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Description: Moose (Anthocerotophyta, Marchantiophyta, Bryophyta) Bestandsentwicklung. Stand: Mai 2016 Peter Schütze Einführung Zur Gruppe der Moose werden die stammesge- schichtlich stärker getrennten Gruppen der Hornmoose (Anthocerotophyta), Lebermoose (Marchantiophyta) und Laubmoose (Bryophyta) gerechnet, von denen die Laub- moose den höchsten Artenreichtum aufweisen. Als re- gelmäßige Begleiter sind sie Bestandteil fast aller Vege- tationsformationen und vermögen mit Gesteinsoberflä- chen, Totholz und der Rinde lebender Bäume auch Sub- strate zu nutzen, die in Mitteleuropa von Gefäßpflanzen nicht oder nur ausnahmsweise besiedelt werden. Von den etwa 1.150 in Deutschland vorkommenden Taxa werden in der vorliegenden Arbeit 754 für das Gebiet Sachsen-Anhalt aufgeführt und hinsichtlich Häufigkeit und Bestandsentwicklung bewertet. Die Zusammenstel- lung führt die erste landesweite Bestandserhebung der Moose (Meinunger 1999) fort und ist zugleich eine ak- tuelle Gesamtartenliste für Sachsen-Anhalt. Bearbeitungsstand, Datengrundlagen Über den Artenbestand und die Verbreitung der Moo- se im mittleren und südlichen Teil Sachsen-Anhalts lie- gen zahlreiche Arbeiten aus dem 19. und der ersten Hälf- te des 20. Jahrhunderts vor. Herausragende Arbeiten sind die Moosflora des Harzes (Loeske 1903) sowie die Über- sichtswerke von Zschacke (1903, 1905, 1912) über die Moosflora des früheren Herzogtums Anhalt. Die Folge zusammenfassender Arbeiten endet mit den Übersich- ten zur Torfmoosverbreitung im Elbe- und Muldegebiet Abietinella abietina, eine charakteristische Art beweideter Tro- cken- und Halbtrockenrasen basenreicher Standorte. Seweck- enberge bei Quedlinburg, 29.1.2011, Foto: V. Hanebutt. 160 (Fuess 1937) sowie zur Moosverbreitung im Südharz und in angrenzenden Regionen (Reimers 1940). Aus dem nachfolgenden Zeitraum bis etwa 1990 liegen nur wenige Arbeiten zur Moosflora und -vegetation Sachsen- Anhalts vor. Als Beispiele sollen aufgeführt werden: die Bearbeitungen des Bodetals (Nörr 1969), des Rübelän- der Kalkgebietes (Nörr 1970, Marstaller 1987), des unteren Saaletals (Marstaller 1984a), der Steinklöbe (Marstaller 1984b), der Dübener Heide (Pistrick 1983) und der Dölauer Heide (Schaberg 1978). Seit etwa 1990 sind eine zunehmende Beschäftigung mit den Moosen sowie Publikationen zu bryologischen Themen zu verzeichnen. Müller (1993) behandelt mit der Studie zur Moos- und Flechtenflora der Stadt Halle die Diversität sowie die Auswirkungen von Sied- lungstätigkeit und Umweltbelastung auf die genannten Artengruppen in einem urbanen Raum. Mit der Roten Liste (Meinunger 1995) erfolgte erstmals eine Gefähr- dungsanalyse der Moosflora Sachsen-Anhalts in den Grenzen des 1990 neu gegründeten Bundeslandes, vier Jahre später folgte eine Bestandsübersicht aller Arten (Meinunger 1999). Die Reihe bryosoziologischer Ar- beiten wurde durch R. Marstaller fortgeführt und auf mehrere Naturschutzgebiete im Südteil Sachsen- Anhalts ausgeweitet (Marstaller 1992, 2000, 2001, 2002, 2005, 2009, 2010a, 2010b und weitere). Die bis- her umfangreichste Übersicht zur aktuellen und his- torischen Moosverbreitung in Sachsen-Anhalt ist im Verbreitungsatlas der Moose Deutschlands (Meinun- ger & Schröder 2007) enthalten. Die auf eigenen Kar- tierarbeiten beider Autoren sowie umfangreicher Quel- lenauswertung beruhende Darstellung ist die Grundla- ge zur Bewertung der aktuellen Moosflora. In die Zeit nach Erscheinen dieses Werkes fällt die Übersicht zur Moosflora des Nationalparks Harz (Koperski 2011b), mit der das bryologisch reichste Gebiet des Landes umfassend dokumentiert