Description: Mitte der 90er Jahre wurde in Kooperation mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde, Außenstelle Berlin, ein Modell entwickelt, programmiert und angewendet, das die wichtigsten Größen des Wasserhaushaltes berechnet. Die etwa 25 erforderlichen Grunddaten bzw. Eingangsparameter konnten für jede der ca. 25.000 Einzelflächen aus dem Informationssystem Stadt und Umwelt (ISU) zur Verfügung gestellt werden. Dieses Modell wurde verbessert (ABIMO 3.2) und mit aktualisierten Daten erneut angewendet. Das von Glugla entwickelte Abflussbildungsmodell ABIMO ist auf der Grundlage bereits seit den 70er Jahren entwickelter Modelle zur Berechnung des Grundwasserdargebots entstanden, und um Bausteine erweitert worden, die der speziellen Situation in urbanen Gebieten Rechnung tragen. Diese Erweiterung wurde gutachterlich durch das Institut für Ökologie (Bodenkunde) der TU Berlin und durch eine Diplomarbeit am Fachbereich Geographie der FU Berlin unterstützt. Bei der rechentechnischen Realisierung, die durch ein externes Softwarebüro erfolgte, wurde es außerdem an die spezielle Datenlage in Berlin angepasst. Das Berechnungsverfahren ermittelt zunächst die tatsächliche Verdunstung, um den Gesamtabfluss (Niederschlag minus Verdunstung) zu errechnen. Im zweiten Arbeitsschritt wird der Oberflächenabfluss als Teil des Gesamtabflusses bestimmt. Die Differenz aus Gesamtabfluss und Oberflächenabfluss bildet dann den Versickerungsanteil. Einen Eindruck von der Komplexität des Verfahrens vermittelt Abb. 2. Der Gesamtabfluss wird aus der Differenz der langjährigen Jahresmittelwerte des Niederschlags und der realen Verdunstung berechnet. Die reale Verdunstung , wie sie im Mittel tatsächlich an Standorten und in Gebieten auftritt, wird aus den wichtigsten Einflussgrößen Niederschlag und potentielle Verdunstung sowie den mittleren Speichereigenschaften der verdunstenden Flächen berechnet. Bei ausreichender Feuchtezufuhr zur verdunstenden Fläche nähert sich die reale Verdunstung der potentiellen. Die reale Verdunstung wird zusätzlich durch die Speichereigenschaften der verdunstenden Fläche modifiziert. Höhere Speicherwirkung (z. B. größere Bindigkeit des Bodens und größere Durchwurzelungstiefe) bewirkt eine höhere Verdunstung. Dem aufgezeigten Zusammenhang zwischen den mehrjährigen Mittelwerten der realen Verdunstung einerseits sowie des Niederschlags, der potentiellen Verdunstung und der Verdunstungseffektivität des Standorts andererseits genügt die Beziehung nach Bagrov (vgl. Glugla et al. 1971, Glugla et al. 1976, Bamberg et al. 1981 und Abb. 3). Die Bagrov-Beziehung beruht auf der Auswertung langjähriger Lysimeter-Versuche und beschreibt das nichtlineare Verhältnis zwischen Niederschlag und Verdunstung in Abhängigkeit von den Standorteigenschaften. Mit der Bagrov-Beziehung kann bei Kenntnis der Klimagrößen Niederschlag P und potentielle Verdunstung EP (Quotient P/EP) sowie des Effektivitätsparameters n der Quotient reale Verdunstung / potentielle Verdunstung (ER/EP) und somit die reale Verdunstung ER für Standorte und Gebiete ohne Grundwassereinfluss ermittelt werden. Zur Berechnung der grundwasserbeeinflussten Verdunstung wird ebenfalls das Bagrov-Verfahren in modifizierter Form genutzt, indem die mittlere Kapillarwasserzufuhr aus dem Grundwasser dem Niederschlag zugerechnet wird. Mit wachsendem Niederschlag P nähert sich die reale Verdunstung ER der potentiellen Verdunstung EP, d. h. der Quotient ER/EP nähert sich dem Wert 1. Bei abnehmendem Niederschlag P (P/EP geht gegen den Wert 0) nähert sich die reale Verdunstung ER dem Niederschlag P. Die Intensität, mit der diese Randbedingungen erreicht werden, wird durch die Speichereigenschaften der verdunstenden Fläche (Effektivitätsparameter n) verändert. Die Speichereigenschaften des Standorts werden insbesondere durch die Nutzungsform (zunehmende Speicherwirksamkeit in der Reihenfolge versiegelte Fläche, vegetationsloser Boden, landwirtschaftliche, gärtnerische bzw. forstliche Nutzung) sowie die Bodenart (zunehmende Speicherwirksamkeit mit höherer Bindigkeit des Bodens) bestimmt. Maß für die Speicherwirksamkeit des unversiegelten Bodens ist die nutzbare Feldkapazität als Differenz der