Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 111–114 4 Bearbeitet von Peter Scholz (1. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung Überwiegend oder ausschließlich von Flechten do- minierte Pflanzengesellschaften kommen in Sach- sen-Anhalt sowohl auf Böden und Gesteinen wie auf Rinden lebender Gehölze und auf Totholz vor. Dass auffällige, artenreiche Flechtengesellschaften an entsprechenden Standorten dennoch ziemlich selten sind, liegt vor allem am langsamen Wachstum der allermeisten Flechten. Abgesehen von sogenannten Pioniergesellschaften benötigen Flechtengesell- schaften für ihre Entwicklung mehrere Jahre oder Jahrzehnte ökologische Kontinuität mit ausreichend Lichtgenuss und zumindest zeitweiliger Befeuch- tung. Im Falle von Gesteinsoberflächen werden zur Ausbildung artenreicher Gesellschaften sogar oft Jahrhunderte benötigt. Auf Grund der genannten ökologischen Ansprüche können Flechtengesellschaf- ten mit Phanerogamengesellschaften nicht und mit Moosgesellschaften nur bedingt konkurrieren. Böden können deshalb nur dort von Flechtengesellschaften besiedelt werden, wo es für geschlossene Phaneroga- mengesellschaften zu trocken oder zu nährstoffarm ist. Feuchtere Standorte in Vegetationslücken, sowie auf Gestein und Rinde beziehungsweise Holz werden rascher von Moosgesellschaften eingenommen, nur an trockeneren Standorten dominieren im allgemei- nen Flechtengesellschaften. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die submers oder in der Spritzwasser- zone an Blöcken in Bachläufen vorkommenden Süß- wasser-Flechtengesellschaften. Als Ersatzstandorte für Flechtengesellschaften auf Gestein können aber auch vom Menschen geschaffene Gesteinsoberflä- chen dienen, wenn ausreichend Zeit zur Entwicklung zur Verfügung steht. Besonders wichtig sind hierfür neben Steinbrüchen alte Natursteinmauern aber auch Denkmäler und selbst alte Grabmale. Datengrundlagen Erstmalig wird eine Rote Liste gefährdeter Flechten- gesellschaften des Bundeslandes vorgelegt. Grundlage hierfür war neben der Auswertung der vorhandenen Literatur eine vom Autor im Auftrag des Bundesam- tes für Naturschutz (Bonn) im Jahr 2000 erarbeitete Datenbank der Flechtengesellschaften Deutschlands. Spezielle Veröffentlichungen über Flechten- gesellschaften in Sachsen-Anhalt sind nur sehr spärlich vorhanden. Scholz (1992) gibt einen ersten Überblick über die Flechtengesellschaften des Har- zes. Andere Arbeiten befassen sich mit speziellen Flechtengesellschaften Habitaten (Schubert & Klement 1961) oder einzelnen Naturschutzgebieten (Nörr 1968, Stöcker 1962a, 1962b), wobei im letzteren Fall nur einzelne Flech- tengesellschaften im Rahmen vegetationskundlicher Untersuchungen behandelt oder erwähnt werden. Die stärkste Beachtung fanden in der Literatur die Flechtengesellschaften kalk- bis basenreicher Böden, die oft unter der deutschen Bezeichnung „Bunte Erd- flechtengesellschaft“ zusammengefasst werden und sicher zu den wenigen allgemeiner bekannten Flech- tengesellschaften zählen. Mit diesen befassten sich im Untersuchungsgebiet nach Knapp (1944), Reimers (1950) und Geier (1961) auch Marstaller (1971) und Schubert et al. (1975). Sie können damit als die ein- zigen ausreichend bekannten und gut bearbeiteten Flechtengesellschaften Sachsen-Anhalts gewertet werden. Für einen Teil der aufgenommenen Assozia- tionen liegen nur Hinweise auf das Vorkommen cha- rakteristischer Arten in der floristischen Literatur vor (Zschacke 1909, 1911). Solche Assoziationen wurden aufgenommen wenn aus der allgemeinen Kenntnis über die Verbreitung der Gesellschaften mit großer Sicherheit ein derzeitiges oder ehemaliges Vor- kommen in Sachsen-Anhalt angenommen werden kann. Hierzu dienten vor