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Coaching für blaugrüne Stadtentwicklung in Kommunen

Coaching für blaugrüne Stadtentwicklung in Kommunen Grüne Fassade aus über 30.000 Hainbuchen, die eine gut 8 Kilometer lange Hecke auf dem Dach und der Fassade des Kö-Bogen-2 Hauses und damit die größte begrünte Fassade in Europa bilden. Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, Deutschland Das neue Forschungsprojekt "Blue Green City Coaching (BGCC)" unterstützt kommunale Entscheider*innen, Potenziale und Grenzen von naturbasierten Lösungen (NbS) für die Klimaanpassung zu ermitteln. Im Fokus stehen dabei die Bewertung der NbS bei Klimafolgen wie Hitze und Dürre sowie der Einfluss von NbS auf die urbane Klimaresilienz kleinerer Großstädte und deren Umland. Naturbasierte Lösungen ( Nature-based Solutions , NbS) zählen laut einer Studie der Europäischen Umweltagentur zu den effizientesten Wegen, um die Folgen des Klimawandels – wie zunehmende Hitze und Trockenheit in vielen deutschen Städten und deren Umland – zu bewältigen. 1 Auch die nationale Wasserstrategie forciert die Umsetzung von naturbasierten Lösungen, insbesondere in Kombination und Synergie mit technischen Infrastrukturen. 2 Gleichzeitig gilt es, wichtige Fragen anzugehen und einige Hindernisse zu überwinden, um die vielseitigen Potentiale von NbS für die urbane Klimaanpassung in Deutschland noch besser auszuschöpfen. Hauptsächlich kommen derzeit blaugrüne Infrastrukturelemente zum Einsatz, dabei können wasserbezogene NbS vielfältige Formen und Ausgestaltungen annehmen: Auenstrukturen, Moore zum Wasserrückhalt in der Landschaft, urbane Gewässer, grüne Freiräume im urbanen Raum, de- und semizentrale Pflanzenkläranlagen sowie Dach- und Fassadenbegrünen. Folgende Punkte können für eine flächendeckende und vernetzte Umsetzung von NbS in deutschen Kommunen förderlich sein 3 : Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von NbS und der Vorteile, die sie bringen können – inklusive klarer Definitionen; umfassende und transparente Beleuchtung von Bedenken, Fragen und möglichen Interessenskonflikten; Verständnis der potenziellen Synergien und Kompromisse im Zusammenhang mit NbS; NbS-kompatiblere institutionelle Strukturen und klare Zuständigkeiten. Im ⁠ BMBF ⁠-Vorhaben „Leipziger BlauGrün“ werden bis Sommer 2025 mehrere Tools entwickelt, die an diese Anforderungen anknüpfen. Die siedlungswasserwirtschaftliche Modellierung abflussfreier Stadtquartiere mit Hilfe blaugrüner Infrastriukturen kann methodisch in jeder Stadt bei ausreichender Datenlage angewandt werden. Blaugrüne Investitionspotentialkarte, blaugrüne Bewertungssteckbriefe und blaugrüne Toolboxen sind ebenso wie die Bausteine einer blaugrünen Infrastrukturplanung grundsätzlich von Leipzig aus übertragbar auf andere deutsche Großstädte. Damit NbS ihre Rolle als zentrale Lösung in der Klimaanpassung einnehmen können, sind mehrere Faktoren von Bedeutung. So erfordert etwa das Ermitteln und Quantifizieren von Potenzialen und Grenzen von NbS für die Klimawandelanpassung einen handlungsorientierten Ansatz. Neben technischen und ökologischen Parametern sollten ebenfalls soziale und ökonomische Kriterien und Indikatoren einbezogen werden. Diese gilt es, wissensbasiert auszuwählen und praxisnah zu operationalisieren. Essentiell ist ferner die transparente Bewertung, in welchem Maße NbS zur Erreichung urbaner Klimareslilienz  beitragen können. Das neue Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Blue Green City Coaching (BGCC) - Implementierung blaugrüner Infrastrukturen zur Klimaanpassung kleinerer deutscher Großstädte: Aufbau eines wissenschaftsbasierten und anwendungsorientierten Coachings für Entscheidungsträger*innen in Stadt- und Regionalplanung“ kann die blaugrüne Stadtentwicklung vorantreiben. Das Forschungsprojekt des Umweltbundesamtes wird vom ⁠ BMUV ⁠ aus Mitteln des Aktionsprogramms Natürlicher ⁠ Klimaschutz ⁠ (ANK) gefördert und vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ in Kooperation mit Fresh Thoughts und dem Deutschem Institut für Urbanistik umgesetzt. Es wird aktiv unterstützt vom Zentrum Klimaanpassung und dem Deutschen Städtetag. Das Projekt unterstützt kleinere deutsche Großstädte mit 100.000 bis 300.000 Einwohnern dabei, Risiko- und Potenzialanalysen von NbS durchzuführen und die Basis für gemeindeübergreifende Transformationsstrategien sowie integrierte Konzepte und Kooperationen zu schaffen. Ingesamt zehn Kommunen werden ab ca. Mitte 2025 bis Ende 2027 intensiv begleitet. Im Frühjahr 2025 wird es die Möglichkeit geben, sich dafür zu bewerben. Das Coaching stellt Praxisnähe her, schafft institutionalisierte Partizipation der Entscheidungsträger*innen in der Stadt und testet zugleich verschiedene Bewertungsmethoden für NbS. Konkret soll das BGCC Entscheidungsträger*innen befähigen, wissenschaftlich koordiniert anwendbare Implementierungsstrategien für blaugrüne Infrastrukturen (BGI) zu erstellen. Dabei werden Potentiale und Grenzen identifiziert und diese möglichst im interkommunalen Austausch und mit Hilfe der sozialwissenschaftlichen, juristischen und siedlungswasserwirtschaftlichen Expertise des Projektteams überwunden. Methodisch werden vorhandene Bewertungssysteme für die Effekte und Potentiale wasserbezogener NbS in einer  Coaching-Toolbox gebündelt, um Stadtakteuren Argumente und praxisnahe Hilfestellungen für NbS-Potentiale an die Hand zu geben. Bei diesen in der Coaching-Toolbox enthaltenen Potentialen geht es neben finanziellen Anreizen beispielsweise um ⁠ Monitoring ⁠ von ⁠ Biodiversität ⁠ und Stadtklima mit vielfältigen Effekten auf die Stadtgesundheit; dazu zählen unter anderem die Verringerung der Anzahl von Hitzetoten, eine erhöhte Lebenserwartung und verringerte Gesundheitskosten. Ein Forschungsschwerpunkt von BGCC bezieht die Perspektive des Stadtumlandes ein. Es wird dabei analysiert, ob die Einführung von wasserbezogenen NbS für die Klimaresilienz in der Stadt zu Wasserkrisen und Nutzungskonflikten zwischen Stadt und Umland führt. Der Fokus liegt dabei auf lokalem Rückhalt des Regenwassers zur Linderung der ⁠ Klimafolgen ⁠ wie Hitze, ⁠ Dürre ⁠ und ⁠ Starkregen ⁠. Abschließend analysieren sozialwissenschaftliche Expert*innen des Projektteams systematisch die Umsetzungspotenziale und -hemmnisse und bündeln die Ergebnisse. Als Kernprodukt von BGCC entsteht das “BG-Coaching-Handbook”, welches die Toolbox-Inhalte als Handlungsanleitung für die Infrastrukturplanung auch für andere Kommunen replizierbar macht. Die bis Ende 2027 dauernde Projektlaufzeit des BGCC unterteilt sich in vier Phasen. Die erste Projektphase zielt darauf ab, die Coaching-Toolbox zu Abläufen, zur Methodik und zu Vermittlungsinhalten des Coachings zu entwickeln. Zu diesem Zweck werden Synergien eigener Planungstools und vorhandener NbS-Konzepte geschaffen. Gegenstand der zweiten Phase mit Beginn Frühjahr 2025 ist der Bewerbungsprozess von Großstädten mit bis zu 300.000 Einwohnern für das Schwammstadt-Coaching. Phase drei umfasst die systematische Beratung und Begleitung der ausgewählten Kommunen zur Implementierung blaugrüner Infrastrukturen auf Basis der in der ersten Phase entwickelten Toolbox. Das Coaching befähigt teilnehmende Städte, kurz-, mittel- und langfristige Handlungserfordernisse, Ressourcenbedarfe und Voraussetzungen einer klimaangepassten und wassersensiblen Stadtentwicklung zu bestimmen. Zum Abschluss des Foschungsvorhabens werden in der vierten Phase die entwickelte Coaching-Toolbox sowie die Inhalte der Implementierungsstrategien evaluiert und optimiert. