Description: Schwebfliegen (Diptera: Syrphidae) Bestandssituation Matthias Jentzsch, Frank Dziock, Hans Pellmann, Christoph Saure & Eckart Stolle (unter Mitarbeit von Wolfgang Bäse, Lutz Lange, Judith Link, Thomas Glinka & Matthias Merkel) Einführung Schwebfliegen verdanken ihren Namen dem Um- stand, dass sie im Flug längere Zeit auf der Stelle ver- harren können, um dann unvermittelt davonzufliegen. Ihr Körperbau kann von Art zu Art sehr unterschied- lich gestaltet sein und viele sehen auf den ersten Blick Bienen, Wespen oder Hummeln zum Verwechseln ähn- lich. Allen gemeinsam ist eine typische Flügeläderung, die sie als Imagines von den anderen Fliegen-Familien sicher unterscheidet. Die Ernährung der Larven lässt sich grob in drei Gruppen einteilen. Einige Arten ernähren sich von Pflanzenresten, Faulschlamm, Kot und Detritus (Sapro- phagie, z. B. Eristalis, Rhingia), andere sind rein phyto- phag (z. B. Cheilosia) und den größten Anteil bilden die Arten mit zoophager Ernährungsweise (z. B. Syrphus, Episyrphus). Die Fluginsekten hingegen nehmen Pollen und Nektar als Nahrung auf und besitzen dadurch eine große Bedeutung bei der Blütenbestäubung. Sie bewoh- nen in Mitteleuropa nahezu alle Lebensräume. Hohe Artenzahlen werden in der Regel in feuchten, blüten- reichen Hochstaudenfluren, vor allem in der Nähe von naturnahen Wäldern erreicht, während Trockenstand- orte, aber vor allem monotone Ackerkulturen zumeist artenarm sind. Bearbeitungsstand, Datengrundlagen Die erste Checkliste zur Bestandssituation der Schweb- fliegen Sachsen-Anhalts enthielt 247 Arten (Jentzsch & Pipiza quadrimaculata. Foto: M. Jentzsch. 1088 Dziock 1999). Das waren 56 % der damals für Deutsch- land bekannten Arten (Ssymank et al. 1999). Erstmals wurde eine Übersicht über die bis dato vorhandene Syrphiden-Literatur vorgelegt und auf Kenntnislücken verwiesen. Dem schlossen sich in den Folgejahren wei- tere faunistische Untersuchungen in Sachsen-Anhalt an. Beispielsweise wurden die Elbauen und das Havelland bearbeitet (Barkemeyer et al. 2003, Dziock 2000a, 2000b, 2001b, c, 2003), die Erfassungen in den Schutz- gebieten Sachsen-Anhalts fortgesetzt (Jentzsch 1999, 2000a, 2001, 2010, Jentzsch & Köberlein 2000, Uth- leb 2000) und Arbeiten über die Vorkommen bemer- kenswerter Arten publiziert (Dziock 2001a, Jentzsch 2000b, Jentzsch & Stolle 2002, Jessat & Dziock 2000). Auf dieser Grundlage erschien die zweite Fassung der Roten Liste der Schwebfliegen Sachsen-Anhalts und berücksichtigte dann schon 290 Arten (Dziock et al. 2004). Das waren 64 % der bis dahin für Deutschland bekannten Arten (Doczkal et al. 2002). Auf diesen Da- ten basieren die in der Tabelle aufgeführten Angaben zu Neu- und Wiederfunden. Weitere Arbeiten folgten (Doczkal & Dziock 2004, Dziock 2002, Dziock et al. 2005, Flügel 2004, Hildebrandt et al. 2005, Jentzsch 2004a, b, 2005a, b, 2007, 2012, Jentzsch & Katthöver 2005, Jentzsch & Steinborn 2007, Jentzsch & Stuke 2012, Lange 2007, 2008, 2013, Link et al. 2012, Peter- son et al. 2007, Steinborn 2007) und führten zu einem wiederum deutlichen Erkenntniszuwachs für Sachsen- Anhalt einschließlich von Neunachweisen (28 Arten) und Wiederfunden von verschollen geglaubten Arten (14 Arten). Aktuell liegen für Sachsen-Anhalt ca. 20.000 Datensätze im Arterfassungsprogramm Multibase