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Fischsterben in der Oder

Das Fischsterben in der Oder im August 2022 hat gezeigt, dass Wissenschaft, Wasserwirtschaft und Politik vor neuen Herausforderungen stehen, trotz aller Verbesserungen im Gewässerschutz in den vergangenen Jahrzehnten. Durch den ⁠ Klimawandel ⁠, insbesondere durch die Zunahme von heißen und trockenen Sommerperioden, ist davon auszugehen, dass sich ein massives Fischsterben in der Oder und in anderen Gewässern wiederholen kann. Veröffentlicht in Fact Sheet.

Sandoz-Chemieunfall jährt sich zum 25. Mal

Nie wieder blutroter Rhein Vor 25 Jahren im November 1986 ereignete sich einer der größten vom Menschen verursachten Chemieunfälle in der Geschichte Europas: Aus Anlagen des Schweizer Chemieunternehmen Sandoz bei Basel lief nach einem Großfeuer 20 Tonnen giftiger, rotgefärbter Löschschaum ungehindert in den Rhein - ein enormes Fischsterben war die Folge, fast die gesamte Aalpopulation starb. In Erinnerung an die Katastrophe veranstalten Bundesumweltministerium (BMU), Umweltbundesamt (UBA) und die UNECE morgen einen internationalen Workshop zum Risikomanagement bei gefährlichen Anlagen. „Die Sandoz-Katastrophe mahnt uns noch immer, die enge internationale Kooperation bei grenzüberschreitenden Unglücksfällen Ernst zu nehmen. Ein gutes Krisenmanagement in Unglücksfällen ist unabdingbar, gerade weil mehrere internationale Flüsse Deutschland durchqueren“, sagt Jochen Flasbarth, Präsident des UBA. „Innerhalb der Europäischen Union (EU) gilt es, die hohen Standards abzusichern. Außerhalb der EU müssen Genehmigungs- und Kontrollsysteme verbessert werden.“ Auf dem Workshop sollen vor allem vorhandene Defizite beim Risikomanagement gefährlicher Anlagen erkannt werden. Ihren Ausgang nahm die Sandoz-Katastrophe, als in einer Lagerhalle des Unternehmens unerwartet 1350 Tonnen hochgiftige Chemikalien in Flammen aufgingen. Die Feuerwehr war zwar sofort zur Stelle und löschte den Brand - mit dem Löschwasser flossen jedoch mehr als 20 Tonnen eines giftigen Pflanzenschutz-Gemisches ungehindert in den Rhein. In den nachfolgenen beiden Wochen verteilte sich das Gift mehr als 400 Kilometer rheinabwärts und vernichtete dabei nahezu den gesamten Aalbestand. In den Niederlanden, die einen Teil des Trinkwassers aus Uferfiltrat des Rheins bezogen, war die Versorgung stark beeinträchtigt. Deutsche Behörden konnten damals lange Zeit nur hilflos zusehen - denn obwohl sich das Unglück direkt an der deutsch-schweizerischen Grenze ereignete, gab es keinen grenzüberschreitenden Informationsaustausch. Aus der Katastrophe wurden Lehren gezogen:  seit dem Sandoz-Unfall ist eine deutliche Verbesserung der Gefahrenlage erreicht worden. Möglich wurde dies insbesondere durch nationale und internationale Regelungen zum Risikomanagement. Wichtig sind vor allem die Störfallverordnung (StörfallV) sowie die Seveso-II-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft, die zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen dient. Auch Empfehlungen der internationalen Flussgebietskommissionen führten zu einer Verbesserung des sicherheitstechnischen Niveaus von Industrieanlagen, kombiniert mit einer entsprechend wirkungsvollen Überwachung. Gewässerbelastungen durch Unfälle sind im Rhein beispielsweise mittlerweile um mehr als 99 Prozent zurückgegangen. Ein positives Ergebnis, aber: Diese Erfolgsbilanz gilt leider nicht für alle Flusseinzugsgebiete innerhalb der ⁠ UNECE ⁠ Region, die Flusseinzugsgebiete innerhalb Europas und Nordamerikas, bis nach Asien und den Nachfolgestaaten der UdSSR umfasst. Vor allem in letztgenannten Ländern ist tendenziell eine eher negative Entwicklung zu registrieren, denn: Effiziente staatliche Genehmigungs- und Kontrollorgane sind nicht in allen Staaten vorhanden. Gleichzeitig sind zwischenstaatliche bzw. internationale Frühwarn-Systeme noch nicht oder nur in Ansätzen etabliert. Innerhalb der EU geht es vor allem darum, das bisher Erreichte abzusichern. Hierzu müssen auch personelle Kapazitäten erhalten bleiben und sicherheitstechnische Standards auch in angrenzende Gesetzesbereiche ausgebaut werden. Regelmäßige Störfall-Übungen zwischen benachbarten Staaten sind zur Absicherung unentbehrlich. Als Vorbild kann die gemeinsam erreichte Verantwortung und frühzeitige Harmonisierung von sicherheitstechnischen Vorsorge- und  Überwachungs-  Maßnahmen innerhalb der europäischen Flussgebietskommissionen dienen.

