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Description: Weichtiere (Mollusca) Bestandsentwicklung Gerhard Körnig EinführungBearbeitungsstand, Datengrundlagen Mollusken sind durch ihre geringe Mobilität relativ eng an ihren Lebensraum – Land oder Wasser – ge- bunden. Sie halten sich dauerhaft nur dort auf, wo ihre speziellen ökologischen Nischen gesichert sind. Damit eignen sich vor allem stenotope Arten, aber auch Arten- kombinationen als Bioindikatoren. Dieser Indikatoref- fekt spiegelt sich nur selten in einzelnen spezifischen Umweltparametern wider, sondern umfasst eher das komplexe Faktorengefüge, das in einem Ökosystem ge- geben ist. So lässt sich durchaus von einer Mollusken- gemeinschaft auf die Qualität eines Biotops schließen. Landschneckengemeinschaften korrespondieren in der Regel mit Vegetationseinheiten. So siedelt z. B. in den thermophilen Eichenmischwäldern des herzyni- schen Trockengebietes eine entsprechende Gastropo- denfauna mit Aegopinella minor und Euomphalia strigel- la als Charakterarten. Nimmt der Säuregrad des Bodens zu, verarmt die Gesellschaft und Columella aspera tritt als Differenzialart auf. Wassermollusken gelten als Anzeiger für die Qualität eines Gewässers. Einige Arten werden zur Bestimmung des Saprobienindexes herangezogen. Entscheidend da- bei sind deren Ansprüche an den Sauerstoffgehalt des Wassers. Neben einem unterschiedlichen Toleranz- bereich gegenüber Sauerstoff bestimmen Temperatur, Fließgeschwindigkeit, Bodensubstrat und biotische Be- dingungen das Vorkommen der Arten in den Gewäs- sern.Für die Artabgrenzung wurden grundsätzlich Stan- dardwerke wie Glöer & Meier-Brook (2003) oder Kerney et al. (1983) herangezogen. Die Nomenklatur richtet sich nach Körnig (2013). Aussagen über den Wandel der Molluskenfauna im Gebiet sind nur begrenzt möglich. Erste gesicherte Fundortangaben stammen von A. Schmidt (Schmidt 1851). Reinhard (1874) veröffentlichte eine Zusam- menstellung der Mollusken Magdeburgs. Um die Jahr- hundertwende haben sich Goldfuss (1900, 1904) und Honigmann (1906, 1909, 1910, 1911) durch Zusam- menfassen des Fundmaterials verdient gemacht. Mit ihren Angaben haben sie das südliche Sachsen-Anhalt bis in den Raum Magdeburg erfasst. Diese Quellen wurden auch bei Ehrmann (1933) berücksichtigt. Das Gebiet der Flusstäler von Elbe bis Aller einschließlich des Nordharzes war auch Inhalt zahlreicher Publikati- onen von Regius (1930, 1936, 1964, 1968 1969). Eine Literaturauswertung zu den Weichtieren des ehemali- gen Salzigen Sees erfolgte durch Hartenauer (2000). Meldungen über Molluskenvorkommen aus dem nörd- lichen Sachsen-Anhalt (Havelland, Altmark, Drömling) lagen bis in die 1980er Jahre nicht vor. Vergleicht man die relativ spärlichen Fundortangaben von vor einhundert Jahren mit den heute bekannten Vorkommen der Arten, so lässt sich erkennen, dass sich das Artinventar der Landschnecken seitdem bis auf den Verlust einiger Vorkommen nicht nur erhalten, sondern sich durch Einwanderung und Einschleppung vor allem synanthroper Arten erweitert hat. Würde man den An- gaben von Goldfuss (1900, 1904) die heutigen Deter- minationskriterien zugrunde legen, so waren damals 98 Landschnecken, 38 Wasserschnecken und 23 Muschel- arten bekannt. Die aktuell größere Artenzahl ergibt sich aus der intensiveren Durchforschung sowie aus Neube- schreibungen bisher nicht erkannter Taxa. Im Gegensatz zu den Landmollusken erlebte die Was- sermolluskenfauna, beginnend in den 1930er Jahren, verstärkt aber nach 1950, einen landesweit gravierenden Zusammenbruch. Ursachen waren die zunehmende Wasserbelastung durch die Industrie und die Kommu- nen und der Eintrag von Mineralien und Pestiziden durch die Landwirtschaft. In Folge der seit 1990 einset- zenden Verbesserung der Wasserqualität sind zurzeit eine Revitalisierung der Gewässer und die Wiederaus- breitung von Arten, die sich in zahlreichen Refugialräu- men erhalten hatten, zu beobachten. Allerdings muss Die einzige Art der Landdeckelschnecken in Sachsen-Anhalt, die Schöne Landdeckelschnecke (Pomatias elegans) kommt nur in einem thermophilen Eichenmischwald auf Muschel- kalkboden südlich Freyburg in einer kleinen individuenrei- chen Population vor. Sammlung Körnig, Foto: A. Stark. 