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Erstellung des Coaching Handbooks sowie in Fachpublikationen ein. Auf diese Weise stellt das BGCC sicher, dass die Erkenntnisse aus der systematischen Unterstützung der teilnehmenden Städte zukünftig auch anderen Kommunen zugutekommen und die Weichen für den gezielten Einsatz von NbS im Rahmen der Klimaanpassung in ganz Deutschland stellen können. Autor*innen: Nike Sommerwerk (Fresh Thoughts), Frank Hüesker (UFZ), Andreas Huck (⁠ UBA ⁠) Kontakt: frank [dot] hueesker [at] ufz [dot] de Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter ⁠Klimafolgen⁠ und Anpassung Nr. 93 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren. 1 https://www.eea.europa.eu/publications/nature-based-solutions-in-europe 2 www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Binnengewaesser/BMUV_Wasser... 3 https://wedocs.unep.org/bitstream/handle/20.500.11822/40822/nature_based_solutions_Summary.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Die Kosten des Klimawandels​​​​​​​

Mindestens 145 Milliarden Euro Schäden sind zwischen 2000 und 2021 durch die Folgen des Klimawandels entstanden. Je nachdem, wie der Klimawandel fortschreitet, liegen die zukünftigen Kosten bis 2050 zwischen 280 und 900 Milliarden Euro. Nicht mit eingerechnet sind zahlreiche gesundheitliche Beeinträchtigungen, Todesfälle durch Hitze und Überflutungen, die Belastung von Ökosystemen, der Verlust von Artenvielfalt und eine schlechtere Lebensqualität. Flusshochwasser und Überschwemmungen durch Starkregen sind bisher die teuersten Extremwetterereignisse in Deutschland. Betroffen hiervon waren nicht nur Gebäude und der Verkehr, sondern auch Industrie, Gewerbe und Lieferketten, deren Schäden seit 2000 mindestens 70 Milliarden Euro umfassten. Sogenannte „Jahrhunderthochwasser“ finden zudem immer häufiger statt: 2002 an der Elbe, Donau, und Saale, später im Jahr 2013 in weiten Teilen Süd-, Mittel- und Norddeutschlands, und 2021 in Ahrtal. Die Flut im Ahrtal und der Erft im Juli 2021 war mit 40,5 Milliarden Euro das Extremwetterereignis mit den größten Schäden in der deutschen Geschichte. Laut späteren Berichten machte der Klimawandel die Flut wesentlich wahrscheinlicher und trug zudem zu erhöhtem Niederschlag bei. Des Weiteren kommen die „stillen“ Extremwetter Hitze und Dürre hinzu. Ihre Folgen werden häufig unterschätzt, daher liegen hier weniger Untersuchungen vor. Die Land-, Wald- und Forstwirtschaft leiden unter den Ereignissen besonders: Hier wird der Schaden beispielsweise am Ertragsverlust von Getreide oder an der Qualität und Verfügbarkeit von Wasser gemessen – letzteres ist insbesondere für den Erhalt des Waldes von hoher Bedeutung. Schätzungen für die Jahre 2018 und 2019 kommen auf etwa 35 Milliarden Euro an Schäden. Auch hier ist der Klimawandel maßgeblich dafür verantwortlich, dass diese Phänomene zugenommen haben. Große immaterielle Schäden wie Einbußen in Gesundheit, Lebensqualität und Zufriedenheit lassen sich schwieriger berechnen. Bei Hitze sinkt nicht nur die Erwerbsproduktivität durch Krankheit oder Hitzestress massiv – Hitze ist für 99 Prozent der Extremwettertoten in Deutschland seit 2000 verantwortlich. Auch indirekte Kosten durch Klimawandelfolgen im Ausland haben einen starken Einfluss auf die deutsche Wirtschaft: Lieferketten verzögern sich, weil Infrastruktur in anderen Teilen der Welt überschwemmt wurde, bei Hitze arbeiten Menschen weltweit weniger produktiv. Diese Kosten können durch starke Handelsverflechtungen sogar deutlich größer sein als solche, die direkt in Deutschland anfallen. Welche gesamtwirtschaftlichen Kosten kommen also aufgrund des Klimawandels auf Deutschland zu? Sie liegen, abhängig von der Intensität des Klimawandels, bis 2050 allein monetär zwischen 280 und 900 Milliarden Euro. Rein statistisch gesehen bedeutet dies pro Jahr mindestens eine Katastrophe mit denselben Kosten wie die Ahrtalflut 2021. Wie hoch die Kosten genau ausfallen, hängt vor allem davon ab, wie der Klimawandel voranschreitet – und wie gut wir es schaffen, uns an das veränderte Klima anzupassen und damit unsere Verletzlichkeit reduzieren. Um Schäden gering zu halten oder ganz zu vermeiden, sind neben Klimaschutzmaßnahmen auch wirkungsvolle Anpassungsmaßnahmen dringend erforderlich. Quelle: Die Bundesregierung Ein Merkblatt zur Studie finden Sie hier .

Extreme Hitze: Wie vermeiden wir gesundheitliche Belastungen?

Extreme Hitze: Wie vermeiden wir gesundheitliche Belastungen? Insbesondere ältere Menschen, aber auch Babys und Kleinkinder, chronisch Kranke, Wohnungslose und Menschen, die im Freien arbeiten, sind stark von der Hitzebelastung betroffen. Besonders das menschliche Herz-Kreislauf-System wird durch extrem hohe Temperaturen stark beansprucht und kann im Extremfall zum Tod führen. Weltweit nehmen die Hitzeextreme zu und damit auch die gesundheitliche Belastung der Menschen – vor allem für vulnerable Gruppen. Mit einem Mix aus rechtlichen Vorgaben, Prävention und konkreten Maßnahmen wird in Deutschland versucht, die Hitzefolgen abzumildern. Welche Erfolge zu verzeichnen sind und wo noch Handlungsbedarf herrscht zeigt der folgende Beitrag. Temperaturrekorde, ⁠ Tropennächte ⁠ und Hitzewellen: Als Folge des Klimawandels häufen sich die Hitzeextreme: „Die Zahl der Heißen Tage und der Tropennächte hat [seit den 1980ern] signifikant zugenommen“, heißt es im aktuellen Monitoringbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel . Seit 2005 gab es demnach im deutschlandweiten Mittel kein Jahr mehr ohne Hitzewarnungen. Laut aktuellem „ Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit “ des Robert-Koch-Instituts (⁠ RKI ⁠) wurden acht der zehn wärmsten Sommer seit Beginn der systematischen Wetteraufzeichnung in Deutschland (1881) in den vergangenen 30 Jahren registriert. Ein Trend, der sich fortsetzen wird: Infolge des Klimawandels werden ⁠ Heiße Tage ⁠ und Hitzewellen in Deutschland weiter zunehmen, so der RKI-Bericht. Je nach Klimaentwicklung könnte sich die Zahl der Hitzewellen bis zum Ende des Jahrhunderts vervierfachen. Für Viele bedeutet das eine große Gesundheitsbelastung. Vor allem für vulnerable Gruppen wie die Jüngsten und Ältesten in der Bevölkerung, Wohnungslose, Personen mit chronischen Erkrankungen oder diejenigen, die draußen arbeiten müssen, ist die zunehmende Hitze ein Problem – das im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Laut RKI-Bericht kann Hitze bestehende Beschwerden wie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Atemwege oder der Nieren verschlimmern und bei zahlreichen Medikamenten teils schwerwiegende Nebenwirkungen auslösen. Während Hitzeperioden wird regelmäßig ein deutlicher Anstieg der Sterbefälle beobachtet. Um die hitzebedingten Todesfälle und Krankenhauseinweisungen zu reduzieren und die Hitzebelastung der Menschen zu minimieren, sind viele kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen nötig. Die Bundesregierung hat daher einen klaren Fokus: „Der Klimawandel wird Hitzeschutz zu einem Dauerproblem machen. Darauf muss Deutschland systematisch vorbereitet werden“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf der 2. Hitzeschutzkonferenz im Mai 2024 und legte dabei einen ganzen Katalog an Hitzeschutzplänen und Empfehlungen vor. Die Handlungsempfehlung zur Erreichbarkeit vulnerabler Gruppen etwa bietet Tipps und Checklisten, wie die Kommunikation mit diesen Personengruppen gelingt. Das seit 01. Juli 2024 in Kraft getretene Klimaanpassungsgesetz stärkt unter anderem den Hitzeschutz und betont die Notwendigkeit, auf kommunaler Ebene Klimaanpassungskonzepte mit Maßnahmenplänen unter Berücksichtigung von Hitzeextremen zu erstellen – beispielsweise durch Hitzeaktionspläne. Wie diese Pläne aussehen können, zeigt die vom Bundesumweltministerium publizierte Bund/Länder- Handlungsempfehlung aus dem Jahr 2017. Neben rechtlicher Rahmenbedingungen setzt der Bund stark auf Aufklärung – etwa mit dem „Infopaket Hitzeschutz“, das an alle Bürgermeister*innen der rund 1.000 Kommunen in Deutschland verschickt wurde oder mit dem Hitzeknigge des Umweltbundesamts , das Kommunen als Kommunikationsinstrument nutzen können. Zentral für den Hitzeschutz sind außerdem finanzielle Mittel, mit denen die Regierung Maßnahmen unterstützt. Zu diesem Zweck wurde jüngst die Förderrichtline „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ des Bundesumweltministeriums fortgeschrieben, das zwischen 2020 und 2023 für die Umsetzung investiver Maßnahmen, unter anderem zur Anpassung an Auswirkungen von Hitzewellen und zur Hitzevorsorge, 150 Millionen Euro bereitgestellt hat. Bundesweite Aktionstage sollen die Bevölkerung für das Thema sensibilisieren: Am 5. Juni 2024 veranstalteten bereits zum zweiten Mal mehrere Akteure des Gesundheitswesens den Hitzeaktionstag. „Das wurde dann eher zu einer bundesweiten Hitzeaktionswoche, denn wir hatten wahnsinnig viele dezentrale Aktionen und Veranstaltungen“, sagt Maike Voss, Mitglied bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), die den Aktionstag mitveranstaltet hat. „Der Hitzeaktionstag hat neben der Aufklärung das Ziel, möglichst viele Akteure bis hin zu kleinen Vereinen zu vernetzen.“ Wie viel in der Praxis bereits passiert, weiß Jonas Gerke, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei KLUG. Die aus seiner Sicht wichtigste Maßnahme sind Hitzeaktionspläne. „Sowohl auf Länderebene als auch im kommunalen Bereich gibt es mittlerweile viele Regionen die Hitzeaktionspläne ausgearbeitet haben oder gerade mit deren Erstellung beschäftigt sind“, sagt Gerke. In Sachen Hitzeaktionsplan war die Stadt Mannheim Pionierin: Auf Geoportalen, Webseiten und Stadtplänen sind Informationen zu kühlen Orten hinterlegt. Dortmund wiederum erstellte die Broschüre „Hitzehelfer“ und richtete ein Hitzetelefon ein. In Brandenburg läuft ein Projekt zur Schulung und Installation von Hitzehelfer*innen , die sich um ältere Menschen kümmern. In Berlin hat sich eine deutschlandweit einzigartige Allianz zu dem Thema gebildet: das Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin . Ins Leben gerufen wurde sie von der Ärztekammer Berlin, der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege sowie KLUG. „In dem Bündnis werden Lösungen für die Praxis und nicht für die Schublade gesucht“, sagt Gerke. Unter anderem wurden 2022 Musterschutzpläne – etwa für Krankenhäuser, Arztpraxen, Bezirke oder die stationäre Pflege – erstellt. „Bei Pflegeheimen können Pfleger die Bewohner mit kleinen Trinkwettbewerben animieren und bei Hitzewellen leichte und wasserreiche Kost ausgeben“, nennt Gerke Praxisbeispiele. Flankierend zu konkreten Maßnahmen wird vielerorts zum Thema Klimaanpassung und Gesundheit geforscht, etwa an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dort läuft ein Forschungsprojekt zum Thema „Hitzeservice statt ⁠ Hitzestress ⁠ – was brauchen Kommunen, um zum Thema Gesundheitsschutz bei Hitze zu informieren und zur Entwicklung und Umsetzung eigener Maßnahmen angeregt zu werden?“. Unstrittig ist, dass gesundheitliche Belastungen am besten vermieden werden, indem die Bevölkerung sowie das Gesundheitssystem auf bevorstehende Hitzeperioden frühzeitig vorbereitet werden. „Dazu gibt der Deutsche Wetterdienst auf seiner Webseite und über Apps die entsprechenden Warnungen heraus“, sagt Gerke. „Diese sollen dann etwa an Bushaltestellen oder in U-Bahnhöfen auf Bannern angezeigt und an Einrichtungen weitergeleitet werden, die mit Risikogruppen arbeiten.“ Die Einrichtungen und Vereine können so rechtzeitig reagieren: „In Pflegeheimen kann kurzfristig mehr Personal eingeteilt werden, das Getränke verteilt, Kindergärten können einige Stunden im Wald einplanen, Handwerker stellen – wenn möglich – ihre Arbeitszeiten um und es werden Räume bewusster kühl gehalten, etwa indem früh morgens gelüftet wird und die Rollos unten bleiben“, zählt Gerke sinnvolle Maßnahmen auf. Im Fokus stehen auch Trainer*innen von Sportvereinen, die im Hitzefall etwa für Kühlzonen sorgen sollen – oder ein Spiel absagen. Eine Risikogruppe, die dabei laut Maike Voss nicht vergessen werden darf, seien junge Menschen mit geringer Risikowahrnehmung. „Das Hitzeproblem trifft nämlich keineswegs nur ältere Menschen. Gerade in Verbindung mit Alkohol merken viele die Belastung nicht und werden übermütig“, sagt sie. „Auch diese Gruppe muss abgeholt und über die Gefahren und Lösungen informiert werden.“ Daneben helfen bauliche Maßnahmen: „Vonseiten der Stadtplanung gibt es schon seit Jahrzehnten langfristige Überlegungen, wie verhindert werden kann, dass sich die Städte aufheizen und der sogenannte städtische Wärmeinseleffekt verringert werden kann“, sagt Jonas Gerke. „Flächenentsiegelungen und eine blau-grüne Infrastruktur sind sehr gute Maßnahmen, auch wenn sie teilweise noch zu langsam in die Umsetzung kommen.“ Die Fassadenbegrünung, das Pflanzen von Bäumen oder die Verschattung von Plätzen helfen bei der Hitzeprävention in Städten. Trotz vielfältiger Projekte und Pläne hakt es laut Maike Voss oft an der Umsetzung. „Ein Problem ist, dass in vielen Kommunen die Frage gestellt wird: Wer kümmert sich überhaupt um den Hitzeschutz? Ist das eher das Gesundheitsamt oder das Umweltamt oder jemand anderes? Hier muss unserer Meinung nach klar in die Gesundheitsdienstgesetze der Länder reingeschrieben werden, dass grundsätzlich die Gesundheitsämter auch eine Rolle spielen.“ Obendrein brauche es ihrer Ansicht nach mehr Unterstützung für die kommunale Ebene – besonders bei kleinen Kreisen und Gemeinden. Jonas Gerke benennt ein zweites Problem: „Bislang werden die meisten Maßnahmen über Projektmittel finanziert, die irgendwann auslaufen“, sagt er. Daher würden sich Hitzeaktionspläne häufig nur mit kurzfristigen und günstigen Maßnahmen befassen. „Hier braucht es mehr nachhaltige und niederschwellige Förderung.“ Das sei aus gesundheitlicher aber auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll: „Die Kosten, die auf uns zukommen, wenn nichts gemacht wird, sind um ein Vielfaches höher.“ Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter ⁠ Klimafolgen ⁠ und Anpassung Nr. 91 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.