ist. Müller (2008b, 2009, 2012a) sowie Hentschel et al. (2015) berichten über bemerkenswerte Neu- und Wiederfunde von Moosen aus dem gesamten Bundesland. Baumann (2000, 2009) behandelt im Rahmen vegetationsökologischer Studien auch die Moosflora ausgewählter Moore und Kleinseg- genriede des Harzes. Seit etwa zehn Jahren werden durch das Landesamt für Umweltschutz die bryologische Inventarisierung aus- gewählter Schutzgebiete und die Erfassung aller Arten von gemeinschaftlichem Interesse der FFH-Richtlinie durchgeführt. Sämtliche Daten werden in einer zentra- len Datenbank zusammengeführt. Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt Die Moosflora Sachsen-Anhalts kann derzeit insge- samt als gut bekannt eingeschätzt werden. Sehr gut do- kumentiert sind der Oberharz, das östliche Harzvorland sowie das Saale-Unstrut-Gebiet. Größere Kenntnislü- cken bestehen im Mittel- und Unterharz, im Harzrand- bereich, im nördlichen Harzvorland sowie in weiten Tei- len des Tieflands. Artauswahl und Taxonomie Aufgenommen in die Tabelle wurden alle Taxa, deren Vorkommen im Gebiet aktuell oder historisch belegt ist. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich dabei um Arten. Unterarten und Varietäten wurden gesondert aufgeführt, wenn diese morphologisch und ökologisch gut charakterisiert und für Sachsen-Anhalt bedeutsam sind. Beispiele dafür sind Hypnum cupressiforme var. lacunosum und Phascum cuspidatum var. piliferum, die regional häufiger sind als die Nominat-Unterarten. Die Artauffassung folgt weitgehend Meinunger & Schrö- der (2007), die Nomenklatur bei den Horn- und Le- bermoosen Koperski et al. (2000), bei den Laubmoosen Hill et al. (2006). Abweichungen von den genannten Werken werden in den Anmerkungen zu einzelnen Arten erläutert. Im Vergleich zu der häufig benutzten Bestimmungsliteratur wie Frahm & Frey (2004) oder Nebel & Philippi (2000–2005) ergeben sich zahlreiche Namensänderungen, insbesondere bei den Familien der Amblystegiaceae, Brachytheciaceae und Pottiaceae. Bis- her gebräuchliche und bekannte Namen werden in der Spalte „Synonym“ aufgeführt. Dort erfolgt ebenfalls der Hinweis auf Aggregate. Bestandssituation Die gegenüber der Erstfassung deutlich erhöhte Ar- tenzahl ist vor allem auf einen verbesserten Kenntnis- stand zurückzuführen. Die meisten neu aufgenomme- nen Taxa waren mit hoher Wahrscheinlichkeit schon immer im Gebiet vorhanden, ihr Nachweis basiert auf verbesserter taxonomischer Kenntnis (Cephaloziella spp., Conocephalum conicum s. l., Schistidium spp.) bzw. inten- siverer Nachsuche und Quellenauswertung. Als echte Neueinwanderer in jüngster Zeit können einige epi- phytische Arten gelten (Cryphaea heteromalla, Ortho- trichum alpestre, O. pulchellum, O. rogeri), da für diese keine historischen Angaben existieren. Bemerkenswert ist die relativ hohe Zahl von 50 wieder nachgewiesenen Arten, die nach der aktuellen Roten Liste (Meinun- ger & Schütze 2004) als ausgestorben gelten. Etwa 30 Arten wurden aufgrund neuerer Erkenntnisse von der Landesliste gestrichen. Die Diversität der Moosflora ist eng verknüpft mit der geomorphologischen und regionalklimatischen Dif- ferenzierung des Landes und dem Vorhandensein ge- eigneter Standorte. Optimale Wuchsräume für einen Großteil der Arten sind strukturreiche Landschaften in luftfeuchten Lagen mit hohem Anteil naturnaher Vege- tation. Für die Besiedlung durch Moose eignen sich vor allem Felsen und Blockhalden, naturnahe Wälder mit Alt- und Totholz, Moore, naturnahe Fließgewässer ein- schließlich der Quellbereiche, Stillgewässer mit Uferzo- nen, Lehm- und Lösswände sowie lückige Trockenra- sen und Felsfluren. Sekundärstandorte