allem die Bearbeitungen der Nachbargebiete Niedersachsen (Drehwald 1993) und Thüringen (Scholz 2001), sowie die allgemeinen Bearbeitungen der Silikatflechtengesellschaften Mitteleuropas (Wirth 1972) und der epiphytischen Flechtengesellschaften Westeuropas (Barkman 1958). Da es insbesondere für Flechtengesellschaften der Silikatfelsen kaum ältere Angaben mit Aussagen zur Häufigkeit der Vorkommen gibt, konnte hier meist nur eine Einordnung in die Kategorie G vorgenom- men werden. Es muss außerdem darauf hingewie- sen werden, dass für eine Reihe weiterer heute verschwundener, vermutlich aber ehemals im Lande vorhandener Flechtengesellschaften auswertbare ältere Angaben ganz fehlen. Solche Assoziationen wurden nicht in die Listen aufgenommen. Bemerkungen zu ausgewählten Gesellschaften, Gefährdungsursachen und erforderliche Schutz- maßnahmen Unter den gefährdeten Flechtengesellschaften Sach- sen-Anhalts verdienen neben den bereits erwähnten Flechtengesellschaften kalk- bis basenreicher Böden einige weitere Assoziationen besondere Beachtung. An erster Stelle ist hier das Lecideion inopis zu nen- nen, dass in Deutschland vermutlich nur in Sachsen- Anhalt vorkommt. Es handelt sich dabei um eine aus relativ unauffälligen Krustenflechten aufgebaute Gesellschaft, die mit der aspektbestimmenden Art 111 Flechtengesellschaften Tab. 1: Übersicht zum Gefährdungsgrad der Flechtengesellschaften Sachsen-Anhalts. Taxa Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Gefährdungskategorie R 1 2 4 4 10 5,2 5,2 13,0 0 5 6,5 3 11 14,3 Rote ListeGesamt 34 44,277 Tab. 2: Übersicht zur Einstufung in die sonstigen Kategorien der Roten Liste. Taxa Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) Kategorien G 11 14,3 (Lecidea inops) an das Vorkommen von Kupferver- bindungen im besiedelten Gestein gebunden ist. Im Gebiet kommt die Gesellschaft auf den Kupferschie- ferhalden des Mansfelder Landes vor. Reich besiedelt sind besonders ebene Flächen der großen Halden aus dem 19. Jahrhundert. Hier wäre die Gesellschaft an sich ungefährdet, wenn es nicht zur Zerstörung der Halden durch Schottergewinnung käme und nicht Mineralien- und Fossiliensucher trotz aller Verbote die Halden durchwühlen würden. Bei letzterem wird die interessante Flechtengesellschaft der Halden auch durch das Begehen von Schrägflächen zerstört, wenn die seit Jahrzehnten unverändert zuoberst liegenden Schieferplatten verschoben und umgedreht werden. Eine weitere Besonderheit unter den Flechten- gesellschaften des Landes ist das Dimelaenetum oreinae, das nur an zwei Stellen an den kreidezeit- lichen Sandsteinfelsen des nördlichen Harzvorlandes vorkommt. Die nächsten Vorkommen der Gesellschaft und der namengebenden Art (Dimelaena oreina) befinden sich im Schwarzwald, den Alpen und in Böhmen. Die Gesellschaft wurde deshalb als wegen Seltenheit gefährdet eingestuft. Vom Aussterben bedroht ist in Sachsen-Anhalt das Acarosporetum sinopicae. Es handelt sich um eine Krustenflechtengesellschaft die im Gebiet nur auf mittelalterlichen, schwermetallhaltigen Erzschlacken- Gesellschaft Silikatflechtengesellschaften regengeschützter Standorte Enterographetum zonatae (Degel. 1939) Wirth 1972 Chrysotrichetum chlorinae Schade 1934 ex Wirth 1972 Silikatflechtengesellschaften beregneter Standorte Dimelaenetum oreinae Hil. 1925 Lecanoretum argopholidis (Cern. 1940) Wirth 1980 Pertusario-Ophioparmetum Wirth 1972 ex Wirth 1980 Acarosporetum sinopicae Hil. 1924 Lasallietum pustulatae Hil. 1925 Lecideion inopis Purvis 1996 Ramalinietum capitatae Frey 1923 Umbilicarietum cylindricae Frey 1922 ex Klem. 1955 Umbilicarietum deustae Hil. 1925 112 D 1 1,3 V - - Sonstige GesamtGesamt 12 15,677 halden vorkommt. Diese stammen von der Eisenerz- verhüttung