Feuchtewerte des Bodens für Feldkapazität (Beginn der Wasserversickerung im Boden) und für den permanenten Welkepunkt (bleibende Trockenschäden an den Pflanzen). Weitere Landnutzungsfaktoren, wie Hektarertrag, Baumart und -alter, modifizieren den Parameterwert n. Der Parameter n wurde in Auswertung von Beobachtungsergebnissen zahlreicher in- und ausländischer Lysimeterstationen und von Wasserhaushaltsuntersuchungen in Flusseinzugsgebieten quantifiziert. Für Standorte und Gebiete mit flurnahem Grundwasser tritt infolge Kapillaraufstiegs von Grundwasser in die verdunstungsbeeinflusste Bodenzone je nach Grundwasserflurabstand und Bodeneigenschaften eine gegenüber grundwasserunbeeinflussten Bedingungen erhöhte Verdunstung auf. Die Abflussbildung vermindert sich. Übersteigt die reale Verdunstung den Niederschlag, tritt Wasserzehrung auf, und die Werte für die Abflussbildung werden negativ (z. B. Fluss- und Seeniederungen). Bei Gewässerflächen tritt infolge höheren Wärmeangebots (geringeres Reflexionsvermögen der Einstrahlung) eine gegenüber Landflächen erhöhte potentielle Verdunstung auf. Die tatsächliche Gewässerverdunstung wird näherungsweise dieser erhöhten potentiellen Verdunstung gleichgesetzt. Punktuelle Versickerung, z. B. durch die Grundwasseranreicherungsanlagen der Wasserwerke wurde nicht berücksichtigt. Bei gärtnerischer Nutzung (Kleingärten, Wochenendhäuser, Parks, Friedhöfe, Baumschulen/Gartenbau und z.T. bei Wohn- oder Gemeinbedarfs- und Sondernutzungen) wurde zum Niederschlag für die Bewässerung ein Näherungswert addiert (50 – 100 mm/Jahr). Nachdem der mittlere Gesamtabfluss als Differenz aus Niederschlag und realer Verdunstung berechnet wurde, wird nun in einem zweiten Arbeitsschritt der Oberflächenabfluss bestimmt. Auf Dachflächen, die in die Kanalisation entwässern, entspricht der Oberflächenabfluss dem Gesamtabfluss. Flächen, die nicht an die Kanalisation angeschlossen sind, erzeugen keinen Oberflächenabfluss. Unbebaut versiegelte Flächen infiltrieren abhängig von der Art der Oberflächenbeläge (Belagsarten) einen Teil des Abflusses in den Untergrund. Dieser Infiltrationsfaktor ist abhängig von der Breite, dem Alter und der Art der Fugen. Der nicht versickernde Abfluss wird – abhängig von dem Anschlussgrad an die Kanalisation – als Oberflächenabfluss über die Kanalisation abgeleitet oder versickert, sofern er nicht von der Kanalisation erfasst, am Rande der versiegelten Flächen. Ebenso versickern die Anteile der nicht an die Kanalisation angeschlossenen Dachflächen (vgl. Tab. 1). Die Differenz aus Gesamtabfluss und Oberflächenabfluss entspricht somit der Versickerung als Ausgangsgröße für die Grundwasserneubildung. Die Verdunstung der Block(teil)flächen wird dann aus der Differenz von korrigiertem Niederschlag (Korrigierter Niederschlag = Niederschlag multipliziert mit dem Faktor 1,09 pauschal für Berlin) und Gesamtabfluss berechnet. Für die Anwendung des Verfahrens für urbane Gebiete mussten die Parameter n und die Infiltrationsfaktoren für die unterschiedlichen Versiegelungsmaterialien bestimmt werden. Hierzu wurden sowohl Lysimeterversuche mit verschiedenen Versiegelungsmaterialien als auch Berechnungen zum Benetzungsverlust ausgewertet (vgl. Wessolek/Facklam 1997). Die gewählten Größen für die genannten Parameter sind in Tab. 2 aufgeführt. Die mit dem Alterungsprozess durch Verdichtung und Verschlämmung der Fugen einhergehende Veränderung dieser Parameter wurde dabei berücksichtigt. Aufgrund nach wie vor unzureichender wissenschaftlicher Grundlagen sind die Angaben jedoch noch mit gewissen Unsicherheiten verbunden. Darüber hinaus wäre für hydrologische Fragestellungen eine andere Zusammenfassung der Belagsarten zu Belagsklassen wünschenswert. Um einen Eindruck zu vermitteln, wie die unterschiedlichen Flächennutzungen, Versiegelungsparameter und Bedingungen der Kanalisation den Wasserhaushalt beeinflussen wurde für ca. 35 Beispielsflächen mit typischen Nutzungen und ihren unterschiedlichen typischen Eigenschaften das Modell ABIMO angewandt und die Ergebnisse in Tab. 3 dargestellt. Das Verhältnis von Oberflächenabfluss, Versiegelung und Verdunstung ist entscheidend vom Ausmaß der Versiegelung und der Ableitung des