Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 293–302 11 Bearbeitet von Martin Trost, Bernd Ohlendorf, René Driechciarz, Antje Weber, Thomas Hofmann und Kerstin Mammen (3. Fassung, Stand: Dezember 2018) Einführung Die Säugetiere sind traditionell eine der am meisten beachteten Artengruppen. Sie stellen etliche Haus- und Heimtiere, für die Jagd sind sie von zentraler Bedeutung, einige Arten verursachen teilweise große Wildschäden in Land- und Forstwirtschaft, andere Arten sind Vorratsschädlinge, Krankheitsüberträger, Mitbewohner menschlicher Behausungen oder inva- sive Neozoen. Neben ökonomischen Faktoren spielen vielfach auch tief verwurzelte emotionale Aspekte bis hin zu mythischen Überhöhungen eine wichtige Rolle. Fachliche Aussagen zur Gefährdung werden daher teil- weise kontrovers diskutiert und intensiv hinterfragt. Die aktuelle Gesamtartenliste der Säugetiere Sachsen-Anhalts umfasst 81 Arten, wovon 77 Arten mit etablierten Beständen vertreten sind bzw. waren. Die aktuelle Rote Liste enthält davon 44 Arten und weist damit deutliche Änderungen gegenüber der Fassung von Heidecke et al. (2004) auf. Die Kriterien zur Erstellung Roter Listen auf Bundesebene (Ludwig et al. 2009) wurden als methodische Referenz herange- zogen. Die Wahrung der Vergleichbarkeit der Gefähr- dungseinstufungen über die gesamte Artengruppe stellt aber methodisch eine Herausforderung dar. So sind z.B. Bestandsgrößen und Verbreitungsangaben von Arten mit stark differierenden Aktionsräumen un- terschiedlich zu werten. Schwierig zu beurteilen sind auch die komplexen funktionalen Zusammenhänge von Sommer-, Winter- und Schwärmquartieren bzw. zwischen Sommer-, Winter- und ziehendem Bestand bei Fledermäusen. Wie auch schon 2004 werden die unwiederbring- lich ausgerotteten Arten Wildpferd und Auerochse, aber auch Wisent und Braunbär, deren Wiederansied- lung im Freiland Sachsen-Anhalts nicht zu erwarten ist, nicht in der Roten Liste geführt. Ebenfalls nicht in der Roten Liste geführt werden Arten, die mit Einzel- exemplaren außerhalb ihres eigentlichen Areals nach- gewiesen wurden und nicht zum etablierten Arten- bestand des Landes gehören (Kegelrobbe, Seehund) sowie sich derzeit zwar im Zuge des Klimawandels nach Norden ausbreitende, in Sachsen-Anhalt bereits nachgewiesene Arten, für die jedoch noch keine eta- blierten Populationen belegt sind (Alpenfledermaus, Wimperfledermaus). Hingegen sind diejenigen Arten enthalten, die erst in jüngerer Zeit ausgestorben sind oder von denen gelegentlich Exemplare einwandern, ohne sich wieder zu etablieren, wie der Elch. Säugetiere (Mammalia) Sieben in Sachsen-Anhalt etablierte Arten sind Neozoen, die grundsätzlich nicht in der Roten Liste eingestuft werden. Vier davon sind in der EU-Verord- nung 1143/2014 über invasive gebietsfremde Arten enthalten. Datengrundlagen Wie auch in früheren Fassungen der Roten Liste wird zur Beurteilung langfristiger Tendenzen des Arten- bestandes auf historische Werke aufgebaut (s. Heidecke et al. 2009). Eine wichtige aktuelle Grundlage ist die Checkliste von Hofmann et al. (2016), in der die Be- standssituation unter Berücksichtigung lang- und mittelfristig aussagefähiger Quellen zusammenge- fasst wurde. Die Nomenklatur der Arten folgt analog zu Hofmann et al. (2016) bei den Fledermäusen Dietz et al. (2007) und bei den anderen Ordnungen Wilson & Reeder (2005). Während in letzter Zeit säugetierkundliche Arbeiten an Hochschulen Sachsen-Anhalts weiter in den Hintergrund rückten, nahmen behördlich (ins- besondere Landesamt für Umweltschutz) initiierte und finanzierte Erfassungsarbeiten zu