Trotz Fortschritten nur zehn Prozent der deutschen Gewässer ökologisch intakt

Gemeinsame Pressemitteilung von Umweltbundesamt und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Alle sechs Jahre werden in Deutschland aktuelle Planungen für die Verbesserung des Zustands der Gewässer in einer Broschüre „Die Wasserrahmenrichtlinie. Gewässer in Deutschland 2021. Fortschritte und Herausforderungen“ veröffentlicht. Aktuell sind nur knapp zehn Prozent der Flüsse, Seen und Küstengewässer in gutem ökologischen Zustand. Das ist zwar eine leichte Verbesserung gegenüber 2015, stellt Deutschland aber weiter vor große Herausforderungen. Positiv ist, dass die chemischen Belastungen im Grundwasser insgesamt leicht zurückgegangen sind. Allerdings musste jeder fünfte Grundwasserkörper in Deutschland weiterhin wegen zu hoher Nitratwerte als schlecht bewertet werden. Diese Belastung stammt vor allem aus der Landwirtschaft. Insgesamt hat sich der Zustand vieler Gewässer in den vergangenen Jahren in einzelnen Aspekten verbessert. Sie sind aber noch nicht im guten Zustand. Nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie sollen die Gewässer bis 2027 chemisch, ökologisch und – beim Grundwasser – auch in der verfügbaren Menge „gut“ sein. Bundesumweltministerin Lemke unterstreicht die Bedeutung der anspruchsvollen Ziele des europäischen Gewässerschutzes: „Das Fischsterben an der Oder hat uns unmissverständlich gezeigt, wie stark wir die Gewässer mit Nutzungen überfordern. Die Klimakrise verstärkt die bereits vorhandenen Belastungen der Gewässer. Wir müssen deshalb neu bewerten, was wir den Gewässern in Zeiten von Klimakrise, von Hitze, von niedrigen Wasserstände noch zumuten können. Um unsere Wasserressourcen auch künftig angesichts von Hitzewellen und Dürreperioden zu sichern und das Wasser in der Landschaft zu halten, benötigen wir gesunde und widerstandsfähige Gewässer und Renaturierung. Eine nationale Wasserstrategie der Bundesregierung und das Aktionsprogramm Natürlicher ⁠ Klimaschutz ⁠ sind dafür unerlässlich.“ Laut ⁠ UBA ⁠-Präsident Dirk Messner kämpft der Gewässerschutz vor allem mit zwei Problemen: „Zu hohe Nähr- und Schadstoffeinträge und der kompromisslose Ausbau der Gewässer in den vergangenen Jahrzehnten sind die Hauptprobleme, unter denen unsere Gewässer leiden. Zu viele Nährstoffe finden ihren Weg vom Acker in den Fluss und dann ins Grundwasser. Auch über Kläranlagen werden noch zu viele gewässerschädliche Stoffe eingetragen.“ Das UBA unterstützt die Vorhaben der Länder, an einem Viertel der Gewässer Kläranlagen aus- oder neu zu bauen und damit ökologisch zu optimieren. Die Umstellung auf den ökologischen Landbau, ein optimierter und reduzierter Düngereinsatz und Maßnahmen an den Quellen von Chemikalieneinträgen könnten zudem helfen, die Einträge gewässerschädlicher Stoffe von Beginn an zu reduzieren. Die Prognosen zur Entwicklung des Gewässerzustands lassen erwarten, dass die Ziele der ⁠ Wasserrahmenrichtlinie ⁠ auch 2027 nicht erreicht sein werden. Der Präsident des UBA Dirk Messner wirbt daher für mehr Tempo und Ambition im Gewässerschutz: „Es wird in den kommenden Jahren darauf ankommen, die vielen geplanten Maßnahmen in Bund, Ländern und Kommunen auch zügig umzusetzen. Dafür müssen ausreichend Personal und finanzielle Mittel bereitgestellt werden.“ Alle Daten wurden vom Umweltbundesamt (UBA) und Bundesumweltministerium (⁠ BMUV ⁠) für einen gemeinsamen Bericht auf Basis von Länderdaten fristgerecht an die EU-Kommission übermittelt. Die Broschüre „Die Wasserrahmenrichtlinie. Gewässer in Deutschland 2021. Fortschritte und Herausforderungen“ beinhaltet alle Daten zum Zustand der Gewässer in Deutschland im Jahr 2021. Sie beschreibt Belastungen und die Verbesserungen, die in den vergangenen Jahren erzielt wurden. Zudem zeigt sie die Maßnahmen auf, die notwendig sind, damit unsere Gewässer Lebensräume für vielfältige Arten bieten und auch langfristig ausreichend sauberes Wasser für alle zur Verfügung steht. Die Broschüre kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Qualität deutscher Badegewässer weiter auf hohem Niveau