Regenwassers in die Kanalisation abhängig. Für die aktuelle Berechnung wird seit der Ausgabe 2012 die Version des Programms ABIMO 3.2 verwendet. Diese Version unterscheidet sich von der alten vor allem durch eine verbesserte Parametersteuerung bei der Zuordnung der Werte für den Anschlussgrad der Dachflächen an die Kanalisation. Berücksichtigung des Einflusses begrünter Dächer auf die Daten zum Wasserhaushalt Durch die mit der Umweltatlaskarte 06.11 Gründächer (Ausgabe 2017) erstmalig vorliegenden flächendeckenden räumlichen Daten zu begrünten Dachflächen konnte für die aktuelle Ausgabe die Effekte der Gründächer auf den Wasserhaushalt erstmalig mit berechnet werden. Da das ursprüngliche Modell die Berücksichtigung grüner Dächer nicht vorsieht, musste ein Verfahren entwickelt werden, das erlaubt, diese Effekte trotzdem zu bilanzieren. Dazu war es zunächst erforderlich, belastbare Werte zum Verdunstungsverhalten aus der Literatur zu ermitteln. Die Literaturrecherche ergab unterschiedliche Jahresabflussbeiwerte für intensiv und extensiv begrünte Dächer (vgl. z. B. Rüngeler 1998, SenStadtWohn 2017). In der für die verwendete Datengrundlage ( Karte 06.11 , Ausgabe 2017) gewählten Methode wird auf Basis der spektralen Reflexionseigenschaften der Fernerkundungsdaten nur zwischen extensiv und intensiv begrünt unterschieden. Weitere wichtige Eigenschaften, wie z. B. Höhe des Bewuchses oder Substrataufbau können auf diese Weise nicht erfasst werden und liegen daher für die Auswertung bzgl. des Wasserhaushaltes auch nicht vor. Für die weitere Berechnung wurde deshalb von einem einheitlichen Jahresabflussbeiwert von 0,5 für alle Gründächer ausgegangen, d. h. sie verdunsten 50 % des Niederschlages. Ein normales, unbegrüntes Dach verdunstet auch einen geringen Teil des Niederschlages. Die Berechnung dieser Verdunstung erfolgt für jede Block- und Blockteilfläche mit ABIMO 3.2. Unbegrünte Gebäudedächer verdunsten demnach zwischen 75,5 mm/a und 83,6 mm/a unabhängig von den Kanalisierungsgraden und den Belagsarten. Das entspricht 12,3 % und 13,4 % des korrigierten Niederschlages. Zunächst wurde die zusätzliche Verdunstung eines begrünten Daches mit der folgenden Formel berechnet: Verdunstung GründachZusätzlich = Verdunstung Gründach – Verdunstung Normaldach Anschließend wurde die zusätzliche Verdunstung aller begrünten Dächer einer Block- bzw. Blockteilfläche summiert und von den Parametern Gesamtabfluss, Oberflächenabfluss sowie Versickerung abgezogen. Die Verdunstung mit Gründach berechnet sich aus der Verdunstung und der zusätzlichen Verdunstung. Diese Berechnungen wurde außerhalb des Programms ABIMO 3.2 im Nachgang durchgeführt (vgl. Goedecke/Gerstenberg 2019). Endergebnis Im Ergebnis der Berechnungen liegen für ca. 25.000 Einzelflächen aktualisierte langjährige Mittelwerte für den Gesamtabfluss, die Verdunstung, den Oberflächenabfluss und die Versickerung inkl. der Berücksichtigung der Gründächer vor. Die Werte wurden klassifiziert in mm/Jahr in den vorliegenden Karten dargestellt; die Gesamtmengen in m³/Jahr wurden ebenfalls errechnet und bilanziert. Es muss beachtet werden, dass die dargestellten Werte Mittelwerte über die als einheitliche Flächen dargestellten Blöcke sind, die in der Realität inhomogene Strukturen aufweisen. Die Abflüsse versiegelter und unversiegelter Flächen werden hier zu einem Durchschnittswert pro Block gemittelt. Außerdem werden die Abflüsse der Straßen den angrenzenden Blöcken zugeschlagen. Aus den Karten kann z. B. nicht abgelesen werden, wie hoch die Versickerungsleistung eines Quadratmeters unversiegelten Bodens ist. Hierzu ist daher eine ebenfalls flächendeckende und blockbezogene Berechnung mit veränderten Randparametern – also unter der Annahme gänzlich unversiegelter Verhältnisse – vorgenommen worden, deren Ergebnisse in der Karte 02.13.4 dargestellt sind.
Types:
Text { text_type: Editorial, }
Origin: /Land/Berlin/Umweltatlas
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Region: Berlin, Stadt
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License: other-closed
Language: Deutsch
Issued: 2023-04-13
Time ranges: 2023-04-13 - 2023-04-13
06.11 Gründächer
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