und waren einst vielfach vorhanden (Bode 1928). Sie wurden jedoch teilweise überbaut oder wuchsen langsam zu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der größte Teil von ihnen wegen des noch vor- handenen Metallgehalts erneut verhüttet. Zur Zeit existieren nur zwei Vorkommen des Acarosporetum si- nopicae in Sachsen-Anhalt. Das größere der davon liegt im Nationalpark Hochharz und kann dort hoffentlich durch geeignete Pflegemaßnahmen (Entbuschung, Aufreißen vergraster Haldenteile) erhalten werden. Vorkommen der Gesellschaft an natürlichen Gesteinen sind aus Sachsen-Anhalt nicht bekannt. Alle Rindenflechten-Gesellschaften regenge- schützter Standorte sind mehr oder weniger stark gefährdet, da sie nur an bestimmten alten Bäumen in geeigneter luftfeuchter Lage vorkommen. Solche Bäu- me sind in Forsten praktisch fast nicht vorhanden. Als Ursachen der Gefährdung von Flechtengesell- schaften, könnte man weiterhin alle in der Einleitung zur Roten Liste der Flechten genannten Ursachen wiederholen. Von den 77 im Land Sachsen-Anhalt vor- kommenden Flechtengesellschaften sind 34 (ca. 44 %) gefährdet. Die Anordnung und Benennung der Flechtenge- sellschaften folgen Wirth (1995). Deutsche Namen für Flechtengesellschaften gibt es nicht. Kat. G G R R R 1 3 3 3 3 3 Flechtengesellschaften Gesellschaft Lecideetum lithophilae Wirth 1969 Parmelietum omphalodis Du Rietz 1921 Pertusarietum corallinae Frey 1922 Parmelietum somloensis Klem. 1955 Süßwasser-Flechtengesellschaften auf Silikat Porpidietum hydrophilae Ullrich 1992 Porpidietum glaucophaea Wirth 1969 Verrucarietum funckii Ullrich & Wirth 1972 Verrucarietum hydrelae ass. prov. Wirth 1995 Subneutrophytische Silikatflechtengesellschaften Caloplacetum obliterantis Wirth 1972 Kalkflechtengesellschaften nährstoffreicher Standorte Caloplacetum cirrochroae Poelt ex Breuer 1971 Xanthorietum aureolae Beschel ex Klem. 1953 Flechtengesellschaften sickerfeuchter Kalkfelsen Toninietum candidae Kaiser 1926 Rindenflechten-Gesellschaften regengeschützter Standorte Chaenothecetum furfuraceae Kalb 1969 Calicietum glaucelli Kalb. 1966 corr. Wirth Calicietum viridis Hil. 1925 Chrysotrichetum candelaris Mattick 1937 ex Barkm. 1958 Chaenothecetum ferrugineae Barkm. 1958 Vorzugsweise Holz bewohnende Flechtengesellschaften Lecanoretum symmictae Klem. 1953 Blatt- und strauchflechtenreiche Gesellschaften saurer Borken Bryorio fuscescenti-Usneetum filipendulae Hil. 1925 Cetrarietum sepincolae Ochsner ex Klem. 1955 Pseudevernietum furfuraceae Hil. 1925 Moos-Flechten-Gesellschaften schwach saurer bis basenreicher Borken Lobarietum pulmonariae Hil. 1925 Nephrometum laevigati Barkm. 1958 Pioniergesellschaften neutraler bis schwach saurer, glatter Borken Lecanoretum subfuscae Hil. 1925 Pyrenuletum nitidae Hil. 1925 Pertusarietum amarae Hil. 1925 em. Barkman 1958 Flechtengesellschaften neutraler bis basenreicher Borken Parmelietum caperatae Felf. 1941 Ramalinietum fastigiatae Duvign. 1942 Parmelietum acetabuli Ochsner 1928 Moos-Flechten-Gesellschaften des morschen Holzes Cladonietum cenoteae Frey 1927 ex Frey 1959 Flechtengesellschaften kalk- bis basenreicher Böden Endocarpetum pusilli Gallé 1964 Toninio-Psorodetum decipientis Stodieck 1937 Cladonietum symphycarpae Doppelb. in Klem. 1955 Flechtengesellschaften saurer Böden Cladonietum mitis Krieger 1937 Cladonietum foliaceae Klem. 1955 Kat. G G G D 2 G G G R G G G 0 2 2 2 3 2 1 1 3 0 0 2 2 3 0 0 3 1 2 2 3 2 3 Anordnung und Benennung der Flechtengesellschaften nach Wirth (1995). 113
Types:
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2020-08-31
Modified: 2020-08-31
Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31
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