Über 96 Prozent aller Badegewässer als „ausgezeichnet“ oder „gut“ bewertet In Deutschland lässt es sich gut baden. Dies bestätigt der am 9. Juni 2023 vorgestellte Bericht der EU-Kommission zur Qualität der europäischen Badegewässer. Über 96 Prozent der offiziellen Badegewässer an Seen, Flüssen und Küsten in Deutschland wurden danach mit „ausgezeichnet“ oder „gut“ bewertet. Die Mindestanforderungen der EU-Badegewässerrichtlinie erfüllten insgesamt 98 Prozent aller Badegewässer. „Mit diesen Ergebnissen gehören die deutschen Badegewässer zu den Top 10 in Europa. Dem Sprung ins kühle Nass steht also nichts mehr im Wege. Bürgerinnen und Bürger können sich vorab lokal über die aktuelle Qualität an ihrem Wohnort informieren“, sagt Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA). Nach den Kriterien der EU-Richtlinie wurden in der Saison 2022 nur 14 der insgesamt 2.292 Badegewässern in Deutschland als „mangelhaft“ eingestuft. Insgesamt wurde in 2022 in 118 Fällen an registrierten Badegewässern vorsorglich ein Badeverbot verhängt oder vom Baden abgeraten, um die Gesundheit der Badenden nicht zu gefährden. Meist geschah dies aufgrund von ⁠ Cyanobakterien ⁠ („Blaualgen“, 84 Mal). Wasserhygienische Gründe, die oftmals eine Folge von Starkregenereignissen mit Schmutzwassereinträgen in Gewässer sind, wurden 30 Mal als Anlass verzeichnet. Aufgrund des massiven Fischsterbens in der Oder im Sommer 2022 wurde an zwei Badegewässern entlang der Oder ebenfalls vorsorglich ein Badeverbot verhängt. Die aktuellen Messdaten können für jedes Badegewässer online auf den Internetseiten der Bundesländer eingesehen werden. Eine Übersicht gibt es auf der ⁠ UBA ⁠-Internetseite unter Wasserqualität in Badegewässern. In der Badesaison 2022 wurden 2.292 deutsche Badegewässer untersucht und insgesamt 13.233 Wasserproben ausgewertet. Von diesen Badegewässern lagen 362 an der Küste von Nord- und Ostsee und 1.930 an Binnengewässern.

