Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 143–150 6 Bearbeitet von Rudolf Schubert unter Mitarbeit von Monika Koperski und Rolf Marstaller (†) (1. Fassung, Stand: Februar 2004) Einführung An Standorten, an denen die Standortsfaktoren ein Wachstum von Farn- und Blütenpflanzen verhindern oder doch wenigstens stark einschränken, können sich Moose entwickeln. Sie sind an solche Extremstandorte in vielfältiger Weise angepasst. Ist die Möglichkeit des Eindringens von oft haarfeinen Rhizoiden in das Subst- rat gegeben und eine ausreichende Standortsfeuchtig- keit gewährleistet, stellen sich Moose ein, die mit einer charakteristischen Artenkombination die Standortsver- hältnisse widerspiegeln. Solche Moosgemeinschaften finden sich auf an- stehenden Felsen, Steinblöcken, Sanden und Kiesen, in Trockenrasen, auf Äckern, an offenen Erdböschun- gen, Stämmen und Ästen von Bäumen, auf totem Holz, in Quellsümpfen, Mooren, klaren Bächen, aber auch in lichtarmen Schluchten und Höhlen, auf Mau- ern und Dächern, Brandplätzen und sogar auf Tierex- krementen. Auf Grund ihrer Fähigkeit, frisch entstan- dene, offene Standorte schnell zu besiedeln und sich an extreme Lebensbedingungen anzupassen, sind sie häufig Erstbesiedler. Sie können aber auch Dauerge- sellschaften von Extremstandorten sein. Sind diese Moosgemeinschaften selbstständige, charakteristische, den Standortsfaktoren entspre- chende, typische Vergesellschaftungen, so spricht man schon seit vielen Jahrzehnten von Moosgesell- schaften (Allorge 1921, 1922, Frey 1922, Gams 1927, Ochsner 1928, Schade 1923 und Wisniewski 1930). Naturgemäß gibt es auch Moosgemeinschaften, die als untrennbare Bestandteile, als Synusien von Farn- und Blütenpflanzen-Gesellschaften anzusehen sind und dort oft in einer besonderen Schicht, der Moos- schicht, auftreten. Schließlich gibt es Pflanzengesell- schaften, in denen zwar die Moose dominieren, aber auch Farn- und Blütenpflanzen stärker in Erschei- nung treten, z.B. in den Mooren und Quellsümpfen. Sie werden meist in das System der Farn- und Blü- tenpflanzen-Gesellschaften eingeordnet (Schubert et al. 2001). Moosgemeinschaften können also sowohl Synusien als auch eigenständige Moosgesellschaf- ten sein (Marstaller 1980, Wilmanns 1970). Im Gesamthaushalt der Natur spielen Moos- gesellschaften eine große Rolle als Keimbett für Gehölze (Düll 1990), Lebens-, Schutz- und Über- winterungsstätte, als Nist- und Brutplatz sowie als Nahrung für viele Wirbellose und Kleinwirbeltiere (Drehwald & Preising 1991). Manche Vogelarten und Moosgesellschaften Insekten benützen Moose als Baumaterial für ihre Nester und schließlich sind großflächige Moosge- meinschaften in Mooren und Quellsümpfen für den Wasserhaushalt der Landschaften als Wasserspei- cher von großer Bedeutung. Datengrundlagen Moosgesellschaften sind durch eine charakteristische Artenkombination ausgezeichnet. Durch sie unter- scheiden sie sich von den nächstähnlichen Gesell- schaften. Die Einordnung in das System der Moos- gesellschaften erfolgt entsprechend des Vorkommens diagnostisch wichtiger Arten. Zu diesen gehören Charakterarten, die ausschließlich oder vorwiegend in der entsprechenden Moosgesellschaft vorkommen, hochstete und bestandsbestimmende Arten und schließlich die Differentialarten, die eine Moosgesell- schaft von den nächstähnlichen unterscheiden. Viele Moosgesellschaften benötigen für die Ausbildung ihrer charakteristischen Artenkombination nur kleine Flächen von meist unter 1m2. Ihre Bestände können aber sehr unterschiedlich große Flächen einnehmen. Das System der Moosgesellschaften ist in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt worden (Dreh- wald 1991, Hübschmann 1984, 1986, Marstaller 1993). so dass gegenwärtig eine gute Einordnung der meis- ten Moosgesellschaften in übergeordnete Vegeta- tionseinheiten vorgenommen werden kann. Die Erfassung der Moosgesellschaften ist in den einzelnen Bundesländern Deutschlands unter- schiedlich weit vorangeschritten. In Sachsen-An- halt sind bryosoziologische Erhebungen noch nicht in befriedigendem Maße