Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 711–720 57 Bearbeitet von Werner Malchau (3. Fassung, Stand: Januar 2019) Einführung Nach Schumann (1998, 2004) wird nunmehr die dritte Fassung der Roten Liste der Blatthornkäfer für das Land Sachsen-Anhalt vorgelegt. Zusammenfassend werden hier wie schon zuvor die Familien Trogidae (Erdkäfer), Geotrupidae (Mistkäfer), Ochodaeidae (Trüffelbohrer) und Scarabaeidae (Blatthornkäfer) betrachtet. Die zur Überfamilie der Scarabaeoidea gehörenden Lucanidae (Schröter oder Hirschkäfer) erfahren traditionell im Bundesland Sachsen-Anhalt eine getrennte Beurteilung. Nomenklatorisch wird Löbl & Löbl (2016) gefolgt. Dies schließt ein, dass sich einige Änderungen gegen- über den vorliegenden Zusammenstellungen bei Schumann (1998, 2004, 2016) ergeben. Die zum Fami- lienstatus erhobenen Ochodaeidae werden getrennt eingegliedert. Zudem sind nachfolgend auch die ehe- maligen Untergattungen bei Aphodius als Gattungen berücksichtigt. Insgesamt wird hier eine recht heterogene Kä- fergruppe zusammengefasst, die unter anderem hinsichtlich ihrer Lebensweise stark differenziert ist. So treten neben den koprophagen Arten (z. B. Geo- trupidae, Aphodiini und Onthophagini) auch zahlrei- che phytophage Arten auf. Letztere entwickeln sich an Wurzeln, leben von oberirdischen Pflanzenteilen und können auch xylobiont sein. Vielfach bieten Zer- setzungsprodukte der Pflanzen Voraussetzungen für eine Entwicklung. Blütenbesucher (einige Rutelinae, Hoplia, Cetoniinae) sind ebenso anzutreffen, wie Ar- ten, die an Kadavern (Trogidae) oder Pilzen (Ochodae idae) leben. Blatthornkäfer (Coleoptera: Trogidae, Geotrupidae, Ochodaeidae, Scarabaeidae) Jahrhunderts. Zahlreiche Korrektur- und Ergänzungs- meldungen gegenüber den Angaben bei Köhler & Klausnitzer (1998) seit Beginn des neuen Jahrtausends weisen auf ehemals vorhandene Kenntnislücken hin (z. B. Jung 2001, 2007a/b, Bäse 2007, Malchau 2010, Neumann et al. 2014). Diese Meldungen dokumentie- ren aber auch, dass sich seit Mitte der 1990er Jahre zahlreiche Koleopterologen verstärkt den Blatthorn- käfern gewidmet haben. Einen Meilenstein bildete das von Rössner (2012) erstellte Werk „Hirschkäfer und Blatthornkäfer Ost- deutschlands“. In dieser beispielgebenden Publikation sind alle verfügbaren Daten aus der Literatur, aus Sammlungen der Museen, Hochschulen und Fachkol- legen aufgelistet. Bei Rössner (2012) flossen bereits die Arbeiten der Entomologen-Vereinigung Sachsen-Anhalt (Schnitter et al. 2003, Bäse et al. 2005, Malchau 2009, 2013) und neu publizierte Aufsammlungsergebnisse (Bank & Spitzenberg 2001, Wallaschek et al. 1996, Jung 1998, Neu- mann 2001, 2008, Strobl 2007, Bäse 2008, Gruschwitz 2008) mit ein. Später erstellte Arbeiten zur Blatthorn- käferfaunistik (Bäse 2013a/b, Jung 2015a/b, 2016, 2018, Neumann 2015, Malchau 2015, 2018, Meinecke et al. 2017) und Zuarbeiten von Funddaten der hiesigen Spezialisten an den Autor ergänzen die Datenbasis. Datengrundlagen und Methoden Die Erstellung der Vorgängerversionen der Roten Liste der Blatthornkäfer Sachsen-Anhalts (Schumann 1998, 2004) basierte zunächst auf Publikationen historischer Fangdaten (Eggers 1901, Hillecke 