Fischsterben in der Oder

Im Sommer 2022 kommt es in der Oder im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Polen zu einem tragischen Massensterben von Frischwasserorganismen. Fische, Muscheln und Schnecken verenden - insgesamt werden mehr als 200 Tonnen Kadaver aus dem Fluss geborgen. Kurze Zeit später kommen ein polnisch-deutsches Greenpeace-Team, das Umweltbundesamt sowie die polnischen Umweltbehörden unabhängig voneinander zum selben Ergebnis: Die Wasserorganismen starben aufgrund einer von Menschen verursachten Algenblüte. Ein unnatürlich hoher Salzgehalt der Oder hat die Brackwasseralge Prymnesium parvum wachsen lassen. Analysen von Greenpeace weisen die giftige Alge sowie deren Abbauprodukte in den Kiemen und im Fleisch von Fischproben nach, die nach der Katastrophe genommen wurden. Um den Ursachen für den hohen Salzgehalt, der zur Oder-Katastrophe geführt hat, auf die Spur zu kommen, das deutsch-polnische Greenpeace-Team führte zwischen dem 4. November und dem 14. Dezember 2022 weitere Untersuchungen durch. Zu diesem Zweck untersuchten Greenpeace die Qualität der Abwässer aus Steinkohlebergbau und Nebenflüssen der Oder, in die die Abwässer eingeleitet werden. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen sehr hohe Salzgehalte in den Steinkohleabwässern und Nebenflüssen der Oder flussabwärts der untersuchten Einleitungen. Der starke Brackwasser-Effekt dieser kleineren, aber stark belasteten Flüsse zeigt deutlich die schlechte Qualität des Wassers, das in die Oder fließt.

