Die Entstehung von Phosphorwasserstoff (Phosphin , PH3) in relevanten Konzentrationen aus phosphathaltiger alka- lischer Reinigungslösung bei der Reinigung von Alumini- umteilen in einer handelsüblichen Industriespülmaschine unter üblichen Betriebsbedingungen konnte nachgewie- sen werden. Im stark alkalischen Milieu wird offenbar Phosphat des Reinigers im Kontakt mit Aluminium reduziert. Die für Phosphorwasserstoff existierende Maximale Ar- beitsplatz Konzentration (MAK-Wert) von 0,15 mg/m³ (0,1 ppm) kann hierbei zeitweise überschritten werden – ent- sprechende Arbeitsschutzmaßnahmen sind deshalb zu beachten. 1 Einleitung Beim Entladen einer Spülmaschine, die zur Reinigung von Aluminiumblechen eingesetzt wurde, klagte der Maschi- nenbediener über starkes Unwohlsein mit Schwindelgefühl und Atembeschwerden. Es wurde eine intensivmedizini- sche Behandlung nötig und ein ”Reizgasinhalationstrau- ma” diagnostiziert. Mitarbeiter hatten schon vor diesem Unfallereignis mehr- fach über einen carbidähnlichen Geruch (nach Knoblauch) beim Betrieb der Spülmaschine berichtet - ein Zusammen- hang mit einer möglichen Entwicklung von Phosphorwas- serstoff während des Reinigungsvorganges wurde jedoch zunächst nicht in Betracht gezogen. Aufgrund des auch bei dem Arbeitsunfall deutlich wahr- nehmbaren Geruches sollte auf Anforderung des zu- ständigen Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes durch Untersuchungen der Landesanstalt für Umweltschutz Ba- den-Württemberg (LfU) geklärt werden, ob bei dem ange- wendeten Oberflächenreinigungsprozess unter den übli- chen Betriebsbedingungen (Aluminiumbleche, alkalischer Phosphatreiniger, Temperatur ca. 60 °C) möglicherweise eine Freisetzung von PH3 (oder anderer Gefahrstoffe) statt- gefunden haben könnte. 2 Toxikologie von Phosphorwasserstoff Phosphorwasserstoff ist in die Kategorie I der lokal rei- zenden Stoffe eingeteilt, so dass der MAK-Wert von 0,1 ppm zu keinem Zeitpunkt überschritten werden soll (Über- schreitungsfaktor =1=) [1]. Phosphorwasserstoff ist ein hochgiftiges Gas mit Wir- kung auf wichtige Zellenzyme („Stoffwechselgift“), das bei akuter Vergiftung unter den Anzeichen der inneren Ersti- ckung zum Tode führen kann. Nach Inhalation ist ein to- xisches Lungenödem möglich. Dabei treten bei mittle- ren Konzentrationen (10 bis 100 ppm; Expositionszeit 0,5 bis 1 h) meist erst nach Stunden Vergiftungserschei- nungen auf. Bei Expositionszeiten von sechs Stunden sind schon 7 ppm wirksam. LfU Eine chronische Vergiftung ist nicht möglich, da im Orga- nismus üblicherweise eine Entgiftung kleiner Konzentrati- onen bis 2,5 ppm erfolgt [2]. Die Geruchsschwelle für die Phosphorwasserstoffwahr- nehmung liegt mit ca. 0,02 ppm [4] unter dem derzeit gülti- gen MAK-Wert von 0,1 ppm. 3 Beschreibung des Reinigungsverfahren Die Reinigung von Aluminiumblechen erfolgt im vorlie- genden Fall in einer handelsüblichen Industriespülma- schine. Die Reinigungslösung wird aus einem Spültank bei einer Solltemperatur von 55 bis 60 °C über 18 Düsen von unten auf die zu reinigendem Teile sprüht. Das Reini- gungsprogramm dauert fünf Minuten, wobei in der letzten Minute das Spülgut mit demineralisiertem Wasser nach- gespült wird. Ein Nachdosieren des Reinigerkonzentrates ist nach jedem Spülprozess erforderlich, da ein Teil des Spültankinhaltes während der Nachspülphase durch das demineralisierte Wasser ersetzt wird. Eine Dosiereinrich- tung soll gewährleisten, dass die empfohlene Konzentra- tion des Reinigerkonzentrates von ca. 4 g/l bei allen Spül- vorgängen in der Reinigungslösung konstant bleibt. Damit wird ein mittlerer pH-Wert von 10,8 erreicht (Mittelwert der Messwerte aus neun Spülvorgängen). Die Zusammensetzung des unverdünnten Reinigerkon- zentrats laut Sicherheitsdatenblatt ist in Tabelle 1 wieder- gegeben. Tabelle 1: Zusammensetzung eines Reinigerkonzentrats Stoff Anteil in Gew.-% Kaliumhydroxid1–5 Phosphate15 – 30 Alkalisilikate> 10 Amphotere Tenside<5 pH-Wert14 Die zu reinigenden Aluminiumbleche bestehen aus den Legierungen AlMg1 und AlMg3 eingesetzt, die sich im we- sentlichen durch ihren Anteil von ca. 1 bzw. 3 Gew.