wie Steinbrüche, Abgrabungen und Mauern sowie Äcker können eben- falls geeignete Lebensräume für Moose sein. Epiphy- tische Arten besiedeln vorrangig Rinde verschiedener Laubgehölze (oft Ahorn-Arten, Esche, Pappel-Arten, Obstgehölze). Die artenreichste Region mit einem Bestand von fast 90 % aller nachgewiesenen Taxa ist der Harz und hier insbesondere der Oberharz sowie die Harzrandbereiche mit den Durchbruchstälern. Als Wuchsort einer Reihe subarktisch-subalpin verbreiteter Moose (z. B. Gymno- mitrion concinnatum, Sphagnum lindbergii, Tetralopho- zia setiformis) besitzt der Oberharz bundesweite Bedeu- tung. Das den Harz umgebende Hügelland ist hingegen durch die Häufung submediterran und mediterran verbreiteter Moose ausgezeichnet, von denen viele dort ihren Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland besit- zen (z. B. Acaulon triquetrum, Pleurochaete squarrosa, Riccia ciliifera). Im Tiefland sind vor allem die verblie- benen Moore von hoher bryologischer Bedeutung. Die Gruppe mit der höchsten Dynamik innerhalb der vergangenen etwa 25 Jahre ist zweifellos die der Epiphyten. Noch zu Beginn der 1990er Jahre musste in weiten Teilen des Landes von einem völligen Fehlen epiphytischer Moose ausgegangen werden. Mittlerwei- le sind Epiphythen wieder flächendeckend vorhanden, insbesondere Arten der Gattungen Orthotrichum und Ulota sowie Radula complanata und Frullania dilatata. In Ausbreitung scheinen zudem einige meridionale Ar- ten wie Didymodon cordatus und Tortula brevissima zu sein, was als Folge sich ändernder klimatischer Verhält- nisse gedeutet werden kann. Die Einschätzung der Bestandssituation in der ta- bellarischen Übersicht erfolgt durch die Bildung von Häufigkeitsklassen auf Basis der Anzahl besetzter Mess- tischblatt-Quadranten (1/4 einer Topographischen Kar- te TK25) für den gesamten Bezugsraum bzw. für Teilre- gionen getrennt nach folgenden Schwellenwerten: ss sehr selten < 2% s selten 2–10 % mh mäßig häufig 11–40 % h häufig 41–80 % sh sehr häufig > 80 % Grundlage ist die Rasterdarstellung im Verbreitungs- atlas der Moose Deutschlands (Meinunger & Schrö- der 2007), ergänzt um aktuelle Nachweise und Litera- turangaben. Der so ermittelte Häufigkeitswert wurde 161 gutachterlich angepasst, um die verschiedenen Zeit- schwellen für aktuelle Nachweise (1980 bei Meinun- ger & Schröder) sowie Größe und Zahl der Vorkom- men auf den Rasterfeldern zu berücksichtigen. Bestandsentwicklung Mit der Angabe zur Bestandsentwicklung werden Veränderungen am Gesamtbestand der Arten innerhalb der vergangenen ca. 25 Jahre eingeschätzt. Die Katego- rie entspricht damit zeitlich dem Bewertungskriterium „kurzfristiger Bestandstrend“ bei Ludwig et al. (2006) und ermöglicht Vergleiche mit benachbarten Bundes- ländern (Koperski 2011a, Müller 2008a). Auf die bei Ludwig et al. (2006) verwendete Klasse „sehr starke Abnahme“ kann in diesem Rahmen verzichtet werden, dagegen wird die Klasse „stark zunehmend“ eingeführt, was für einige epiphytische Moosarten im Bezugszeit- raum durchaus zutreffend ist. Die Beurteilung der Be- standsentwicklung beruht auf gutachterlicher Einschät- zung durch Vergleich der aktuellen Verbreitung mit verfügbarer historischer Literatur und Erfahrungswer- ten. Eine systematische Datenerhebung liegt nicht vor. Aus diesem Grund wird bei der Bestandsentwicklung nicht zwischen Teilregionen differenziert, sondern die Angabe bezieht sich immer auf den Gesamtbestand der Art innerhalb Sachsen-Anhalts. In vielen Fällen erfolgt jedoch kein Eintrag, da Aussagen über Bestandstrends z. B. bei Neufunden noch nicht getroffen werden kön- nen. Bei der Einschätzung der Bestandsentwicklung