den Arten der FFH-Richtlinie erheblich zu, sowohl im Rahmen der Verbreitungserhebung als auch des FFH-Stichproben- monitorings. Umfangreiche ehrenamtliche Arbeiten wurden vom Arbeitskreis Fledermäuse Sachsen-An- halt in Zusammenarbeit mit der Referenzstelle Fleder- mausschutz, aber auch vom Arbeitskreis Biberschutz in Zusammenarbeit mit der Referenzstelle Biberschutz geleistet. Daraus resultierend hat sich der Kenntnis- stand zu den Arten der Anhänge der FFH-Richtlinie deutlich verbessert. Die Ergebnisse dieser landeswei- ten Arbeiten liegen teilweise in publizierter Form vor (z.B. Götz 2015, Weber & Trost 2015, Schumacher 2017, Weber 2013, 2017, jährliche Mitteilungen des AK Biber- schutz, Trost & Vollmer 2018a,b), vielfach aber nur als unveröffentlichte Gutachten bzw. Datenbanken, die nur unvollständig erschlossen sein dürften. Die Kehrseite der Konzentration auf FFH-Arten war eine Stagnation des Kenntnisstandes zu den meisten Nicht-FFH-Arten. So kamen überregionale Aktivitäten der Initiative „Säugetierfauna“ vorüber- gehend nahezu zum Erliegen. Die regionalen faunis- tischen Zusammenstellungen im Rahmen der Arten- und Biotopschutzprogramme des Landes wurden nach 2008 nicht weitergeführt. Mit eher lokalem, teilweise auch regionalem Bezug wurden allerdings weiterhin Arbeiten publiziert (z.B. Benecke & Görner 2007, Driechciarz 2011, 2015, Driechciarz et al. 2018, Driechciarz & Driechciarz 2013, Stubbe et al. 2013, Zuppke & Berg 2017, Wüstemann 2018). Die faktenbasierte Be- urteilung von aktuellen landesweiten Tendenzen ist aber vor allem für Nicht-FFH-Arten schwierig. 293 Säugetiere 1 2 4 3 Abb. 1: Die Hausspitzmaus (Crocidura russula) lebt überwiegend unauffällig in extensiv genutzten Lebensräumen der Kulturlandschaft, ins- besondere auch in menschlichen Siedlungen (Foto: M. Trost). Abb. 2: Die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) war einst weit verbreitet. Im 20. Jh. ging ihr Bestand extrem stark zurück, so dass sie in vielen Gebieten regional ausstarb. Seit den 1990er Jahren ist eine Bestandsstabilisierung im Süden Sachsen-Anhalts zu verzeichnen. Es besteht eine starke Bindung an anthropogene Quartiere (Foto: M.Trost). Abb. 3: Das Braune Langohr (Plecotus auritus) ist eine waldbewohnende Fledermausart, die aber auch von geeigneten Quartieren in Gebäu- den und unterirdischen Objekten abhängig ist (Foto: E. Driechciarz). Abb. 4: Die Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) gilt als charakteri stische Art historisch alter Wälder mit hohem Anteil von Höhlenbäumen, die durch forstliche Überprägung gefährdet sind. Winterquartiere befinden sich überwiegend in unterirdischen Objekten wie Höhlen und Kellern (Foto: E. Driechciarz). 294 Säugetiere 5 6 7 Abb. 5: Der Feldhase (Lepus europaeus) ist zwar noch großräumig verbreitet, verzeichnet jedoch gravierende Bestandseinbrüche in der offe- nen, intensiv genutzten Agrarlandschaft (Foto: M. Trost). Abb. 6: Der Feldhamster (Cricetus cricetus), der bis Mitte des 20. Jh. als Schädling im Ackerbau galt, steht unter den Bedingungen der industriellen Landwirtschaft vielfach vor dem regionalen Aussterben (Foto: E. Driechciarz). Abb. 7: Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) hat ein eingeschränktes Verbreitungsgebiet im Süden Sachsen-Anhalts, an dessen nörd- lichem Rand Verluste von stark isolierten Teilpopulationen zu befürchten sind (Foto: M. Trost). 295
Types:
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2020-08-31
Modified: 2020-08-31
Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31
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