Oder-Fischsterben: Eingeleitetes Salz führte zur Massenvermehrung giftiger Alge

Gemeinsame Pressemitteilung von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt Expertenbericht geht von menschengemachter Umweltkatastrophe aus Die wahrscheinlichste Ursache für das Fischsterben in der Oder ist ein sprunghaft gestiegener Salzgehalt, der gemeinsam mit weiteren Faktoren für eine massive Vermehrung einer für Fische giftigen Brackwasseralge geführt hat. Das geht aus dem Bericht der deutschen Expertengruppe hervor, der heute veröffentlicht wurde. Die Brackwasseralge Prymnesium parvum erzeugt eine giftige Substanz, die für Fische und andere Wasserorganismen tödlich ist. Gleichzeitig mussten die Experten mangels verfügbarer Informationen offenlassen, was die Ursache für den unnatürlich hohen Salzgehalt war. Unklar ist auch, wie die Brackwasseralge, die normalerweise in Küstengewässern vorkommt, ins Binnenland geraten ist. Die Ergebnisse des polnischen Berichts wurden gestern in Warschau vorgestellt. Bundesumweltministerin Steffi Lemke: „Das Fischsterben in Oder ist eine gravierende Umweltkatastrophe. Sie wurde durch menschliche Aktivitäten verursacht, das ist ein zentrales Ergebnis der Untersuchungen: Salzeinleitungen sind nach Ansicht der Fachleute die Ursache für das Fischsterben. Der hohe Salzgehalt in der Oder und weitere Faktoren führten zu einer massiven Vermehrung einer Brackwasseralge. Das Gift dieser Alge war für die Fische tödlich. Diese verheerende Wirkungskette ist für die Fachleute am wahrscheinlichsten. Dennoch bleiben Fragen offen. Neben der Ermittlung der Ursachen steht vor allem die Regeneration der Oder im Vordergrund. Das Bundesumweltministerium wird betroffene Regionen unterstützen, z. B. um alle Umweltschäden zu analysieren und die Renaturierung voranzutreiben. Ausbaumaßnahmen an der Oder stehen einer erfolgreichen Regeneration entgegen. Daher suche ich den Austausch mit meiner polnischen Kollegin, um für dieses Verständnis zu werben und um gemeinsame nächste Schritte zu vereinbaren. Mit der Überarbeitung des Warn- und Alarmplans für die Oder wurde bereits begonnen. Klar ist auch: Das Fischsterben ist nicht nur ein Problem der Oder. Angesichts der Klimakrise ist ernsthaft zu prüfen, was wir unseren Flüssen in Zukunft noch zumuten können. Wir müssen die Einleitungen von Stoffen, z. B. aus Kläranlagen, in Flüsse überprüfen und reduzieren. Das werde ich mit den Bundesländern im November diskutieren.“ Lilian Busse, ⁠ UBA ⁠-Vizepräsidentin und Leiterin der deutschen Delegation: „Unsere Hypothese können wir erst abschließend bestätigen, wenn auch der Untersuchungsbericht aus Polen ausgewertet ist. Wichtig ist es, die ⁠ Resilienz ⁠ des Ökosystems Fluss-⁠ Aue ⁠ im ⁠ Klimawandel ⁠ weiter zu stärken. In Zeiten des Klimawandels mit langen niederschlagsfreien Perioden und hohen Temperaturen überlasten die vielfältigen Nutzungen unsere Flüsse. Die EU-⁠ Wasserrahmenrichtlinie ⁠ fordert einen guten Zustand der Gewässer und enthält ein Verschlechterungsverbot. Ein naturnäherer, guter Zustand würde die Widerstandsfähigkeit der Flüsse stärken und gleichzeitig den Schutz vor Hoch- und Niedrigwasser verbessern. Die dafür notwendigen Maßnahmen müssen nun so schnell wie möglich umgesetzt werden.“ Die schnell angestiegene Salzkonzentration in der Oder sowie die Sonneneinstrahlung begünstigten das rasante Wachstum der Algenart Prymnesium parvum. Laut Bericht der deutschen Expertinnen und Experten ist dies durch zahlreiche deutsche Wasserproben und Satellitenaufnahmen belegt. Mit mikroskopischen und molekularbiologischen Untersuchungen konnte diese Brackwasseralge und das von ihr gebildete Algengift Prymnesin eindeutig identifiziert werden. Noch unklar ist, wie die Alge, die eigentlich im salzhaltigen Brackwasser in Küstennähe vorkommt, ihren Weg in die Oder gefunden hat. Dass Gewässer teils zu hohe Salzgehalte aufweisen, ist auch aus anderen Flüssen in Deutschland bekannt. Der Salzgehalt der Werra etwa ist seit Jahrzehnten deutlich zu hoch, was an Salzeinleitungen aus dem Kalibergbau liegt. Warum aber der Salzgehalt in der Oder nun so schnell und derart stark angestiegen ist, müssen die polnischen Untersuchungsergebnisse zeigen. Die Autorinnen und Autoren des deutschen