Beobachtete und erwartete Klimafolgen

Beobachtete und erwartete Klimafolgen Die Folgen des Klimawandels in Umwelt und Gesellschaft werden zunehmend spürbar. Der dritte Monitoringbericht zur Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) wurde 2023 veröffentlicht und gibt einen breiten Überblick über bereits beobachtete Klimafolgen. Die 2021 veröffentlichte Klimawirkungs- und Risikoanalyse (KWRA) des Bundes zeigt künftige Folgen des Klimawandels in Deutschland. Das ⁠ Klima ⁠ ändert sich bereits und wird sich auch in Zukunft weiter wandeln. Der ⁠ Klimawandel ⁠ manifestiert sich dabei sowohl in langfristigen Klimaänderungen (wie langsam steigenden Durchschnittstemperaturen) als auch in einer veränderten ⁠ Klimavariabilität ⁠ (also stärkeren ⁠ Klimaschwankungen ⁠ und häufigeren Extremwetter-Ereignissen wie Stürmen, Dürren, Überschwemmungen und Sturzfluten oder Hitzesommern).Die ⁠ Klimafolgen ⁠ sind also vielfältig und haben Einfluss auf unser tägliches Leben. Um die in Deutschland erwarteten Folgen des Klimawandels zu beschreiben, wurden verschiedene Indikatoren entwickelt. Mit ihrer Hilfe können die Folgen und die bereits begonnene ⁠ Anpassung an den Klimawandel ⁠ beschrieben, sowie seine weitere Entwicklung verfolgt werden. Dargestellt werden Veränderungen in der natürlichen Umwelt, aber auch gesellschaftliche Folgen wie zum Beispiel die Entwicklung von Einsatzstunden bei wetter- und witterungsbedingten Schadensereignissen. Die fachlichen Grundlagen hat das Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass ) zusammen mit anderen Bundesbehörden erarbeitet. Alle vier Jahre veröffentlicht die Bundesregierung einen Monitoringbericht. Der aktuelle Monitoringbericht erschien im November 2023. Er liefert mit Hilfe von Indikatoren einen breiten Überblick über beobachtete Klimafolgen und die begonnene Anpassung. Das Behördennetzwerk „Klimawandel und Anpassung“, ein Netzwerk von 25 Bundesbehörden und -instituten und unterstützt von einem wissenschaftlichen Konsortium, hat über 100 Wirkungen des Klimawandels und deren Wechselwirkungen untersucht und bei rund 30 davon sehr dringender Handlungsbedarf festgestellt. Dazu gehören tödliche Hitzebelastungen - besonders in Städten, Wassermangel im Boden und häufigere Niedrigwasser. Dies hat schwerwiegende Folgen für alle Ökosysteme, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Warentransport. Es wurden auch ökonomische Schäden durch ⁠Starkregen⁠, Sturzfluten und Hochwasser an Bauwerken untersucht sowie der durch den graduellen Temperaturanstieg verursachte Artenwandel, einschließlich der Ausbreitung von Krankheitsüberträgern und Schädlingen. Seit 2011 wurde von 16 Bundesbehörden und -institutionen im Auftrag der Bundesregierung die Vulnerabilität – also Verletzlichkeit – Deutschlands gegenüber dem Klimawandel analysiert.

Orientierungswerte für öffentliches Grün

Rund 60 % aller Bundesbürger*innen leben heute in Groß- und Mittelstädten. Die Bewältigung aktueller Herausforderungen dieser Städte hängt direkt oder indirekt mit dem dortigen Grünbestand zusammen. So korreliert die Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels inklusive gesundheitlicher Auswirkungen bis hin zu Hitzetoten, der Erhalt von Biodiversität oder die Schaffung von mehr Umweltgerechtigkeit mit dem Vorhandensein und der Qualität des Stadtgrüns.

Heat-related mortality per European country (2000-2020), Apr 2023

This metadata refer to the dataset presenting the modelled annual heat-related mortality incidence (annual deaths per million inhabitants) in Europe between 2000 and 2020 Heat-related deaths are estimated to have increased in 931 (94%) of the 990 regions monitored from 2000 to 2020, with an overall mean increase of 15·1 (95% CI –1·51 to 31·6) annual deaths per million inhabitants per decade for the general population, and 60·4 (–17·8 to 138·6) extra deaths per million inhabitants per decade for people 65 years and older.

UBA aktuell - Nr.: 6/2023

Willkommen zur neuen "UBA aktuell"-Ausgabe, Stürme, Starkregen, Dürreperioden, Hitzewellen – die negativen Folgen der Klimakrise nehmen zu, auch in Deutschland. Das zeigt der mittlerweile dritte Monitoringbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, den wir Ihnen in dieser Newsletterausgabe vorstellen möchten. Außerdem geht es unter anderem um das Thema Antibiotikaresistenzen und die Ergebnisse des Bürger*innen-Dialogs „Nachhaltige Ernährung“. Interessante Lektüre wünscht Ihre Pressestelle des Umweltbundesamtes Folgen der Klimakrise in Deutschland verschärfen sich Schlechte Ernten durch Hitze und Trockenheit – nur eine der Folgen des Klimawandels in Deutschland. Quelle: hykoe / Fotolia.com Die Folgen der Klimakrise in Deutschland verschärfen sich und die Bemühungen zur Anpassung an diese Folgen müssen dringend intensiviert werden. Das sind die Botschaften des mittlerweile dritten Monitoringberichts zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) der Bundesregierung, den UBA-Präsident Dirk Messner und Bundesumweltministerin Steffi Lemke am 28. November 2023 vorstellten. Immer mehr Stürme, Starkregen, Dürreperioden und Hitzewellen wirken sich auf die Gesundheit der Menschen, die Ökosysteme und die Wirtschaft aus. Deutschland gehört zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit. Die Folge sind unter anderem spürbare Ernteverluste in der Landwirtschaft und immer größere Waldschäden. So lagen im Jahr 2018 die Winterweizenerträge um 15 Prozent und die Silomaiserträge um 20 Prozent unter dem Mittel der sechs Vorjahre. Und im Jahr 2020 starben 20-mal so viele Fichten ab wie im Mittelwert der vorangegangenen zehn Jahre. Maßnahmen zur Anpassung laufen in immer mehr Kommunen an, müssen aber intensiviert werden, etwa durch mehr Grün und entsiegelte Flächen in Städten, um Hitze abzumildern und Überflutungen vorzubeugen. Dass Anpassungsmaßnahmen wirken, zeigt sich am Beispiel Hitzewellen: Durch gezielte Informationskampagnen konnte die Zahl der Hitzetote in Deutschland reduziert werden, so UBA-Präsident Messner. "Wir müssen digitale und nachhaltige Transformation stärker zusammendenken" Mit dem Übereinkommen von Paris im Jahr 2015 sind die Klima- und Energieziele für 2050 gesteckt. Nun geht es darum, diese Ziele zu erreichen und notwendige Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft anzugehen. Damit einher gehen Anpassungen in allen Wirtschaftssektoren und im beruflichen Handeln. Was bislang erreicht und auch versäumt wurde und was auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft, auch mit Blick auf die Qualifizierung von Fachkräften, dringend zu tun bleibt, erörtert UBA-Präsident Prof. Dr. Dirk Messner im BWP-Interview. Autorecycling: Was lässt sich von Autos wiederverwerten? Ein Auto besteht aus mehr als 10.000 einzelnen Teilen aus ganz unterschiedlichen Materialien. Den größten Anteil macht Stahl aus, aber es gehören auch Glas, Reifen oder Kunststoffe dazu, genauso wie umweltschädliche Substanzen, wie Bremsflüssigkeiten, Motoröle, Blei in Batterien oder Klimaanlagen-Gase. Wie werden Autos recycelt? UBA-Expertin Regina Kohlmeyer im Interview bei rbb radio eins. Kleine Teile, große Gefahr: EU verbietet Mikroplastik Mikroskopisch kleine Plastikpartikel im Grundwasser, im Meer und in den Tieren, die wir essen. An Plastikteilchen lagern sich Schadstoffe an, sie führen zu Gewebeveränderungen. Je kleiner sie sind, desto schädlicher werden sie. Denn sind sie einmal im Meer, kann man sie daraus nicht mehr entfernen. ARD-Podcast "Der Tag. Ein Thema, viele Perspektiven" zum Thema Mikroplastik, unter anderem mit UBA-Expertin Annegret Biegel-Engler. Zahl des Monats Februar 2025 Quelle: Lena Aubrecht / UBA

