Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 425–436 23 Bearbeitet von Karl-Hinrich Kielhorn (3. Fassung, Stand: August 2019) Einführung Weltweit sind bisher mehr als 48.000 Spinnenar- ten bekannt, in Deutschland werden 992 Arten als etabliert angesehen (Blick et al. 2016). Spinnen sind in allen Landlebensräumen zu finden und besiedeln von unterirdischen Höhlen bis zu den Kronen der Bäume sämtliche Straten. Sie leben in der Gezeitenzone der Meere und sogar unter Wasser. Als räuberische Arthropoden haben Spinnen einen regulatorischen Einfluss auf Insektenpopulationen und sind deshalb wichtige Nützlinge. Entgegen der land- läufigen Ansicht baut nur ein kleinerer Teil der Spinnen Fangnetze. Vielmehr werden von verschiedenen Arten ganz unterschiedliche Fangmethoden eingesetzt. Die meisten Spinnen können sich zumindest als Jugendstadien am Fadenfloß verdriften lassen (ballooning) und besitzen deshalb ein gutes Ausbrei- tungsvermögen (Duffey 1998). Zwergspinnen zeigen dieses Verhalten auch als adulte Tiere, eine wichtige Voraussetzung, um sich schnell wandelnde Habitate wieder besiedeln zu können. Über die ökologischen Ansprüche und Habitat- präferenzen der einzelnen Arten liegen umfangreiche Kenntnisse vor (Hänggi et al. 1995, Martin 1991, Sacher & Platen 2001). Die Artenzusammensetzung der Spin- nenfauna in unterschiedlichen Lebensräumen ist in der Regel biotopspezifisch. Dadurch sind Spinnen als Indikatorgruppe für landschaftsökologische und na- turschutzfachliche Fragestellungen sehr gut geeignet (vgl. Plachter et al. 2002). Datengrundlagen Die Spinnenfauna Sachsen-Anhalts kann im Ver- gleich der Bundesländer als gut untersucht gelten. Eine wesentliche Datengrundlage hierfür bilden die zahlreichen Untersuchungen von Schutzgebieten und FFH-Gebieten, die im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz durchgeführt wurden. Auch die Inven- tarisierungsprojekte der Entomologen-Vereinigung Sachsen-Anhalt e. V. (EVSA) haben neue Erkenntnisse zum Artenbestand erbracht und Verbreitungsdaten aus wenig bearbeiteten Gebieten geliefert. Die Erforschung der reichhaltigen Spinnenfauna des Landes wurde über viele Jahre geprägt durch die Arbeit von Peter Sacher, die in einer Vielzahl von Publi- kationen dokumentiert ist. Sacher (1993) und Sacher & Platen (2001, 2004) veröffentlichten Gesamtartenlisten und Rote Listen. Ein weiterer bedeutender Beitrag zur Kenntnis der Spinnenfauna Sachsen-Anhalts wurde Webspinnen (Arachnida: Araneae) in jüngster Zeit mit der Veröffentlichung einer umfas- senden Dokumentation der Spinnen des Nationalparks Harz geleistet (Schikora 2015). Die Sammlung Sacher be- findet sich im Naturhistorischen Museum Bern und ist digital erfasst. Einige wichtige Nachweise für Sachsen- Anhalt konnten geprüft werden, soweit Belege vorhan- den waren. Auch aus dem Museum für Naturkunde Berlin und dem Senckenberg Naturmuseum Frankfurt wurden sachsen-anhaltische Belege überprüft. Das geschah allerdings nur bei ausgewählten Arten, eine weitergehende Auswertung der Museumssammlun- gen steht aus. Vollständig bearbeitet sind die Samm- lungen E. Hesse (s. Kielhorn et al. 2012) und M. Moritz im Museum für Naturkunde Berlin. In beiden Sammlun- gen befindet sich aber nur eine sehr überschaubare Zahl von Belegen aus Sachsen-Anhalt. Für die vorliegende Rote Liste wurden Arten, für die seit 25 oder mehr Jahren keine Funde aus dem Bezugsraum vorlagen (die also letztmalig vor 1995 nachgewiesen wurden), als verschollen eingestuft. Die Nomenklatur folgt derjenigen des World Spider Catalog (2019). In einigen Fällen ergeben sich dadurch Abweichungen von den Namen in der Roten Liste der Spinnen Deutschlands (Blick et al. 2016). Zur besseren Orientierung werden die älteren Synonyme bei diesen Arten zusätzlich angegeben (s. „Hinweis auf Synony- me“ nach der Artenliste). Synanthrope Spinnen aus Warmhäusern und an- deren Gebäuden wurden in der Gesamtliste und Roten Liste Deutschlands in die Kategorie „nicht bewertet“ gestellt (Blick et al. 2016). In der Roten Liste Sachsen- Anhalts ist eine solche Kategorie nicht vorgesehen. Diese Arten wurden deshalb als „nicht gefährdet“ ein- gestuft und sind demzufolge in der vorliegenden Liste nicht enthalten. Das gilt ebenso für synanthrope Arten (außer verschollenen) und rezente Zuwanderer. Insgesamt wurden neun Arten, die noch in der Checkliste (Kielhorn 