vor. Die vorliegende 2. Fassung der Checkliste der Schweb- fliegen Sachsen-Anhalts enthält 322 Arten und damit ca. 69 % des aktuellen, seit Ssymank et al. (1999) durch Erstnachweise und Revisionen deutlich erweiterten ge- samtdeutschen Artenbestandes (Ssymank et al. 2011). Microdon analis und Microdon mutabilis können nach derzeitigem Kenntnisstand nur im Larven- bzw. Pup- penstadium eindeutig bis zur Art bestimmt werden (Schmid 2004, Schönrogge et al. 2002) und Dasysyr- phus venustus und Cheilosia vernalis stellen nach derzei- tiger Erkenntnis Sammelarten dar, für die eine Revision noch aussteht (Claussen briefl. Mitt.). Drei Arten der alten Checkliste wurden nicht mehr mit aufgenommen, Eupeodes lundbecki (Soot-Ryen, 1946) sowie Mesem- brius peregrinus (Loew, 1846) sind nicht überprüfbar. Das Artkonzept von Pipiza Meigen, 1822 wurde erst Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt kürzlich durch Vujic et al. (2013) geklärt. Das Pipiza- Material aus Sachsen-Anhalt konnte diesbezüglich noch nicht revidiert werden. Die Artauffassung zur Gattung Pipiza nach Vujic et al. (2013) enthält folgende Arten, die im vorliegenden Beitrag nicht aufgeführt sind: P. bimaculata, P. fenestrata, P. lugubris, P. notata und P. noctiluca. Für Chrysotoxum octomaculatum gestal- tet sich die Datenhistorie unübersichtlich. Lassmann (1934) bezeichnete die Art für Halle und Umgebung als „verbreitet, aber nicht häufig“, wobei aber in seiner um- fangreichen Artenliste Chrysotoxom cautum fehlt. Das könnte als Hinweis gewertet werden, dass eigentlich die- se Art, für die zumindest in den letzten Jahrzehnen diese Einschätzung zutraf, gemeint war. In der ersten Roten Liste wurde C. octomaculatum als „ausgestorben“ ge- führt (Jentzsch 1999). Nach Kontrolle der Sammlungs- bestände war jedoch kein Beleg für den bei Lassmann (1934) genannten Nachweis auffindbar und die Art wur- de in die aktualisierte Rote Liste (Dziock et al. 2004) nicht mehr aufgenommen. Nunmehr wird der Nachweis durch E. Stolle aus dem Jahr 1999, der hier erstmals erwähnt wird, als Erstnachweis für Sachen-Anhalt ge- wertet. Insgesamt 17 Arten (ca. 5 % des Artenbestandes) wer- den derzeit als „ausgestorben oder verschollen“ geführt („A“ in Spalte BS). Viele Arten gelten überregional als (sehr) selten und für einige Spezies ist bereits jetzt er- kennbar, dass Sachsen-Anhalt für deren Schutz eine be- sondere Verantwortung trägt. Dazu zählen beispielswei- se Merodon rufus, die im hercynischen Trockengebiet noch weit verbreitet ist ebenso wie Lejops vittatus, eine deutschlandweit vom Aussterben bedrohte Art (Ssy- mank et al. 2011), die in Sachsen-Anhalt mindestens eine offenbar stabile Population aufweist (Jentzsch & Stuke 2012). Außerdem konnten verschiedene Indikatorarten für noch totholzreiche und historisch alte Wälder unter anderem in den Hartholzauen der Elbe, dem Harz und dem Zeitzer Forst nachgewiesen werden, die als sehr selten gelten und in den überwiegend intensiv genutz- ten Wäldern Deutschlands ohne ausreichende Alt- und Totholzphasen keine Lebensräume mehr finden. Dazu zählen z. B. einige Vertreter der Gattungen Brachyopa, Brachypalpus, Chalcosyrphus und Xylota. Andere Arten, die vor wenigen Jahren noch als selten angesehen wur- den, werden mittlerweile regelmäßig gefunden. Dazu zählt Volucella