1907, Jacobs 1931–1934), zusammengefasst und ergänzt durch Rapp (1934), Borchert (1951) und Horion (1958). Neuere Ergebnisse konnten dabei vor allem aus der Harzregion und seinem nördlichen Vorland berück- sichtigt werden (Grebenščikov 1982, Jung 1983). Auch wenn Schumann (1998, 2004) zusätzlich auf aktuelle Aufsammlungsergebnisse verschiedener Koleoptero- logen zurückgreifen konnte, induziert die geringe An- zahl an zur Verfügung stehendem Material seit 1950 Defizite zum Kenntnisstand der Blatthornkäferfau- nistik Sachsen-Anhalts gegen Ende des zwanzigsten Karte 1: Verteilung der Nachweise von Blatthornkäfern in Sachsen- Anhalt je Messtischblatt (MTB); Datenbasis Rössner (2012), ergänzt. 711 Blatthornkäfer Insgesamt wurden damit über 5.500 faunistische Daten ausgewertet. Dennoch ist nach wie vor von Wissenslü- cken auszugehen, die vor allem aus räumlichen Dispro- portionen resultieren (Abb. 1). Von 24 MTB sind bisher noch keine Nachweismeldungen eingegangen. Die größten Defizite ergeben sich im Norden des Landes. Hier konnten beispielsweise auf allen nördlich von Stendal ge- legenen 34 MTB nur 212 Datensätze einbezogen werden (durchschnittlich 6,2 Meldungen je MTB). Für das gesam- te Bundesland ist dieser Wert mit 29,0 Nachweisen je MTB um das 4,7-fache höher. Vier MTB weisen mit jeweils über 200 Nachweisen die höchste Datendichte auf. Für die Zukunft sollte es darum gehen, diese Bearbeitungslü- cken zu schließen. Dies beinhaltet auch, eine Datenbank zu erstellen, in der die komplette Einarbeitung des Beleg- materials aus Privatsammlungen Eingang findet. Mit der Erstellung der Roten Listen für die Bun- desrepublik Deutschland wurde ein neuer methodi- scher Standard erarbeitet (Ludwig et al. 2009), der die vorzunehmenden Gefährdungseinschätzungen auf der Basis einer Quantifizierung objektivieren soll. Die- sem durchaus zu begrüßenden Herangehen wurde nicht gefolgt, da die zur Verfügung stehende Daten- basis viel zu gering ist, um belastbare Aussagen zu treffen. So verzichtete auch Schumann (2016) darauf, den einzelnen Arten Trends zur Bestandsentwicklung zuzuordnen. Nachfolgend wird sich an den methodi- schen Vorgaben (Schnitter 2004) zur Erarbeitung der Vorgänger-Roten-Listen Sachsen-Anhalts orientiert, wobei quantitative Aspekte unter zeitlichen Prämis- sen (Vergleich der Anzahl von Funden vor bzw. nach 2000) bei der Einstufung in die Gefährdungskatego- rien durchaus mit gewichtet wurden. Dem Grundsatz, Arten als „Ausgestorben oder verschollen“ zu deklarieren, wenn keine Nachweise aus den letzten 20 Jahren bekannt geworden sind, wurde konsequent gefolgt. Bemerkungen zu ausgewählten Arten Übersichtsmäßig verweist bereits Schumann (2004) auf Besonderheiten der Blatthornkäferfauna in Sachsen- Anhalt. Das Gesamtartenspektrum wird bei Rössner (2012) und Schumann (2016) umrissen. Auf neuere Kenntnisse, die sich vor allem auch mit einer deut- lichen Zunahme von Sammlungs- und Rechercheakti- vitäten begründen lassen, soll nachfolgend familien- bezogen auch unter Beachtung nomenklatorischer Veränderungen (Löbl & Löbl 2016) verwiesen werden. Trogidae Von acht in Deutschland nachgewiesenen Trogiden- Arten gibt es auch für sieben