2016) enthalten waren, aus ver- schiedenen Gründen gestrichen (s. unten). Anderer- seits konnten neun Arten neu in den Artenbestand aufgenommen werden. Einige dieser Arten sind in der Roten Liste enthalten. Nähere Angaben zu den jeweiligen Fundumständen werden an anderer Stelle veröffentlicht. Der Gesamtartenbestand der Spinnenfauna Sach- sen-Anhalts umfasst nach derzeitigem Kenntnisstand 711 Arten. Wie bei allen Checklisten kann diese Zahl nur einen Zwischenstand wiedergeben. Zweifellos sind auch in Zukunft Neuzugänge zur Landesfauna zu erwarten. Eine bisher unbeschriebene Art wurde 2016 in der Baumannhöhle im Harz entdeckt. Weitere Funde dieser Zwergspinne sind aus einem Kalkstein- stollen in Bayern bekannt, die Art wird in Kürze be- schrieben (T. Blick, pers. Mitt.). 425 Webspinnen 1 23 45 Abb. 1: Die Kugelspinne Enoplognatha mordax kommt auf Salzstellen und vereinzelt auch auf Äckern vor (Foto: Jørgen Lissner). Abb. 2: Die Plattbauchspinne Micaria dives ist eine charakteristische Art der Sandtrockenrasen. Aufgrund neuer Nachweise konnte ihre Gefährdung auf die Kategorie 3 herabgestuft werden (Foto: J. Lissner). Abb. 3: Heriaeus oblongus wurde 2019 nach 20 Jahren erneut in Sachsen-Anhalt nach- gewiesen (Foto: I. Rödel). Abb. 4: Die winzige Zwergsechsaugenspinne Oonops domesticus lebt synanthrop in Gebäuden. Sie ist in Sachsen- Anhalt seit langem nicht mehr gefunden worden (Foto: J. Lissner). Abb. 5: Die Luchsspinne Oxyopes ramosus lebt auf Heidekraut und wird hauptsächlich durch Streifnetzfänge nachgewiesen (Foto: I. Rödel). 426 Webspinnen Tab. 1: Übersicht zum Gefährdungsgrad der Webspinnen Sachsen-Anhalts. Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 27 3,8 Gefährdungskategorie R 1 2 19 28 75 2,7 3,9 10,5 Rote ListeGesamt 236 33,2711 3 87 12,2 Tab. 2: Übersicht zu den sonstigen Kategorien. Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) G 19 2,7 Kategorien D 13 1,8 V - - Sonstige GesamtGesamt 31 4,4711 Abb. 6: Von der an Rinde lebenden Kugelspinne Phycosoma inorna- tum sind in Sachsen-Anhalt nur zwei Fundorte bekannt (Foto: J. Lissner).Abb. 7: Die Krabbenspinne Ozyptila brevipes ist eine anspruchsvolle Art der Feuchtgebiete. Sie ist in Sachsen-Anhalt stark gefährdet (Foto: J. Lissner). Bemerkungen zu ausgewählten Artendes Harzes nachgewiesen (Harm 1966, Schikora 2015, Wiehle 1965). Die Überprüfung der Primärliteratur führte gegen- über der Checkliste (Kielhorn 2016) zur Streichung mehrerer Arten aus der Gesamtartenliste und damit auch aus der Roten Liste der Spinnen Sachsen-An- halts. Für das Vorkommen der Wolfspinne Piratula in- sularis in Sachsen-Anhalt geben Sacher & Platen (2001) als Quellen Dahl (1908) sowie Dahl & Dahl (1927) an. In beiden Publikationen werden nur Funde aus Berlin genannt. Sacher & Platen (2004) nennen Wiehle (1960) als Referenz für den Nachweis von Trichoncus hack- mani in Sachsen-Anhalt. H. Wiehle waren jedoch nur Funde aus Brandenburg, Bayern und Rheinland-Pfalz bekannt (ebd.). Phrurolithus pullatus wurde von Wiehle (1967) am Durchbruch der Wipper bei Seega gefunden. Der Ort gehörte damals zum Bezirk Halle, heute liegt er in Thüringen. Ebenfalls in Thüringen befindet sich der Fundort von Diplocephalus connatus bei Uftrungen (Moritz 1973). Bolephthyphantes index und Iberina difficilis wurden bisher nur im niedersächsischen Teil Clubiona germanica wurde entgegen der Angabe in Sacher & Platen (2001) nicht im Drömling gefunden (A. Mann, pers. Mitt.). Die Herkunft der Fundmeldung bleibt unklar. Růžička (2018) revidierte die Gattung Porrhomma. Demnach ist P. myops keine eigenständige Art, sondern ein jüngeres Synonym von P. rosenhaueri und muss deshalb entfallen. In der Sammlung Sacher befinden sich keine Be- lege von Larinioides suspicax aus Sachsen-Anhalt. Die Überprüfung eines Exemplars aus Thüringen (sub L. folium, vgl. Sparmberg & Sacher 1997) ergab, dass es sich um L. cornutus handelt. L. suspicax wurde des- halb aus der Gesamtartenliste gestrichen. Gefährdungsursachen und erforderliche Schutzmaßnahmen Aktuell gelten 443 Spinnenarten als ungefährdet, das entspricht 62,3 % des Gesamtartenbestands. Von den verbleibenden 268 Arten werden 236 (33,2 %) 427
Origins: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2020-08-31
Modified: 2020-08-31
Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31
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