Klimamodell Berlin - Planungshinweise Stadtklima 2015

Stadtklima und Gesundheit – eine Herausforderung für die Gestaltung städtischer Lebensräume Die menschliche Gesundheit ist unsere Lebensgrundlage. Die städtischen Lebens- und Umweltbedingungen haben maßgeblich Einfluss auf das Wohlbefinden, die Gesundheit und die Lebenserwartung für städtische Bevölkerungen. Die Umweltwirkungen auf die menschliche Gesundheit im Kontext des städtischen Klimas können von den bioklimatischen Eigenschaften der Stadt, vor allem bestimmt durch städtische Wärmeinseln und Luftschadstoffe, abgeleitet werden. Bereits heute, vor allem aber in der Zukunft stellen die Besonderheiten des Stadtklimas im Verbund mit den Auswirkungen des Klimawandels, der Überalterung der Gesellschaft, städtischen Lebensweisen und einer ungleichen sozialen Verteilung von Umweltbelastungen große Herausforderungen für die Gestaltung städtischer Lebensräume dar. Da Metropolen wie Berlin ein innerstädtisches Mosaik verschiedener Stadt-, Bevölkerungs- und Sozialstrukturen sowie Umweltbedingungen aufweisen, sind gesundheitliche Auswirkungen ebenso räumlich unterschiedlich ausgeprägt. So sind nicht nur die Umweltbedingungen in einem Stadtgebiet entscheidend, sondern auch wie hoch der Anteil der Personengruppen ist, die diesen Belastungen gegenüber eine besondere Vulnerabilität aufweisen. Vor allem ältere und allein lebende Personen, chronisch Kranke oder sozial Schwache sind von Umweltbelastungen häufig in einem stärkeren Ausmaß betroffen (Böhme et al. 2013). Zum Erhalt bzw. zur Schaffung einer für den Menschen gesunden städtischen Umwelt ist einerseits das Verständnis von den Wirkungen des Stadtklimas auf die Gesundheit entscheidend. Andererseits stellen räumlich differenzierte Betrachtungen zu Mensch-Umwelt-Beziehungen in städtischen Gebieten eine wichtige Grundlage dar. Der Stadtplanung kommt dabei eine maßgebliche Aufgabe zuteil, gerade im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels. So hat die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt 2011 den Stadtentwicklungsplan Klima (SenStadtUm 2011) veröffentlicht und im Rahmen der Klimaanpassungsstrategie des Landes Berlin das Klimaschutzteilkonzept „Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ (SenStadtUm 2016) entwickelt. Planungshinweiskarten unterstützen das Ziel, ein gesundes Stadtklima zu erhalten bzw. zu schaffen. Bei der Bewertung stadtklimatischer Belastungssituationen und Entlastungsfunktionen sowie der Ausweisung von Flächen mit besonderen stadtklimatischen Missständen und der Vulnerabilität gegenüber dem Stadtklima werden neben Flächennutzungen und Grünflächenversorgungen auch demographische Strukturen berücksichtigt. Die Identifizierung von erhöhten gesundheitlichen Risiken durch Wärme- und Luftschadstoffbelastungen auf Basis von Gesundheitsdaten in räumlicher Auflösung können als wichtige Ergänzung für die Planung und Umsetzung von Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit verstanden werden. Wie ist der Zusammenhang zwischen dem Stadtklima und der menschlichen Gesundheit? Stadtstrukturen modifizieren die bioklimatisch relevanten Parameter Lufttemperatur, Luftfeuchte und Luftbewegungen sowie den Strahlungs- und Energieaustausch. Dabei kann sich das Stadtklima auf direktem und indirektem Wege auf den Menschen auswirken. Denn städtische Wärmeinseln und Luftschadstoffe in der Stadtatmosphäre haben nicht nur direkten Einfluss auf den Menschen, sondern auch auf Wasser, Boden, Flora sowie Fauna in der Stadt. Und über diese Teilsphären (Hydrosphäre, Pedosphäre, Biosphäre) lassen sich ebenso indirekte Wirkungspfade zum Menschen feststellen. Im Folgenden soll der Schwerpunkt der Betrachtung auf den direkten Auswirkungen der städtischen Wärmebelastung auf die menschliche Gesundheit liegen. Städtische Wärmeinseln Die städtische Wärmeinsel wirkt bioklimatisch sowohl vorteilig als auch nachteilig auf die menschliche Gesundheit. Positiv zu bewerten sind eine Verkürzung der winterlichen Frostperiode und eine Reduzierung der Anzahl der Heiztage, wodurch Luftschadstoffimmissionen nachlassen (Kuttler 1998) und das Risiko bezüglich kälteassoziierter Erkrankungen und Sterbefälle vermindert ist. Verkürzte Frostperioden bzw. mildere Winter bedingen allerdings auch eine Verlängerung der Vegetationsperiode und damit der Pollensaison, was Allergien fördern und verstärken bzw. das Allergenspektrum verändern kann (Eis et al. 2010). Ebenso ist mit erhöhten Infektionsrisiken zu rechnen, da es zu günstigeren Lebens- und Ausbreitungsbedingungen für tierische Zwischenwirte und Überträger (Vektoren) von Krankheitserregern kommt (Eis et al. 2010). Nachteilig äußert sich die städtische Überwärmung vor allem in den Sommermonaten, wo die größte Intensität nachts ausgeprägt ist. Da diese Belastungsschwerpunkte mit der nächtlichen Erholungsphase des Menschen zusammentreffen, stellen sie an kontinuierlich heißen Tagen eine zusätzliche Beanspruchung für den menschlichen Organismus dar (Koppe et al. 2004). Aber auch tagsüber können im Sommer hohe Lufttemperaturen, geringe Windintensitäten und räumlich unterschiedliche Strahlungsverhältnisse zu Hitzestress führen. Dabei ist der Grad der Wärmebelastung hauptsächlich durch die Sonneneinstrahlung bestimmt. Hitzewellen, also mehrere wärmebelastete Tage in Folge, stellen in Städten ein spezielles Problem dar, da sich Gebäude und versiegelte Flächen über Tage aufheizen, diese Wärme speichern und verzögert wieder abgeben. Wenn in diesen Fällen eine adäquate Belüftung über Nacht ausbleibt, empfinden Einwohner in diesen Stadtgebieten einen anhaltenden thermischen Stress über die Tages- und Nachtstunden, während Bewohner in begünstigten Stadtarealen durch den kühlenden Einfluss benachbarter Freiflächen eine Wärmeentlastung über Nacht erfahren. Berlin zeichnet sich mit seiner herausragenden Mischung von bebauten und begrünten Flächen durch ein Mosaik verschiedener mikroskaliger Klimate und damit große Unterschiede in den thermischen Bedingungen auf kleinem Raum aus. Deren klimatische Auswirkungen zu bewerten, ist eine vorrangige Aufgabe der dreigeteilten Planungshinweiskarte Stadtklima. Wärmebelastung Unter Wärmebelastung wird eine gesundheitsrelevante Bewertung der thermischen Umwelt verstanden. Die Wärmebelastung wird entweder anhand einfacher Verfahren bestimmt, z.B. Schwellenwerte der Lufttemperatur (klimatologische Kenntage), oder anhand komplexer Verfahren, z.B. mittels dem Predicted Mean Vote (PMV), der gefühlten Temperatur, der Physiological Equivalent