Berichts sind einer Vielzahl von Hypothesen für die Ursache des Fischsterbens nachgegangen. Infolgedessen erscheint den Fachleuten das Zusammenspiel von hohem Salzgehalt und massiver Vermehrung der giftigen Brackwasseralge in dem ohnehin durch die Klimakrise bereits gestressten Gewässer als die wahrscheinlichste Ursache. Andere Ursachen für das Fischsterben haben sich als wenig wahrscheinlich erwiesen. So untersuchte die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) das Oderwasser auf Schwermetalle und mit der so genannten Non-Target-Analytik auf mehr als 1.200 potentiell schädliche Chemikalien. Dabei wurden zwar viele Verbindungen in der Oder nachgewiesen, diese können aber zumindest einzeln nicht zu einem Massensterben führen. Ungewöhnlich hohe Konzentrationen wurden auch für einige Verbindungen nachgewiesen, die die durch Salz verursachte Algenblüte zwar begünstigt, aber das Fischsterben nicht ausgelöst haben können. Um Spätfolgen zu vermeiden, muss laut der Expertengruppe sichergestellt werden, dass sich die Alge nicht erneut in der Oder sowie anderen Flüssen vermehrt. UBA-Vizepräsidentin Lilian Busse: „Wir müssen vermeiden, dass sich die Brackwasseralge in Flüssen wie Werra oder Elbe ausbreitet. Außerdem sollten wir die Genehmigungen für das Einleiten von Chemikalien und salzhaltigen Wassers auf den Prüfstand stellen.“ Die bei den Untersuchungen an der Oder eingesetzte Non-Target-Analytik ist vielversprechend. Ihr Einsatz wird am Rhein bereits erprobt. Das Fischsterben in der Oder bietet auch Anlass, die Warn- und Alarmpläne der großen Flüsse zu überprüfen und anzupassen. Die Renaturierung der Oder als Lebensraum seltener Arten und als Quelle wichtiger ⁠ Ökosystemleistungen ⁠ für die Menschen vor Ort wird künftig eine wichtige Aufgabe sein. Das Bundesumweltministerium treibt daher aktuell den Start eines Vorhabens im Rahmen des Bundesnaturschutzfonds voran. Dieses Vorhaben soll die Schäden des Ökosystems erfassen, die natürliche Regeneration verfolgen und Grundlagen für effektive Renaturierungsmaßnahmen legen. Fischer an der Oder werden aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse bei der Projektumsetzung eine wichtige Rolle spielen und würden dann für ihre Leistungen auch bezahlt. Betroffen von den Algengiftstoffen war auch der seltene baltische Stör. Diese Art war in Europa bereits ausgestorben und sollte im Rahmen eines seit 2006 laufenden Wiederansiedlungsvorhabens in der Oder wieder heimisch werden. Der Erfolg dieser Maßnahmen ist nun durch die Oderkatastrophe stark gefährdet. Das ⁠ BMUV ⁠ beabsichtigt kurzfristig, dieses Störprojekt in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg finanziell zu unterstützen, um vor allem durch einen Nachbesatz von Jungstören die entstandenen Schäden zu mindern. Das BMUV wird bereits laufende Aktivitäten der Länder und Initiativen Dritter zur Planung und Umsetzung von Maßnahmen an der Oder im Bundesprogramm Blaues Band Deutschland (Förderprogramm Auen) weiter unterstützen und voranbringen. Anknüpfungspunkte sind u. a. die vom Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) in Auftrag gegebene „Machbarkeitsstudie Blaues Band - Pilot Oder“ und erste Ideen der Umweltverbände für die Maßnahmenumsetzung. Des Weiteren wird derzeit ein „Aktionsprogramms Oder“ geprüft, das vorrangig auf die Renaturierung der Flusslandschaft Oder ausgerichtet sein soll. Bundesumweltministerin Steffi Lemke und ihre polnische Kollegin Anna Moskwa hatten Mitte August die Einrichtung einer deutsch-polnischen Expertengruppe zur Aufklärung der Ursachen der Oderkatastrophe eingesetzt. Die Expertengruppe war je zur Hälfte mit Experten aus Deutschland und Polen besetzt worden. Das Umweltbundesamt leitete die deutsche Delegation, die auch den heute veröffentlichten Bericht verfasst hat. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde hat maßgeblich an der Erstellung des Berichts mitgewirkt. Des Weiteren waren unter anderem Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Landesämter Teil der deutschen Delegation. Die polnische Seite hatte einen wissenschaftlichen Bericht beauftragt, der parallel veröffentlicht wurde. Mit Veröffentlichung der Berichte endet die Aktivität der deutsch-polnischen Arbeitsgruppe.