vorhanden. Ausnahmen bilden Arbeiten von Geier 1959, 1961, Koperski 1978, Marstaller 1984a,b, 1987, 1991, 1994, 1997, 2000, 2001a, 2001b, 2002a, Müller 1992, Nörr 1969, 1970, Schaberg 1978, 1981. Wenn wir uns trotz der noch lückenhaften Er- fassung der Moosgesellschaften in Sachsen-An- halt entschlossen haben, eine Rote Liste der Moos- gesellschaften vorzulegen, so auf Grund der guten sonstigen pflanzensoziologischen Erfassung der unterschiedlichen Biotope, bei der die Bryophyten be- rücksichtigt sind (Schubert 2001) und der vorliegenden Roten Listen der Moose (Meinunger 1995, 1999). Eine wesentliche Hilfestellung boten auch die Roten Listen der Moosgesellschaften der angrenzenden Bundes- länder Niedersachsen (Drehwald & Preising 1991) und Thüringen (Marstaller 2002b). 143 Moosgesellschaften Tab. 1: Definition der Gefährdungskategorien (Von einer Vorwarnliste wurde Abstand genommen). Kat. 0 R 1 2 3 Definition Verschwundene oder verschollene Moosgesellschaft: Es besteht der Verdacht, dass ihre Bestände erloschen sind. Äußerst seltene Moosgesellschaften: Sie sind nur kleinflächig auf Extremstandorte beschränkt und dort von Natur aus nicht gefährdet. Durch unvor- hergesehene Flächenverluste infolge des Zerstörens der Standorte oder andere unvorhergesehene Eingriffe und Einwirkungen würden sie jedoch sofort verschwinden. Vom Verschwinden bedrohte, in ihren Beständen akut gefährdete Moosgesellschaften: Sie sind so stark zurückgegangen, dass sie nur noch wenige Bestände bilden. Wenn die Gefährdung anhält, werden sie in absehbarer Zeit verschwinden. Bestandeserhaltende Sicherungs- und Entwicklungsmaßnahmen sind un- bedingt erforderlich. Stark gefährdete Moosgesellschaften: Sie sind schnell und stark zurückgegangen und oft qualitativ in ihrer Artenkombination verändert. Bestandessi- chernde Maßnahmen sind auch hier erforderlich. Gefährdete Moosgesellschaften: Sie sind zwar deutlich aber langsamer zurückgegangen und in ihrer qualitativen Artenzusammensetzung weniger stark beeinträchtigt. Bestandessichernde Maßnahmen sind empfehlenswert. Tab. 2: Übersicht zum Gefährdungsgrad der Moosgesellschaften Sachsen-Anhalts. Artenzahl (absolut) Anteil an der Gesamtartenzahl (%) 0 13 9,5 Gefährdungskategorie R 1 2 22 5 7 16,1 3,6 5,1 Gefährdungsursachen, Gefährdungskategorien und erforderliche Schutzmaßnahmen Die starke Abhängigkeit der einzelnen Moosgesell- schaften vor allem von kleinklimatischen Standorts- faktoren aber auch von der Wasser- und Nährstoff- versorgung aus dem Boden und der Luft, lassen die Moosgesellschaften zu ausgezeichneten Bioindi- katoren werden (Arndt et al. 1987, Düll 1974, 1979, Otte 2002, Schubert 1991, Stetzka 1994). Sie zeigen oft bereits beginnende anthropogene Veränderungen der Standortsfaktoren an und sind damit geeignet, Luft- und Wasserverschmutzung, aber auch Licht- und Luftfeuchtigkeitsveränderungen bei Strukturwandel in Ökosystemen sehr rasch erkennen zu lassen. Durch ihre Bindung an besondere Standortsver- hältnisse sind sie bei anthropogenen Eingriffen in den Naturhaushalt besonders leicht gefährdet (Barkman 1966, Bürger 1991, Muhle 1977, Philippi 1991, Türk & Wirth 1975). Durch Gewässerverschmutzung, Ge- wässerausbau und -unterhaltung gehen Moosgesell- schaften klarer, sommerkühler, nährstoffarmer Bäche stark zurück. Bei Regelung der Wasserführung durch Hochwasserschutzmaßnahmen, durch Eindeichung und Talsperren verschwinden geeignete Standorte für Moosgesellschaften der Hochwasserzone von Fließ- gewässern. Wenn naturgegebene Felsen durch Stein- brüche abgebaut werden, sind viele Gesteinsmoos- gesellschaften vernichtet, wobei allerdings auch neue Standorte geschaffen werden können. Änderung der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung ist 144 3 33 24,1 Rote ListeGesamt 80 58,4137 die Ursache für den Rückgang von Erdmoos- und epi- phytischen Moosgesellschaften. Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen sind für die meist kleinflächigen Moosgesellschaften häufig viel schwerer zu verwirklichen als für Blütenpflanzenge- sellschaften. Sie sind am besten in größeren Natur- schutzgebieten zu erhalten oder durch gezielte Son- dermaßnahmen, die aber eine sehr exakte Kenntnis der speziellen ökologischen Ansprüche der jeweiligen Moosgesellschaften erfordern. Für die Moosgesellschaften gelten die gleichen Ge- fährdungskategorien wie für die Farn- und Blüten- pflanzengesellschaften. In der vorliegenden Liste haben wir die Moosge- sellschaften nach Standortgruppen angeordnet. Natur- gemäß kommt es vor, dass Gesellschaften in mehreren Standortgruppen auftreten. In diesen Fällen ist dem Verbreitungsschwerpunkt Rechnung getragen worden. Entsprechend des Codes der pflanzensoziologi- schen Nomenklatur (Barkman et al. 1986, Weber et al. 2001) sind die Namen der gültigen Erstbeschreibung der Gesellschaft beibehalten worden, es sei denn, dass bei der namensgebenden Art eine Fehlbestim- mung vorlag. Es sind damit auch alte lateinische Moosnamen angegeben, die nach den Nomenklatur- regeln heute anders lauten müssten. Der korrekte Name ist leicht durch die Referenzliste der Moose Deutschlands (Koperski et al. 2000) aufzufinden. Immer wieder wird bemängelt, dass die vorge- legten Roten Listen bei vielen Freizeitforschern und Nichtbiologen im praktischen Naturschutz zu wenig Moosgesellschaften verwendet werden, da nur die lateinischen Namen angegeben werden. Wir haben deshalb, wie das auch Drehwald & Preising 1991 bei ihrer Roten Liste der Moos- gesellschaften Niedersachsens getan haben, neben dem gültigen lateinischen Gesellschaftsnamen eine deutsche Bezeichnung aufgeführt. Hilfe dabei fanden wir bei dem Botanischen Wörterbuch (Schubert & Wag- ner 2000) und in der Rothmalerschen Exkursionsflora von Deutschland Band 1 (Schubert et al. 2000). Gesellschaft Wassermoosgesellschaften Cinclidotetum fontinaloidis Gams ex v. Hübschmann 1953 Quell-Gitterzahnmoos-Gesellschaft Leptodictyo riparii-Fissidentetum crassipedis Philippi 1956 Ufermoos-Spaltzahnmoos-Gesellschaft Madothecetum cordaeanae Philippi 1956 Kahlfruchtmoos-Gesellschaft Octodiceratetum juliani v. Krusenstjerna et v. Hübschmann 1953 Achtgabelzahnmoos-Gesellschaft Philonotido seriatae-Hygrohypnetum dilatati Plamada 1974 Quellmoos-Wasserschlafmoos-Gesellschaft Brachythecietum plumosi v. Krusenstjerna et Philippi 1956 Federkegelmoos-Gesellschaft Fontinalietum antipyreticae Greter 1936 Brunnenmoos-Gesellschaft Hygrohypnetum ochracei Hertel 1974 Gesellschaft des Rostgelben Wasserschlafmooses Scapanietum undulatae Schwickerath 1944 Gesellschaft des Welligen Spatenmooses Moosgesellschaften quelliger Standorte Barbula tophacea-Gesellschaft Flintrop 1984 Tuff-Bärtchenmoos-Gesellschaft Cratoneuretum commutati Aichinger 1933 Gesellschaft des Gemeinen Starknervmooses Eucladietum verticillati Allorge 1921 Schönastmoos-Gesellschaft Schattenliebende Moosgesellschaften auf sauren Gesteinen, Mineralböden und Felsspalten Brachydontietum trichodis Marstaller 1992 Kurzzahnmoos-Gesellschaft Geocalyx graveolens-Gesellschaft Philippi 1963 Erdkelchmoos-Gesellschaft Hookerietum lucentis Lecointe et Provost 1970 Flügelblattmoos-Gesellschaft Amphidium mougeotii-Gesellschaft Gams 1927 Bandmoos-Gesellschaft Cephalozio bicuspidatae-Diplophylletum taxifolii Marstaller 1991 Gesellschaft des Zweispitzigen Kopfsproßmooses und Eiben-Spaltzahnmooses Schistostegietum osmundaceae Giacomini 1939 Leuchtmoos-Gesellschaft Mnio horni-Isothecietum myosuroidis Barkman 1958 Gesellschaft des Kleinen Mausschwanzmooses Schattenliebende Moosgesellschaften auf mineralkräftigen bis kalkhaltigen Gesteinen Pterogonietum gracilis Giacomini 1951 Flügelmoos-Gesellschaft Seligerietum tristichae Philippi 1965 Dreizeilenzwergmoos-Gesellschaft Gymnostometum rupestris Philippi 1965 Grünspannacktmundmoos-Gesellschaft Pedinophyllum interruptum-Gesellschaft Herzog et Höfler ex Neumayr 1971 Flachblattmoos-Gesellschaft Kat. R R R R R 2 3 3 3 1 1 1 0 0 0 R R 2 3 0 0 R R 145
Types:
Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU
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Language: Deutsch
Issued: 2020-08-31
Modified: 2020-08-31
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