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Kapitel 60 Blattkäfer Rote Listen Sachsen-Anhalt 2020

Description: Rote Listen Sachsen-Anhalt Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt Halle, Heft 1/2020: 737–748 60 Bearbeitet von Wolfgang Bäse (1. Fassung, Stand: August 2019) Einführung Zu den Blattkäfern gehören die artenarmen, stam- mesgeschichtlich ursprünglichen Familien Mega- lopodidae und Orsodacnidae sowie die viele Arten umfassende Familie der Chrysomelidae. Die ehema- lige Familie der Samenkäfer (Bruchidae) zählt jetzt als Unterfamilie (Bruchinae) zu den Chrysomelidae. Während in der letzten Roten Liste (Bäse 2004) nur die Unterfamilie Donaciinae bearbeitet worden ist und bei der jüngst erschienenen Bestandssituation der Blattkäfer (Bäse 2016a) noch die Unterfamilie Bruch- inae gefehlt hat, werden hier alle in Sachsen-Anhalt vorkommenden Blattkäferarten berücksichtigt. Die Blattkäfer sind in Deutschland mit 543 Arten (Bleich et al. 2018) vertreten. In Sachsen-Anhalt wur- den bisher 414 Arten, davon 21 Vertreter der Samen- käfer, nachgewiesen. Blattkäfer leben phytophag und fressen als Larven bzw. Imagines meist an krautigen Pflanzen, einige bevorzugen die Blätter von Bäumen bzw. Sträuchern oder Gräsern. Dabei werden die Blätter entweder vom Rand her oder durch Loch- bzw. Fensterfraß beschä- digt. Andere Arten fressen Samen, minieren in Stän- geln oder Wurzeln, wenige fressen Pollen bzw. Nektar. Manche Larven zeigen ein außergewöhnliches Verhal- ten. So leben die Larven der Schilfkäfer im Wasser an den Wirtspflanzen und verpuppen sich dort in einem Kokon, die Sackkäfer entwickeln sich bei Ameisen. Die Larven der Schildkäfer tragen ihre Exkremente zum Schutz vor Feinden auf dem Rücken. Nur wenige Blattkäfer sind durch ihre wirtschaft- liche Bedeutung allgemein bekannt. Hierzu gehören der Kartoffelkäfer, der Rübenschildkäfer, Kohlerdflöhe, Spargel-, Getreide- und Lilienhähnchen sowie einige Samenkäfer, die Vorratsschädlinge sind. Viele seltene Blattkäfer sind hochspezialisiert und leben nur in Gebieten mit längerer Biotoptradition. Hier besetzen sie oft spezielle Nischen. Neben der oft engen Wirtspflanzenbindung sind hierfür auch klima- tische Faktoren entscheidend. Viele Arten sind Wärme liebend, andere nur in bestimmten Feuchtgebieten, Mooren oder an Salzstellen zu finden. Aktuelle Angaben zu den in der älteren Literatur mitunter fehlerhaften Fraßpflanzen und Fotos der heimischen Blattkäfer findet man bei Rheinheimer & Hassler (2018). Die Verbreitung der Arten kann im Ver- zeichnis der Käfer Deutschlands (Bleich et al. 2018) eingesehen werden. Blattkäfer (Coleoptera: Megalopodidae, Orsodacnidae et Chrysomelidae) Datengrundlagen Für die Erstellung der Roten Liste konnten mehr als 50.000 Datensätze zu Blattkäfern ausgewertet wer- den. Eine wesentliche Grundlage bilden folgende Ver- öffentlichungen: Borchert (1937, 1951), Dietze & Schor- nack (1999), Eggers (1901), Esser (2001), Feige (1918), Feige & Kühlhorn (1924), Fritzlar (1996, 2001a, 2001b, 2003, 2005, 2009), Geiter (1989), Gruschwitz (2003), Jung (1998, 2001, 2007, 2012, 2014), Koch (2006), Köh- ler (2000), Kubiak (2009), Lange & Kubiak (2017), Liebmann (1955), Mohr (1977, 1985), Rapp (1934), Scholze (2007), Schreiber (1897), Strobl (2007), Wahnschaffe (1883), Wendt (1986) und die im Text genannten Arbeiten des Autors. Einbezogen wurden auch Recherchen in fol- genden Sammlungen: Coll. Baumgarten, Coll. Borrmann, Coll. Francke, Coll. Heidenreich, Coll. Nebel, Coll. Rudolph und Coll. Wallis im Museum für Naturkunde und Vor- geschichte Dessau, Coll. Fritsche, Coll. Grebenscikov, Coll. Köller, Coll. Knobbe, Coll. Rosenbaum