Temperature (PET) oder dem Universal Thermal CIimate Index (UTCI), einer Fortschreibung des vom Deutschen Wetterdienst angewendeten Klima-Michel-Modells und der gefühlten Temperatur (Koppe 2005, Jendritzky et al. 2009). Die thermische Belastung unterscheidet sich in Wärmebelastung und Kältereiz. Ab einer starken Wärmebelastung wird auch von Hitzebelastung oder Hitzestress gesprochen, wobei die Begriffe häufig synonym verwendet werden bzw. keine einheitlichen Definitionen vorliegen. Werden die Mortalität (Sterblichkeit oder Sterberate bezogen auf die Gesamtheit der Bevölkerung) und z.B. die Lufttemperaturen über das Kalenderjahr betrachtet, kann im Allgemeinen ein U-förmiger Kurvenverlauf festgestellt werden (vgl. Abbildung 21). h6. Durchgezogene Linie: Temperatur-Mortalitäts-Beziehung über das Kalenderjahr. Gestrichelte Linie: Temperatur-Mortalitäts-Beziehung während Phasen starker Wärmebelastung oder während Sommermonaten (Scherber 2014) Der Kurvenverlauf kann in Abhängigkeit des regionalen Klimas, der betrachteten Saison im Jahr und der Todesursache variieren (Koppe et al. 2004, Michelozzi et al. 2009, Schneider et al. 2009). In den mittleren Breiten weist die Gesamtmortalität (alle Todesursachen) ein Maximum im Winter und ein Minimum im Sommer auf. In besonders heißen Sommern, wie es in Berlin in den Jahren 1994, 2006 und 2010 der Fall war, kann die Gesamtmortalität jedoch das Wintermaximum auch überschreiten (vgl. Abbildung 22). Hitzebedingte Erkrankungen Der menschliche Organismus toleriert Abweichungen der Körperkerntemperatur nur in sehr geringem Maße. Die Körperschale (Arme, Beine und Haut) kann hingegen variierende Temperaturen viel stärker tolerieren. Steigt die Körperkerntemperatur an bzw. kommt es zur Überschreitung der oberen Grenze des sogenannten thermischen Komforts oder zur Störung des menschlichen Wärmehaushaltes, wird der Organismus zunehmend durch Hitzestress belastet. Selbst bei gesunden Personen kann es bereits bei körperlicher Ruhe zu erheblichen Zunahmen der Pumpleistung des Herzens und damit zum Abbau physiologischer Funktionsreserven und eingeschränkter geistiger kognitiver Arbeit kommen (BMU 2011). Der Körper reagiert mit Unwohlsein, verminderter physischer Leistungsbereitschaft und Konzentrationsschwäche. Symptome von Hitzestress sind ein Beeinträchtigungs- und Belastungsgefühl. Bei bereits Erkrankten kann es zur Notwendigkeit vermehrter Medikamenteneinnahme kommen. Eine anhaltende Exposition gegenüber hohen Temperaturen kann zu hitzebedingten Notfallsituationen (z.B. Hitzekrämpfe, Hitzschlag), Erkrankungen bis hin zu Todesfällen führen. Bei hitzebedingten Erkrankungen sind hauptsächlich das Herz-, Gefäß- und Atmungssystem betroffen, welches aufgrund zusätzlicher Einwirkungen von Luftschadstoffen und Pollen beansprucht ist (BMU 2011, Michelozzi et al. 2009, Schneider et al. 2011). Hohe Temperaturen und eine geringe Luftfeuchte können zudem die Schleimhäute austrocknen, was im Sommer als auch im Innenraum im Winter relevant ist. Auf trockenen Schleimhäuten können sich leicht Erreger festsetzen, welche Atmungssystemerkrankungen hervorrufen oder bestehende Symptome verschlechtern. h5. Gefährdete Personen und Risikofaktoren gegenüber Wärmebelastung Der Wasserverlust über die Haut bei der Schweißverdunstung steigt bei erhöhter Umgebungstemperatur erheblich an und wird bei körperlicher Arbeit oder bestehender Erkrankung, die ihrerseits Wasser verbraucht (z.B. Diabetes mellitus, Durchfall), weiter verstärkt. Für ältere und kranke Menschen, Säuglinge und Kleinkinder ist ein hoher Wasserverlust besonders problematisch, da ihr Thermoregulationssystem eingeschränkt arbeitet, die Durstwahrnehmung vermindert und die hormonelle Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes verändert sind. Wenn der Wasser- und Elektrolythaushalt nicht entsprechend ausgeglichen wird, kommt es in Folge des Wasserverlustes zum Volumenmangel im Kreislaufsystem mit Beeinträchtigung der Kreislauffunktion und Nierentätigkeit, der bis zum Zusammenbruch des Organismus führen kann. Junge Erwachsene können kurzfristig durch alleiniges Trinken selbst schweren Wasserverlust ausgleichen. Ältere Menschen benötigen häufig mehrere Tage dafür (Wichert, von 2004). Zu den hitzegefährdeten Menschen gehören des Weiteren Personen mit bereits bestehenden schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch z.B. Herz-Kreislauf- und Atmungssystemerkrankungen, Bettlägerigkeit, neurologische oder psychiatrische Erkrankungen. Sie können sich unter Umständen nicht selbstständig versorgen und nehmen zumeist Medikamente ein, die sich auf den Elektrolyt- und Wärmehaushalt auswirken, wie z.B. Diuretika (wasserausschwemmend), Neuroleptika (antipsychotisch), Betablocker (blutdrucksenkend) und Barbiturate (schlaffördernd). Neben dem Alter und Vorerkrankungen sind als weitere Risikofaktoren für hitzebedingte Erkrankungen Alkohol- und Drogenmissbrauch, anstrengende körperliche Tätigkeiten während extremer Wetterbedingungen, Akklimatisationsmangel, geringe Fitness, Übergewicht, körperliche Ermüdung, physische und soziale Isolation, niedriger sozioökonomischer Status, Wohnen in Ballungsräumen sowie fehlende oder unzureichende Klimatisierung zu nennen (Eis et al. 2010, Koppe et al. 2004). h5. Akklimatisation Die Akklimatisation ist ein wesentlicher Aspekt bei den Auswirkungen von Wärmebelastung. Unter Akklimatisation ist die physiologische Anpassung des menschlichen Organismus an veränderte klimatische Bedingungen zu verstehen. Durch Effizienzsteigerung im Thermoregulationssystem und hormonelle Veränderungen wird die auf den Körper wirkende thermische Belastung reduziert. Eine Kurzzeit-Hitzeakklimatisation stellt sich für gewöhnlich nach 3 – 12 Tagen ein, wobei eine Langzeit-Hitzeakklimatisation mehrere Jahre dauern kann. Die Kurzzeit-Hitzeakklimatisation führt u.a. zu einer vermehrten Schweißproduktion schon bei geringerer Körpertemperatur und einer verringerten Salzkonzentration im Schweiß und Urin. Diese Form der Akklimatisation stellt sich jedoch nur ein, wenn die Hitzeexposition täglich über mehrere Stunden erfolgt, und sie bildet sich innerhalb mehrerer Wochen nach der Hitzeexposition wieder zurück (Koppe et al. 2004). Geschwindigkeit und Stärke der Akklimatisation hängen von unterschiedlichen individuellen Faktoren wie dem Alter, dem Geschlecht, der genetischen Prädisposition, dem Gesundheitszustand, der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Fitness ab. Ebenso sind äußere Faktoren, wie z.B. die Nutzung von Klimaanlagen, sowie nationale, geographische und jahreszeitliche Unterschiede für die Akklimatisation und individuelle Hitzetoleranz entscheidend (Koppe 2005). Aufgrund der Relevanz der physiologischen Anpassung bei der Bewertung der thermischen Umwelt wurde die Methode HeRATE (Health Related Assessment of the Thermal Environment) eingeführt (Koppe 2005). Diese Methode wird für die Berechnung der Schwellenwerte des thermischen Indexes „gefühlte Temperatur“ für Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes mit berücksichtigt. Deshalb liegen die Schwellenwerte der