Arten Erwähnungen zu Vorkommen in Sachsen-Anhalt (Rössner 2012). Davon ist jedoch die Meldung für Trox perlatus (Goeze, 1777) als unkorrekt zu streichen (Rössner 2012), so dass sich das hiesige Artenspektrum auf sechs Arten beschränkt (Schumann 2016). Erfreulicherweise gab es für Trox perrisii Wiederfunde (Dietze 2004, Jung 2007, Jung et al. 2016). Nach Schumann (2016) liegen die Vorkommen von Trox eversmannii in Sachsen-Anhalt am Arealrand. Dietze (2004) berichtet über den 2003 getätigten Wiederfund bei Eisleben (mehrfach). Geotrupidae Rössner (2012) und Schumann (2016) nennen sieben Arten dieser Familie, für die Nachweise aus Sachsen- Anhalt bekannt geworden sind. Darunter befindet sich auch Geotrupes mutator, der als „Ausgestorben oder verschollen“ einzustufen ist. Die letzten Nach- weise dieser Art im hiesigen Bundesland gelangen 1960 zwischen Burg und Genthin (vgl. Rössner 2012). Schumann (2016) führt Geotrupes stercorarius als „sehr häufig“. Dieser Einschätzung kann in Anbetracht der vorliegenden Daten nicht gefolgt werden. Zwar bezeichnet Grebenščikov (1982) die Art als im gesamten Gebiet vorkommend (betrifft das nördliche Harzvor- land), doch die sehr geringe Nachweisdichte seit dem Jahr 2000 in Sachsen-Anhalt (vgl. Rössner 2012) lässt eine Einstufung für G. stercorarius als „vom Aussterben bedroht“ notwendig erscheinen. Weder Jung (1983) im nördlichen Harzvorland, noch Bäse (2008, 2013), Mal- chau (2009, 2013, 2015, 2018) und Meinecke et al. (2017) können Funde für G. stercorarius vermelden. Ochodaeidae Ochodaeus chrysomeloides, bei Schumann (2004, 2016) unter Scarabaeidae eingegliedert, ist der einzige sach- sen-anhaltische Vertreter aus der Familie der Ochodaei- dae. Die sehr selten in Erscheinung tretende Art ist aktu- ell bei Freyburg nachgewiesen worden (Rössner 2012). Scarabaeidae Von dieser Familie sind in Sachsen-Anhalt nach Rössner (2012) Meldungen von insgesamt 125 Arten bekannt Abb. 1: Der Walker (Polyphylla fullo) kommt als gefährdete Art vorwiegend auf Sanddünen in der Nähe von Kieferbeständen vor (Foto: D. Rolke). Abb. 2: Zumeist auf Blüten zu finden ist der als „gefährdet“ eingestufte Grüne Edelkäfer (Gnorimus nobilis) (Foto: A. Rössler). Abb. 3: Die bei uns häufiger vorkommende Pinselkäfer-Art (Trichius gallicus = Trichius zonatus) ist nicht gefährdet. Abb. 4: Relativ häufig kann der nicht gefährdete Frühlingsmistkäfer (Trypocopris vernalis) beobachtet werden, der nahezu ungestreifte Flügeldecken hat und mitunter stark metallisch blau gefärbt sein kann (Foto: S. Schönebaum). Abb. 5: Der Eremit oder Juchtenkäfer (Osmoderma eremita) führt ein verstecktes Leben in größeren, mit Mulm gefüllten Baumhöhlen. Er steht nach der FFH-Richtlinie europaweit unter Schutz (Foto: V. Neumann). Abb. 6: Bis zu drei Zentimeter Körperlänge kann der Große Goldkäfer (Protaetia speciosissima) erreichen, der vor allem in lichten Wäldern mit Alteichen nach- gewiesen werden kann (Foto: D. Rolke). 712 Blatthornkäfer 2 1 34 56 713
Types:
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2020-08-31
Modified: 2020-08-31
Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31
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