und Coll. Schnitter im Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Samm- lungen der Martin-Luther-Universität Halle, Coll. Borchert im Museum für Naturkunde Magdeburg und die Coll. Mohr im Senckenberg Deutschen Entomolo- gischen Institut Müncheberg. Berücksichtigt wurden weiterhin Belege in folgenden Privatsammlungen: Coll. Dammer (Kropstädt), Coll. Dietze (Käbschütztal), Coll. Esser (Berlin), Coll. Fritzlar (Jena), Coll. Geiter (Staß- furt), Coll. Gruschwitz (Staßfurt), Coll. Heinig (Berlin), Coll. Jung (Athenstedt), Coll. Lehmann (Oranienbaum), Coll. Malchau (Schönebeck), Coll. Niess (Aulosen), Coll. Pannicke (Leipzig), Coll. Richter (Stendal), Coll. Schmiedt- chen (Weißandt-Gölzau), Coll. Schöne (Dessau), Coll. Scholze (Gernrode), Coll. Sprick (Hannover), Coll. Stolle (Rottleberode), Coll. Strobl (Stendal) und die des Au- tors Coll. Bäse (Lutherstadt Wittenberg). In die Auswertung einbezogen wurden auch die das Bundesland betreffenden Einträge aus dem Pro- gramm CHRYFAUN (Schmitt et al. 2014) und Daten aus Untersuchungen und Gutachten des Nationalparks Harz (Nationalparkverwaltung Harz 2018, Sprick 2015). Sowohl die Bestandserfassung in ausgewählten Gebieten durch Mitglieder der Entomologen-Vereini- gung Sachsen-Anhalt (EVSA 2005, Bäse 2009, 2013b, 2015b, 2018) als auch die Untersuchungen von Mit- arbeitern des Landesamtes für Umweltschutz (LAU) und deren Auswertung durch Manfred Jung haben in den letzten Jahren einen deutlichen Kenntniszuwachs gebracht. Dennoch ist in einigen Gebieten, besonders im Norden Sachsen-Anhalts, die Datenlage nach wie vor unbefriedigend. Auch bleibt zu berücksichtigen, dass die vollständige Sichtung und Überprüfung der 737 Blattkäfer historischen Sammlungen in den Museen noch nicht abgeschlossen ist. Die Bestimmung erfolgt in der Regel mit den Bänden 9 (Mohr 1966) und 14 (Kippenberg 1994) der Reihe „Die Käfer Mitteleuropas“. Die Nomenklatur orientiert sich an Löbl & Smetana (2010) und Bleich et al. (2018) mit folgenden Ausnahmen: Einerseits ist eine Trennung von Plateumaris rustica und Plateuma- ris affinis noch nicht vorgenommen worden, anderer- seits erfolgt in dieser Arbeit eine Angabe der Unterart nur dann, wenn es sich nicht um die nominotypische Variante handelt. Als ausgestorben oder verschollen werden in die- ser Roten Liste alle Arten angesehen, von denen nach dem Jahr 1970 keine Nachweise vorliegen. Bemerkungen zu ausgewählten Arten Seit dem Ende der Recherchen für die Checklisten der Blatt- und Samenkäfer (Bäse 2016a, 2016b) hat sich die Anzahl der für Sachsen-Anhalt bekannten Arten weiter erhöht. So sind Altica impressicollis (Bäse 2013a), Aphthona nigriscutis (Esser in litt.), Cassida leucanthemi und Zeugophora frontalis (Bäse & Bäse 2013), Chaetocnema tibialis und Longitarsus tristis (Jung 2014), L. dorsalis und L. strigicollis (Jung in litt.), L. nigerrimus (Bäse 2017a) und Megabruchidius dorsalis (Bäse & Bäse 2018) neu entdeckt worden. Auch durch die inzwischen eingearbeitete Trennung von Plateu- maris discolor und P. sericea erhöht sich die Zahl der bekannten Arten. Neben dem bekannten Kartoffelkäfer Leptinotarsa de- cemlineata (Say, 1824) werden auch andere Neozoen bzw. Schädlinge, wie die Samenkäfer Acanthoscelides pallidipennis (Motschulsky, 1874) und Megabruchidius dorsalis (FÅhraeus, 1839) sowie Chaetocnema tibialis (Illiger, 1807) und weitere Arten nicht bewertet. Der Erbsenkäfer Bruchus pisorum wird hingegen in die Rote Liste aufgenommen, da die Art durch Verände- rungen beim Anbau und der Lagerung von Erbsen in Deutschland nur noch selten gefunden wird (Bäse 2016b). Longitarsus