gefühlten Temperatur für Hitzewarnungen bei frühsommerlichen Hitzewellen und in höheren Breiten etwas niedriger, im Hochsommer und in niederen Breiten etwas höher. Wie können Auswirkungen des städtischen Klimas auf die Gesundheit untersucht werden? Zusammenhänge zwischen dem städtischen Klima und der menschlichen Gesundheit können einerseits anhand der Auswirkungen von Wärme- und Luftschadstoffbelastungen auf die Mortalität (Sterblichkeit), Morbidität (Krankheitshäufigkeit) oder z.B. auf individuelle körperliche und psychische Parameter untersucht werden. Diese Gesundheitsindikatoren stammen häufig von Daten der Sterbefallstatistiken, Krankenhausdiagnosestatistiken (z.B. Patientenaufnahmen in Krankenhäusern), von gesetzlichen Krankenkassen (z.B. Abrechnungsdaten) oder Rettungsdiensteinsätzen. Zur Erfassung der Wärme- und Luftbelastung werden Daten über stationäre Messnetze, mobile Messungen oder auf Basis räumlicher Interpolationen bezogen. Bei den Untersuchungen von Zusammenhängen zwischen Umweltexpositionen und gesundheitlichen Auswirkungen wird in Kurzzeit- und Langzeiteffekte unterschieden. Kurzfristige Wirkungen treten in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Exposition auf (d.h. innerhalb weniger Tage). Langfristig können aber auch chronische Erkrankungen resultieren (Breitner et al. 2013). Andererseits kann das Risiko für gesundheitliche Folgen von Wärme- und Luftschadstoffbelastungen auch von Stadt-, Bevölkerungs- und Sozialstrukturen abgeleitet werden. Unter Berücksichtigung von weiteren Gesundheits- und meteorologischen Indikatoren stellen im Ergebnis dieses Ansatzes Vulnerabilitäts-, Umweltrisiko- oder Hitzestresskarten das potentielle Risiko für Hitzestress oder weitere Umweltbelastungen räumlich dar (vgl. Kapitel „besondere Vulnerabilität aufgrund der demographischen Zusammensetzung“, Dugord et al. 2014, Kim et al. 2014, SenStadtUm 2015d). Der Zusammenhang zwischen Wärme- oder Hitzebelastung, Luftschadstoffen und gesundheitlichen Auswirkungen wird am häufigsten anhand von epidemiologischen Studien untersucht. Die Epidemiologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den Ursachen und Folgen sowie der Verbreitung von gesundheitsbezogenen Zuständen und Ereignissen in Populationen beschäftigt (Mücke et al. 2013). In Zeitreihenstudien werden Daten von Umweltexpositionen und sogenannten Gesundheitsendpunkten (z.B. Erkrankung, Todesfall) auf der Ebene aggregierter Populationen (anstelle von Einzelpersonen) zugrunde gelegt und Änderungen der Stärke von Umwelteinflüssen und bestimmte gesundheitliche Effekte über Regressionsanalysen in verschiedenen zeitlichen Auflösungen (meist Tag oder Monat) untersucht. Dabei können auch mögliche Störeinflüsse, wie z.B. saisonale Einflüsse, zeitliche Trends, Meteorologie und sozioökonomischer Status der untersuchten Population berücksichtigt werden. Da sich gesundheitliche Wirkungen nicht immer unmittelbar nach Veränderungen der Umwelteinflüsse zeigen, wird die beobachtete zeitliche Verzögerung der gesundheitlichen Wirkungen auch als Zeit-Lag oder Lag bezeichnet (Breitner et al. 2013). Zeitreihenstudien ermöglichen den Einbezug großer Fallzahlen und Zeiträume, sowie auch hohe Auflösungen auf räumlicher Ebene, was gerade für innerstädtische Differenzierungen von Umweltwirkungen auf die Stadtbevölkerung relevant ist. Zusammenhänge zwischen Umweltexpositionen und gesundheitlichen Wirkungen lassen sich aber auch auf personen- oder personengruppenbezogener Basis mittels z.B. Fall-Kontroll-Studien, Kohortenstudien oder über Befragungen exponierter Personen zum Gesundheitszustand, der Leistungsfähigkeit oder dem Wohlbefinden erfassen. Diese Studiendesigns halten meist weniger Fallzahlen vor, ermöglichen aber eine bessere Kontrolle von Störfaktoren und lassen Zusammenhänge auf individueller Ebene abbilden. Einen Überblick zu Untersuchungen der Auswirkungen von Wärme- und Luftbelastungen auf die Gesundheit in Berlin mit Angabe der verwendeten Daten, zeitlichen und räumlichen Auflösungen zeigt Tabelle 3. Stadtklima und Gesundheit in Berlin – Ein Überblick zu Forschungsergebnissen Bereits in den 1980er Jahren gingen Turowski und Haase der Frage nach, welche bioklimatischen Wirkfaktoren die tägliche Sterbehäufigkeit beeinflussen und werteten dafür Totenscheine u.a. aus Ost-Berlin für den Zeitraum 1958 – 1967 hinsichtlich des Klima- und Wettereinflusses statistisch aus. Die Untersuchung zeigte, dass eine erhöhte Sterblichkeit im Sommerhalbjahr mit erhöhten Werten von Lufttemperatur, Luftfeuchte und Globalstrahlung einhergingen. Die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislaufsystemerkrankungen war bei überdurchschnittlich hohen Lufttemperaturen im Sommer in Ost-Berlin signifikant erhöht (bis zu 10 % Abweichung vom Erwartungswert). Für die Sterblichkeit aufgrund von Atmungssystemerkrankungen betrug die Abweichung vom Erwartungswert bis zu 45 %. Am Beispiel von Erkältungskrankheiten bei Berliner Kindern konnte zudem ein Wärmeinseleffekt festgestellt werden. Erkältungen bei Kindern, die in der Innenstadt lebten, kamen im Sommer bei überdurchschnittlich hohen Lufttemperaturen signifikant häufiger vor, wohingegen sich diese Effekte für die Außenbezirke nicht zeigten (Turowski 1998, Turowski und Haase 1987). Gabriel konnte für den Untersuchungszeitraum 1990-2006 anhand von Daten zur Gesamtmortalität (alle Ursachen) und meteorologischer Parameter in Tagesauflösung darstellen, dass in Berlin und Brandenburg hauptsächlich Ältere (> 50-Jährige) und besonders Frauen eine erhöhte Hitzevulnerabilität aufwiesen. Die Mortalitätsraten waren im Untersuchungszeitraum während Hitzewellen höher (bis zu 67 % im Sommer 1994 im Stadtzentrum Berlins), und ein Zusammenhang zwischen Mortalitätsraten und der Dichte urbaner Strukturen innerhalb Berlins konnte festgestellt werden. Die Mortalitätsraten stiegen mit der Dichte urbaner Strukturen (Gabriel 2009, Gabriel und Endlicher 2011). Burkart et al. stellten für den Untersuchungszeitraum 1998-2010 in einer statistischen Auswertung von Gesamtmortalitäts-, Wetter- und Luftgütedaten in Tagesauflösung dar, dass in Berlin das Mortalitätsrisiko mit zunehmender Wärmebelastung steigt und hohe Ozon- sowie Feinstaub (PM10)-Konzentrationen mit einer erhöhten hitzebedingten Mortalität verbunden sind (Burkart et al. 2013). Da zwischen der Lufttemperatur und Luftschadstoffbelastungen oft ein enger Zusammenhang besteht, wurden in der Studie auch mögliche Interaktionen zwischen der Wärmebelastung (ermittelt über den Universal Thermal Climate Index) und den Ozon- und PM10-Konzentrationen einerseits und deren Einfluss auf die Mortalität andererseits untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Mortalität bei hoher Wärme- und Ozonbelastung stark ansteigt (vgl. Abbildung 23). Diese Interaktionseffekte zeigen sich für PM10 weniger stark ausgeprägt (vgl. Abbildung. 