muss berücksichtigt werden, dass gravierende Verän- derungen in der Landschaft mit teils erheblichen Aus- wirkungen auf den Artbestand bereits vor dem hier betrachteten Zeitraum von 25 Jahren abgeschlossen waren. Aus der kurzfristigen Bestandstendenz kann demzufolge nicht unmittelbar auf eine mögliche Ge- fährdung der Art geschlossen werden. Gefährdung und Schutz Der Rückgang und die damit verbundene Gefähr- dung eines Teils der Moose gehen überwiegend auf die nutzungsbedingte Landschaftsveränderung und direkte Schadstoffeinträge in die Umwelt zurück. Ne- ben direkten Schadwirkungen sind es vor allem in- direkte Wirkungen durch Standortveränderung und Verschiebung der Konkurrenzverhältnisse zugunsten konkurrenzstarker Gefäßpflanzen und Algen, die zum Rückgang vieler Moosarten führen. Aktuell besonders vom Rückgang betroffen sind die vorwiegend epigäisch wachsenden Arten offener, vegetationsarmer bis vegeta- tionsfreier trockener Standorte. Der Rückgangsprozess der Arten nährstoffarmer Sümpfe und Kalkflachmoore ist hingegen weitgehend zum Stillstand gekommen, die wenigen verbliebenen Vorkommen befinden sich fast 162 ausnahmslos in Schutzgebieten und werden durch Pfle- gemaßnahmen erhalten. Wichtigste aktuelle Gefährdungsfaktoren sind: ■­ Beseitigung von Kleinstrukturen wie Böschungen, Hohlwegen, Feldrainen, kleinen Abgrabungen, ­■ Rodung bzw. Umwandlung naturnaher Wälder, Be- seitigung von Alt- und Totholz, ­■ Entwässerung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen, ­■ Beeinträchtigung und Zerstörung von Felsstandorten durch Bergbau sowie Sicherungs- und Rekultivie- rungsmaßnahmen, ­■ Sukzession auf offenen Standorten infolge Nutzungs- aufgabe (Vergrasung, Verbuschung), ­■ Nährstoff- und Schadstoffeinträge aus Landwirtschaft, Verkehr und Industrie, Waldkalkung, ­■ großklimatische Veränderungen. Der Schutz der Moose ist vorrangig durch die Erhaltung bzw. Wiederherstellung ihrer Lebensräume zu gewähr- leisten. Eine hohe Bedeutung kommt dabei der Erhal- tung von anthropogen wenig beeinflussten Lebensräu- men zu, wie dies beispielsweise mit dem Prozessschutz im Nationalpark Harz erfolgt. Für die genutzte Kultur- landschaft können aus den Gefährdungsfaktoren fol- gende allgemein geltende Schutzmaßnahmen abgeleitet werden: ­■ Erhaltung strukturreicher standortgerechter Wälder mit hohem Anteil von Alt- und Totholz, keine Wald- umwandlung naturnaher Wälder, ­■ Erhaltung und eventuell Neuanlage von Kleinstruk- turen, ­■ Erhaltung extensiver Landnutzungsformen, ­■ Pflegemaßnahmen (Entbuschung, Mahd und Bewei- dung) als Ersatz für die Bewirtschaftung ehemals ex- tensiv genutzter Biotope, ­■ Reduzierung der Nährstoff- und Schadstoffeinträge in die Umwelt, ­■ aktive Luft- und Gewässerreinhaltungsmaßnahmen. Anmerkungen zu ausgewählten Arten 1) Amblystegium serpens var. juratzkanum ist bei Hill et al. (2006) Synonym zu Amblystegium serpens. 2) Zur Verbreitung der beiden Unterarten von An- dreaea rothii vgl. die Anmerkungen in Koperski (2011b: 81). Bei dem Fund von A. rothii subsp. falcata durch M. Preussing im Bodetal handelt es sich um den ersten gesicherten Nachweis für Sachsen-Anhalt (Hentschel et al. 2015). 3) Der von Müller (2009) publizierte Wiederfund von Asterella gracilis erwies sich als Mannia triandra. Die Art war bis dahin aus Sachsen-Anhalt noch nicht bekannt (Müller et al. 2014). 4) Historische Nachweise existieren von Bartramia po- miformis var. elongata Turner, 1805 aus dem Harz

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2016-12-28

Modified: 2016-12-28

Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28

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