dorsalis (Fabricius, 1781) wird hier nicht aufgenommen, da es sich um eine in Ausbreitung befindliche Art handelt, die neben den klimatischen Veränderungen auch von der Expansion des Neophyten Schmalblättriges Greiskraut (Senecio inaequidens DC.) profitiert. Cassida seladonia Gyllenhal, 1827 Dieser Schildkäfer wurde aktuell (nach dem Jahr 2000) nur in Baden, Hessen, Sachsen und Sachsen- Anhalt (Bäse 2013c) gefunden und ist deshalb auch in der aktuellen Roten Liste Deutschlands (Fritzlar et al., im Druck) in die Gefährdungskategorie 1 eingestuft. Die Entwicklung erfolgt in der Regel an Acker-Filz- kraut (Filago arvense L.). Chaetocnema confusa (Boheman, 1851) Die Art konnte nach über 100 Jahren wieder nach- gewiesen werden (Bäse 2015a). Die Tiere leben in Kleinseggenrieden und Mooren oligophag an Sauer- gräsern (Cyperaceae) und sind vornehmlich durch die Entwässerung ihrer Lebensräume bedroht. Cheilotoma musciformis (Goeze, 1777) Eine anspruchvolle, Wärme liebende Art, die in Deutschland einen Verbreitungsschwerpunkt in den Trockengebieten Mitteldeutschlands hat, ist C. musci- formis. Die an zahlreichen Bäumen, Sträuchern und krautigen Pflanzen lebenden Käfer werden von Mai bis Juli gefunden. Chrysolina purpurascens (Germar, 1822) Bislang nur in den Jahren 1930, 1977, 1990 und 2010 in Sachsen-Anhalt nachgewiesen, lebt der an Taub- nessel (Lamium spp.) und Ziest (Stachys spp.) fressen- de Blattkäfer im Harz. Chrysochus asclepiadeus (Pallas, 1773) Der Blaue Schwalbenwurz-Blattkäfer gehört mit ca. 9 mm zu den großen heimischen Blattkäfern. Er lebt an Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria Me- dik.). Seine nördliche Verbreitungsgrenze ist Sachsen- Anhalt. Weitere aktuelle Vorkommen in Deutschland sind nur aus Baden-Württemberg und Thüringen bekannt (Bleich et al. 2018). Cryptocephalus distinguendus H. D. Schneider, 1792 Dieser Fallkäfer wurde in Deutschland bisher nur selten gefunden. Die Nachweise im östlichen Sach- sen-Anhalt bilden zurzeit die nördliche Arealgrenze in Deutschland. Die Tiere leben an Moor-Birke (Betula pubescens Ehrh.) und Hänge-Birke (Betula pendula Roth). Abb. 1: Cassida canaliculata ist ein Schildkäfer, der an Wiesensalbei (Salvia pratensis L.) lebt. Die Art ist in Sachsen-Anhalt verschollen. Abb. 2: Chrysolina cerealis konnte nach 1985 nur einmal im Sachsen-Anhalt nachgewiesen werden. Die Art lebt oligophag an Lippenblüten- gewächsen (Lamiaceae). Abb. 3: Donacia tomentosa konnte trotz intensiver Suche nicht mehr in Sachsen-Anhalt gefunden werden. Der letz- te bekannte Nachweis stammt aus dem Jahr 1933. Abb. 4: Labidostoma humeralis ist eine Wärme liebende Art sonniger Offenbiotope, von der nur wenige Nachweise bekannt sind. Abb. 5: Lachnaia sexpunctata schmarotzt als Larve in Ameisenbauten und wurde 1999 letztmalig in Sachsen-Anhalt gefunden. Abb. 6: Longitarsis nigerrimus lebt an Wasserschlauchgewächsen (Lentibulariaceae) und wurde erstmals 2016 in Sachsen-Anhalt nachgewiesen. Abb. 7: Spermophagus calystegiae entwickelt sich in den Samen von Windengewächsen (Convolvulaceae). Abb. 8: Zeugophora flavicollis gehört zur stammesgeschichtlich ursprünglichen Familie der Megalopodidae und wird meist an Zitterpappel (Populus tremula L.) gefunden (Fotos: F. Köhler). 738 Blattkäfer 12 34 56 78 739

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Origin: /Land/Sachsen-Anhalt/LAU

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Language: Deutsch

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Issued: 2020-08-31

Modified: 2020-08-31

Time ranges: 2020-08-31 - 2020-08-31

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