562 Frank, D. & Schnitter, P. (Hrsg.): Pflanzen und Tiere in Sachsen-Anhalt befürchtet werden, dass zahlreiche Vorkommen einzel- ner Wassermolluskenarten für lange Zeit erloschen blei- ben. Als verschollen müssen drei Wasserschneckenarten eingestuft werden. Eine Ergänzung der Wassermollus- kenfauna ist aufgrund der Ausbreitung fremdländischer Faunenelemente zu verzeichnen, die vorwiegend aus Nordamerika eingeschleppt wurden. Somit ist sowohl in der Land- als auch in der Wassermolluskenfauna ein steter Wandel des Faunenbildes erkennbar. Aus der ersten Artenliste für Sachsen-Anhalt (Kör- nig 1999) müssen heute vier Arten gestrichen werden. Es handelt sich dabei um Fehlangaben aus der Literatur, die auf mangelnden Determinationsgrundlagen beru- hen. Es sind die Arten Aegopinella nitens (Michaud, 1831), Candidula intersecta (Poiret, 1801), Trichia strio- lata (C. Pfeiffer, 1828) und Stagnicola turricula (Held, 1836). Im Gegensatz dazu werden 14 für das Land neue Arten in die Liste aufgenommen. Das betrifft zunächst eine Gruppe von Neozoen, die vor allem in synanthro- pen Habitaten, wie Gärten und Gewächshäusern ent- deckt wurden. Daneben finden sich Arten, die wegen Neubeschreibungen einen Artstatus erhalten haben und für Sachsen-Anhalt bestätigt wurden. Es gibt aber auch Spezies, die entweder als verschollen galten und neu gefunden wurden oder offenbar bisher im Land unentdeckt geblieben waren wie Omphiscola glabra, Ver- tigo moulinsiana und Vitrinobrachium breve. Insgesamt umfasst die Landesliste nunmehr 126 Landschnecken-, 46 Wasserschnecken- (drei davon verschollen) und 30 Muschelarten. Die bisher als verschollen angesehene Pseudanodonta complanata konnte neuerdings in der Kleinen Helme entdeckt werden. Zoogeographische Auswertung Durch die Standortgebundenheit und die leichte Fos- silierbarkeit der Schalen lässt sich anhand der Mollus- ken in begrenztem Rahmen die erdgeschichtliche Ent- wicklung rekonstruieren. Für Sachsen-Anhalt ist aus dem Wandel der Artenkombinationen die Dynamik der quartären Klima- und Faunenveränderung ableitbar (Mania 1967, 1973). Die nacheiszeitliche Entwicklung der Molluskengemeinschaften spiegelt auch die derzei- tige zoogeographische Situation des Landes wider. Ein Vergleich der Arealtypen lässt in Sachsen-Anhalt ein Zusammentreffen und Überschneiden zahlreicher Arealgrenzbereiche erkennen und weist das Land als eine Faunenscheide aus. Von den Landschnecken (au- ßer Neozoen) charakterisiert etwa ein Drittel einen sol- chen Arealgrenzbereich. Ost-, Südost-, Nordostgrenze: zehn Arten mit atlantischer, westmediterraner Verbrei- tung; z. B. Azeca goodalli, Balea perversa, Macrogastra attenuata lineolata, Oxychilus alliarius, Helicigona lapi- cida. West-, Nordwestgrenze: zehn Arten mit südost- europäischer, pontischer, karpatischer Verbreitung; z. B. Bulgarica cana, Chondrula tridens, Euomphalia strigella, Semilimax semilimax. Nordgrenze: 13 Arten mit alpisch- mediterraner Verbreitung; z. B. Arten der Felsheide wie Clausilia rugosa parvula, Pupilla sterri, Zebrina detrita und Waldarten wie Helicodonta obvoluta, Isognomosto- ma isognomostomos, Vitrea diaphana, Tandinia rustica. Die Mehrzahl der Neozoen ist aus mediterranen und südeuropäischen Gebieten eingedrungen. Einige sind be- reits zu Adventivarten geworden und richten in Kultu- ren erheblichen Schaden an. Die zwei bis drei Millimeter große Feingerippte Grasschnecke (Vallonia enniensis) ist eine seltene, hygrophile Bodenart der Nass- wiesen. Sammlung Körnig, Foto: A. Stark. 563 Die ehemals landesweit verbreitete Bachmuschel (Unio crassus) konnte nur noch in wenigen Gewässern überleben, so in der Dumme-Beeke-Niederung und in der Kleinen Helme. Ursachen des Rückgangs sind Gewässerverschmutzung und Gewässeraus- bau einschließlich maschineller Unterhaltungsmaßnahmen. Sammlung Körnig, Foto: A. Stark. Im Terrarium gezogene Nachkommen der südosteuropäischen Banat-Felsenschnecke (Drobacia banatica) wurden 1962 in Qued- linburg und bei Rübeland ausgesetzt. Seitdem hat sich die Art lo- kal dauerhaft eingebürgert. Rübeland, 13.6.2011, Foto: A. Stark. Die zwei bis drei Millimeter große Bauchige Windelschnecke (Vertigo moulinsiana) besiedelt eutrophe Verlandungssümpfe und Röhrichte. Sie ist seit 2004 in Sachsen-Anhalt bekannt und wurde inzwischen an sieben Standorten nachgewiesen. Samm- lung Körnig, Foto: A. Stark.Seit etwa 20 Jahren breitet sich die Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris, syn. Arion lusitanicus) in fast allen Landbio- topen explosionsartig aus. Dabei verdrängt sie angestammte Arten und richtet große Ernteschäden an. Halle, Foto: A. Stark. Literatur(Frankfurt/M.) 77/78: 11–15. Clauss, E. (1979): Eine Population von Helicigona (Dro- bacia) banatica (Rossmässler, 1838) in Quedlinburg (Gastropoda, Stylommatophora, Helicidae). – Ma- lakol. Abh. Mus. Tierk. Dresden (Dresden) 6: 85–88. Ehrmann, P.(1933): Mollusca. – In: Brohmer, P.; Ehr- Buttstedt, L. (2007): Wiederfund einer Restpopula- tion der abgeplatteten Teichmuschel Pseudanodonta complanata (Rossmässler, 1835) für Sachsen-An- halt (Mollusca: Bivalvia). – Mitt. Dtsch. Malakol. Ges. 564

Types:

Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

Issued: 2016-12-28

Modified: 2016-12-28

Time ranges: 2016-12-28 - 2016-12-28

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