zonaria. Die Nomenklatur der Arten folgt Ssymank et al. (2011). Angaben in der Tabelle bezüglich der Wieder- funde bzw. Neunachweise beziehen sich auf den Stand seit Jentzsch & Dziock (1999). Die angegebenen Jah- reszahlen benennen unabhängig davon jeweils nur den jüngsten Nachweis. Mitunter liegen die Jahreszahlen vor dem Datum der Veröffentlichung der ersten Checkliste. Dann wurden diese älteren, z. T. historischen Nachwei- se erst später bekannt (Überprüfung Sammlungsma- terial, Entdeckung bis dato unbekannter Quellen etc.). Keine Art der Schwebfliegen ist besonders gesetzlich geschützt. Anmerkungen zu ausgewählten Arten 1) Lejops vittatus: Vier der deutschlandweit sechs be- kannten Vorkommen sind in Sachsen-Anhalt. 2) Merodon rufus: Das Hercynische Trockengebiet ist einer der Verbreitungsschwerpunkte der Art in Deutschland. 3) Microdon analis: Eine Unterscheidung der Imagi- nes von M. major Andries, 1912 ist nicht möglich (Schmid 2004). 4) Microdon mutabilis: Eine Unterscheidung der Ima- gines von M. myrmicae Schönrogge et al. (2002) ist nicht möglich. Danksagung Trotz des doch recht umfangreichen Materials wurde eine flächendeckende Bearbeitung der Schwebfliegen- Fauna Sachsen-Anhalts noch nicht erreicht. Wissens- defizite betreffen insbesondere den Harz, das nördliche Harzvorland und die Gebiete östlich der Elbe. Herzlich bedanken wir uns bei Herrn K. Bäse (Lutherstadt Wit- tenberg) für die umfangreiche Sammeltätigkeit im Raum Wittenberg und Herrn P. Strobl (Stendal) für die Über- mittlung seiner sachsen-anhaltischen Daten (teilw. leg. F. W. Könecke †, Stendal). M. Musche (Halle) steuerte Syrphiden-Material für die Fauna Sachsen-Anhalts bei, das bereits in der ersten Checkliste (Jentzsch & Dziock 1999) seinen Niederschlag fand und eine wertvolle Grundlage für die nunmehr aktualisierte Fassung dar- stellt. Bei Herrn C. Claussen (Flensburg) bedanken wir uns in besonderem Maße für die Überprüfung vor allem der schwierigen Cheilosia-Arten. Xanthogramma pedissequum. Foto: M. Jentzsch. 1089 Episyrphus balteatus. Foto: M. Jentzsch. Literatur Syrphus ribesii. Foto: M. Jentzsch. 1090 Barkemeyer, W.; Drewes, B. & Ritzau, C. (2003): Zum Vorkommen seltener und gefährdeter Schwebfliegen in Sachsen-Anhalt (Dipt., Syrphidae). – Entomol. Nachr. Ber. (Dresden) 47: 45–47. Doczkal, D. & Dziock, F. (2004): Two new species of Brachyopa Meigen from Germany, with notes on B. grunewaldensis Kassebeer (Diptera, Syrphidae). – Volucella (Malsch) 7: 35–60. Doczkal, D.; Claussen, C. & Ssymank, A. (2002): Er- ster Nachtrag und Korrektur zur Checkliste der Schwebfliegen Deutschlands (Diptera, Syrphidae). – Volucella (Malsch) 6: 167–173. Dziock, F. (2000a): Schwebfliegen als Bioindikatoren (Diptera, Syrphidae). In: Geller, W.; Punco, P.; Ba- rion, á. D.; Feldmann, H.; Guhr, H.; Jirásek, V.; Simon, M. & Smrtak, J. (2000): Gewässerlandschaf- ten-Aquatic Landscapes Tagungsband Teil II, 9. Mag- deburger Gewässerschutzseminar. – ATV-DVWK- Schriftenr. (Hennef) 22: 238–239. Dziock, F. (2000b): Schwebfliegen als Bioindikatoren in der Elbaue (Diptera, Syrphidae). BfG-Mitt. (Berlin)
Types:
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2016-12-28
Modified: 2016-12-28
Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28
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