Umweltbundesamt unterstützt Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern bei Ursachenforschung in der Oderkrise

Gute Zusammenarbeit in der deutsch-polnischen Arbeitsgruppe Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat das Umweltbundesamt (UBA) beauftragt, alle verfügbaren Messdaten, Hinweise und Hypothesen zum Fischsterben in der Oder zu sammeln, um diese gemeinsam mit Fachleuten aus anderen Bundes- und den Landesbehörden aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern systematisch zu bewerten. So sollen die genauen Ursachen der Umweltkatastrophe ermittelt werden. Ein Bewertungsbericht wird nach Abschluss den Umweltministerien übergeben. Die Ergebnisse werden auch eng mit polnischen Fachkolleginnen und Fachkollegen diskutiert. UBA-Vizepräsidentin Lilian Busse, die die eingesetzte polnisch-deutsche Arbeitsgruppe leitet, sagt: „In der Gruppe herrscht eine kollegiale Atmosphäre. Wir tauschen uns gut über die vorliegenden Untersuchungsergebnisse beider Länder aus. Das Ganze ist ein komplexes Puzzle, das wir hoffentlich in den nächsten Wochen gemeinsam vervollständigen können.“ Auch drei Wochen nach dem Beginn des massenhaften Fischsterbens sind die Ursachen dafür noch unklar. Mit dem Fischsterben in der Oder hat das Brandenburgische Landesamt für Umwelt (LfU) eine Reihe von Gewässeruntersuchungen eingeleitet. An den vom LfU betriebenen automatischen Messstationen Frankfurt (Oder) und Hohenwutzen traten abrupt erhöhte Werte der elektrischen Leitfähigkeit, des pH und der Sauerstoffkonzentration auf. Das Messprogramm für bestimmte gefährliche Stoffe, wie sie die Europäische ⁠ Wasserrahmenrichtlinie ⁠ für die Zustandsbewertung der Flüsse vorschreibt, zeigte an den deutschen Messstellen keine ungewöhnlichen Konzentrationen. Derzeit analysiert die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) die Wasserproben mit speziellen Analysenmethoden. Damit können mehr als 1.000 Substanzen, einschließlich vieler bislang unbekannter Chemikalien erkannt werden. Zum Untersuchungsprogramm gehören auch giftige Stoffwechselprodukte von Algen (Algentoxine). Mit der Expertise der Fachleute werden anhand der Messdaten und der Untersuchungsergebnisse verschiedene Hypothesen zu den Ursachen bewertet. Der Hinweis auf eine mögliche Quecksilbervergiftung als Ursache des Fischsterbens konnte dadurch bereits entkräftet werden. Auch erhöhte Konzentrationen bestimmter Pflanzenschutzmittel als Ursache für das Fischsterben hält das ⁠ UBA ⁠ für wenig wahrscheinlich. Auf Initiative des LfU gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem Vorkommen einer Fischgift produzierenden Alge im Zusammenhang mit den nachgewiesenen erhöhten Salzkonzentrationen nach. Weitere Untersuchungen sollen nun Klarheit bringen. Eine akute Gefährdung der menschlichen Gesundheit etwa beim Baden hält das UBA nach den bislang vorliegenden Messdaten für sehr unwahrscheinlich. Vom Verzehr der Fische aus der Oder raten Experten aus Bund und Ländern weiter ab. Es müssen aber vor Ort angeordnete Maßnahmen, zum Beispiel Badeverbote, weiter beachtet werden. Der gewerbliche Fischfang in der Oder sollte solange ausgesetzt bleiben, bis Sicherheit über die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Fische als Lebensmittel besteht. Die schnell eskalierte Katastrophe an der Oder zeigt, dass hier schnellere Frühwarnsysteme und eine umfassendere Gewässerüberwachung nötig sind. Während z.B. am Rhein nach dem Sandoz-Unfall 1986 die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins ein Netz mit modernsten Verfahren zur Messung von Chemikalien installiert hat und die Ergebnisse regelmäßig im Internet bereitstellt, gibt es an der Oder noch Verbesserungsbedarf, um akute Wasserbelastungen schneller entdecken zu können. Europas Flüsse stehen seit Jahren unter Stress: Hohe Temperaturen, Trockenheit, geringe Wasserstände sind Lebensbedingungen, die Tiere und Pflanzen belasten. Kommen weitere Stressoren wie hohe Chemikalienkonzentrationen oder extreme Algenblüten dazu, ist die Stabilität des gesamten Ökosystems gefährdet. „Auch diese Katastrophe lehrt uns, dass die Widerstandskraft der Flussgebiete mit ihren Lebensgemeinschaften gegenüber dem ⁠ Klimawandel ⁠ und vielfältigen Belastungen gestärkt werden muss“, sagte UBA-Vizepräsidentin Lilian Busse. Ergänzung 09.09.2022: Folgende Institutionen aus Deutschland senden Vertreter*innen in die Expertengruppe:

Fischsterben im Rhein

Unbekannte Täter kippen bei Bingen hochgiftiges Thiodan in den Rhein. In der Folge sterben flussabwärts bis nach Holland mindestens 40 Millionen Weißfische und Aale.

Fischsterben in der Jagst

Nach einem Großbrand in Kirchberg im Kreis Schwäbisch Hall am 22. August 2015 gelangte verunreinigte Löschwasser der Feuerwehr in die Jagst, wodurch ein Fischsterben ausgelöst wurde. Von dem Brand in einer Mühle war auch ein Gebäude betroffen, in dem größere Mengen Düngemittel gelagert waren. Nach Angaben eines Polizeisprechers habe sich Ammoniumnitrat aus Düngemitteln mit dem Löschwasser gemischt, das in die Jagst gelangte. Nach Behördenangaben war die Konzentration des Ammoniumnitrat im Wasser am 23. August stellenweise zweihundert Mal höher als die ohnehin schon tödliche Dosis für Fische. In Folge davon ist im Bereich Kirchberg der komplette Fischbestand in der Jagst verendet. „Die Jagst ist eines der wertvollsten Ökosysteme, das wir in Baden-Württemberg haben. Daher sind wir sehr besorgt über den durch das Ammoniumnitrat ausgelösten Schaden“, sagte Naturschutzminister Alexander Bonde. Von den Auswirkungen der Gewässerverunreinigung sind insgesamt fünf FFH- und ein großflächiges europäisches Vogelschutzgebiet sowie einzelne Naturschutzgebiete betroffen. Die aus europäischer Sicht relevanten Arten sind die Kleine Flussmuschel, die Fischarten Bitterling und Groppe sowie der Eisvogel. Der Eisvogel ist mittelbar betroffen, da durch den Wegfall der gesamten Fischpopulation in der Jagst ein Großteil seiner Nahrungsgrundlage entfällt.

Mysteriöses Fischsterben am Jasmunder Bodden

In den letzten Jahren gab es bereits zwei große Fischsterben im kleinen Jasmunder Bodden. Zunächst im Dezember 2021, und erneut im Januar 2023. Wochenlang beschäftigen sich Behörden, Labore und Umweltschutzorganisationen mit dem Fischsterben auf der Ostseeinsel Rügen: Mehr als 30 Tonnen toter Fische wurden im Winter 2021/22 geborgen, darunter Brassen, Zander, sogar Hechte.

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