-% Ma- gnesium unterscheiden. Der Summenanteil anderer Ele- mente (somit auch der Gehalt an Phosphor) ist mit < 0,05 Gew.-% spezifiziert. 4 Phosphorwasserstoff- Entstehung 4.1 Phosphorquelle Für eine potenzielle Phosphorwasserstoff-Freisetzung in der Industriespülmaschine war zunächst die Herkunft des Phosphors zu klären. Bei einer typischen Beladung der Spülmaschine mit 30 Aluminiumblechen (Masse ca. 230 g; Oberfläche ca. 80 cm²) ergibt sich eine Gesamtmasse von LfU Freisetzung von Phosphorwasserstoff bei der Oberflächenreinigung von Aluminiumteilen ca. 6,9 kg. Darin können entsprechend der Spezifikation max. 3,5 g Phosphor enthalten sein, die jedoch nur zu ei- nem kleinen Teil (an der Blechoberfläche) für eine Reakti- on zur Verfügung stehen können. Bei einer gemessenen Aluminiumkonzentration von max. 10 mg/l in der Reinigungslösung (ca. 80 l) dürf- ten insgesamt nur ca. 0,4 mg Phosphor aus den Aluminiumblechen gelöst worden sein. Bei einer Reinigerkonzentration von ca. 4 g/l in der Rei- nigungslösung ergibt sich aus dem Gehalt an Phospha- ten eine Sollkonzentration von ca. 0,2 g/l Phosphor in der Reinigungslösung. In einer Maschinenfüllung dieser Rei- nigungslösung liegt somit eine Phosphormenge von 16 g vor. Dieser Phosphor steht für Reaktionen zur Verfügung und wird ständig nachdosiert – die dominierende Phos- phorquelle während des Spülprozesses ist demnach das Phosphat aus dem Reiniger. 4.2 Redoxreaktion Als starkes Reduktionsmittel für die Reduktion von Phos- phat zu Phosphorwasserstoff kommt Wasserstoff (”in sta- tu nascendi”) in Frage, der aus der Reaktion von Alumini- um mit der Reinigungslösung bei hohem pH-Wert stammt. Da bei kleinen wie bei hohen pH-Werten die Oxidschutz- schicht des Aluminiums nicht beständig ist, wird Alumini- um bei alkalischen Bedingungen unter Wasserstoffent- wicklung als Aluminat gelöst [1; 4; 5]. Nur im Bereich von 3 4,5 < pH < 8,5 ist die schützende Schutzschicht weitge- hend unlöslich (sieheBild 1). Wesentliche Faktoren für die Reaktion dürften aber, neben Reaktionszeit, pH-Wert und Konzentration von Fremdio- nen [6], die Reaktionstemperatur sein, da Phosphorwas- serstoff in einer endothermen Reaktion gebildet wird [4]. Bei pH-Werten im alkalischen Bereich kann durch Zusatz von Inhibitoren (z.B.: Alkalisilikate) der Angriff gehemmt werden [7]. In Bild 1 ist für die üblichen Betriebsbedingungen (pH ? 11; Temperatur ca. 60 °C; Aluminiumkonzentration in der Reinigungslösung von ca. 3,5 mg/l) die überschlägig er- mittelte flächenbezogene Massenverlustrate des Reini- gungsprozesses aufgetragen. Der Punkt liegt oberhalb des eingezeichneten Kurvenastes, da bei erhöhter Tem- peratur gearbeitet wird. 4.3 MAK-Wert-Überschreitung: Zum Erreichen des für Phosphorwasserstoff festgeleg- ten MAK-Wertes von 0,1 ppm im nur ca. 0,4 m³ großen Spülraum der Maschine sind nur 0,06 mg PH3 erforder- lich. Ein Vergleich mit der tatsächlichen in der Reinigungs- lösung vorhandenen Phosphormasse zeigt, dass ein mehr als 105-facher Überschuss an verfügbarem Phosphor bei Solldosierung des Reinigerkonzentrates vorhanden ist. Ein nur geringfügiges Ausmaß der o.g. Redoxreaktion dürfte demnach ausreichen, um relevante PH3-Konzentrationen im Bereich des MAK-Wertes im Spülraum zu erreichen. flächenbezogene Massenverlustrate [g°m-2°h-1] 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 0 2 4 6 8 10 12 pH-Wert Abbildung 1: Einfluss des pH-Wertes auf die flächenbezogene Massenverlustrate für die Aluminiumoxidschutzschicht (Daten aus [5]). Der eingetra- gene Punkt zeigt die überschlägig ermittelte Massenverlustrate im Reinigungsprozess bei den üblichen Betriebsbedingungen.
Types:
Origin: /Land/Baden-Württemberg/LUBW
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Region: Baden-Württemberg
Bounding box: 7.511871829775875° .. 10.49574877933999° x 47.53236022056467° .. 49.79147764980276°
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