24). Auch Scherer et al. verwendeten Daten zur Gesamtmortalität (alle Ursachen), um unter Anwendung eines hitzeereignisbasierten Risikomodells die mit der Wärmebelastung einhergehende Mortalität in Berlin zu quantifizieren. Das Modell identifiziert Hitzeereignisse auf Basis von Lufttemperaturdaten in Tagesauflösung. Ein Hitzeereignis wird dabei als Folge von mindestens drei aufeinander folgenden Tagen definiert, an denen die Lufttemperatur einen bestimmten Schwellenwert übersteigt. Die Studie weist nach, dass ca. 5 % aller Todesfälle in Berlin in den Jahren von 2001 bis 2010 statistisch mit erhöhten Lufttemperaturen korreliert sind. Die betroffenen Personen sind meist 65 Jahre oder älter, während der Zusammenhang zwischen erhöhten Lufttemperaturen und Mortalität bei jüngeren Personen statistisch nur schwach ausgeprägt ist. Die besten Ergebnisse wurden auf der Basis von Tagesmittelwerten der Lufttemperatur und bei einer Überschreitung des Schwellenwertes von 21 °C erzielt (vgl. Abbildung 25). Auf der Basis räumlich verteilter Daten würde die Risikoanalyse auch räumliche Variationen des Stadtklimas und demographischer Eigenschaften berücksichtigen können (Scherer et al. 2013). Die größten sogenannten Überschussmortalitäten, welche als hitzebezogene zusätzliche Sterblichkeit (zusätzlich zur Basisrate der Gesamtmortalität) verstanden wird und eine statistisch berechnete Größe darstellt, wurden für die Jahre 2006 und 2010 anhand des hitzeereignisbasierten Risikomodells von Scherer et al. (2013) ermittelt (vgl. Tab. 4). Eine erhöhte Mortalität in den besonders heißen Sommern 2006 und 2010 in Berlin weisen auch die Untersuchungen von Gabriel und Endlicher (2011), Scherber (2014) und Schuster et al. (2014) nach. Fenner et al. untersuchten für den Zeitraum 2001 – 2010 in Berlin, inwieweit sich die klimatischen Bedingungen innerhalb dichter Bebauung von Bedingungen auf Freiflächen und außerhalb des bebauten Stadtgebietes unterscheiden und welchen Effekt diese Bedingungen auf das Mortalitätsrisiko haben. Das Mortalitätsrisiko (Gesamtmortalität) wurde mit dem hitzeereignisbasierten Risikomodell von Scherer et al. (2013) ermittelt, und zur Identifizierung von Hitze wurden die klimatologischen Kenntage „Heißer Tag (Hitzetag)“ (Tagesmaximumtemperatur ≥ 30 °C) und „Tropennacht“ (Tagesminimumtemperatur ≥ 20 °C) berechnet. Während die Anzahl heißer Tage ähnlich an den vier unterschiedlichen Messstationen ist, treten Tropennächte innerhalb der dichten Bebauungsstruktur wesentlich häufiger auf als auf Freiflächen (vgl. Abbildung 26). Die gestrichelten farbigen Linien zeigen den arithmetischen Mittelwert der Jahre 2001–2010 der jeweiligen Station. Die schwarze Schraffur zeigt die Anzahl der Tage, an denen heiße Tage in Kombination mit Tropennächten aufgetreten sind. Stationen: DAHF – Dahlemer Feld, DESS – Dessauer Straße, TGL – Berlin-Tegel, THF – Berlin-Tempelhof. An der Station DAHF gab es im August 2004 Messausfälle. Die Stationen DAHF und DESS sind Teil des Stadtklima-Messnetzes des Fachgebiets Klimatologie, Institut für Ökologie, Technische Universität Berlin. Die Stationen TGL und THF werden vom Deutschen Wetterdienst betrieben Es wird an allen vier Stationen deutlich, dass die Mehrzahl der Tropennächte in Kombination mit heißen Tagen auftritt (Schraffur in Abb. 26). Dies sind die aus bioklimatischer Sicht äußerst problematischen Situationen, an denen die Menschen nicht nur während des Tages starker Hitze im Freien ausgesetzt sind, sondern der Körper auch in den Nachtstunden durch hohe Lufttemperatur belastet sein kann. Die hitzebezogenen zusätzlichen Sterbefälle zeigen für die Messstation Dessauer Straße (dichte Bebauung) und Tempelhof (Freifläche), dass ca. 4-5 % der Sterbefälle im Untersuchungszeitraum statistisch mit Hitzeereignissen in Verbindung gebracht werden können (Fenner et al. 2015). Sterbefälle sind die gravierendste Folge von Umweltwirkungen. So ist anzunehmen, dass bei extremen Umweltbedingungen auch sonst Gesunde in Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden beeinträchtigt werden und Menschen mit krankheitsbedingter mangelhafter Anpassungskapazität schon bei geringeren äußeren Störungen mit einer Zustandsverschlechterung reagieren (Laschewski, 2008). Um angemessene Präventionsmaßnahmen zu etablieren und hitzebedingte Sterbefälle zu vermeiden, sind Untersuchungen zu Auswirkungen von Wärmebelastung bereits auf der Ebene von Gesundheitsindikatoren, wie z.B. Erkrankungs- oder Behandlungsfälle oder physiologische Parameter (z.B. körperliche Aktivität, Lungenfunktion) wichtig. In klinischen Studien an der Charité Berlin (Arbeitsbereich Pneumologische Onkologie) wurde in den Sommern 2011 und 2012 in Berlin untersucht, inwieweit sich Wärmebelastung auf Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) oder mit pulmonal-arterieller Hypertonie (PAH) auswirkt (Jehn et al. 2013, 2014). Dazu wurden Lungenfunktion, der klinische Status und die körperliche Aktivität der Patienten ermittelt und in Abhängigkeit von der Lufttemperatur bzw. der Wärmebelastung ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass Wärmebelastung die Symptome der Patienten verschlechtert, andererseits aber Möglichkeiten bestehen, frühzeitig auf die Verschlechterungen zu reagieren, z.B. durch eine telemedizinische Versorgung der Patienten (Jehn et al. 2013). Eine epidemiologische Studie in Berlin für den Zeitraum 1994-2010 über die Zusammenhänge zwischen Wärme- und Luftbelastungen und Patientenaufnahmen sowie Sterbefällen im Krankenhaus zeigte, dass das relative Risiko für die Mortalität (Sterbefälle) als auch Morbidität (Patientenaufnahmen) ab einer starken Wärmebelastung (UTCImax = 32 °C) zunimmt und vor allem ältere Menschen und chronisch Kranke unter Hitzestress leiden (Scherber 2014). Der Risikoanstieg ist für die Mortalität stärker ausgeprägt als für die Morbidität. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass die Fallzahlen für Patientenaufnahmen um ein vielfaches größer sind als die Sterbefälle. Die Atmungssystemerkrankungen zeigten neben den Herz-Kreislaufsystemerkrankungen und der Gesamtheit aller Erkrankungen die stärksten Wärmebelastungseffekte an. Wärmebelastung wirkt sich auf das Herz-Kreislaufsystem als auch auf das Atmungssystem aus. Das Atmungssystem wird zudem durch zusätzliche Luftschadstoffeffekte und Begleiterkrankungen beansprucht (Michelozzi et al. 2009; Schneider et al. 2011). In der Untersuchung der Luftschadstoffbelastungseffekte wies Feinstaub (PM10) die stärksten Assoziationen auf, vor allem für Patientenaufnahmen und Sterbefälle im Krankenhaus mit der Diagnose Atmungssystemerkrankungen (Scherber 2014). Im Hinblick auf eine klimawandelbedingte Zunahme der Wärmebelastung in Berlin (SenStadtUm 2015a), stellt sich die Frage, wie sich Wärmebelastungseffekte in naher Zukunft auf Patientenaufnahmen und Sterbefälle auswirken könnten. Unter Annahme mittlerer Bevölkerungsprognosen (SenStadtUm/AfS 2012) und Lufttemperatur-Szenarien für das Tagesmaximum (STAR2-Projektionen, 2 K-Szenario, Realisierung 50) bis 2030 konnte für Berlin eine Zunahme der Patientenaufnahmen und Sterbefälle im Krankenhaus für die Sommermonate ermittelt werden (Scherber 2014). Die Zunahme ist für ≥ 65-Jährige und Herz-Kreislauf-Systemerkrankungen am stärksten ausgeprägt (vgl. Tab. 5). Da Großstädte wie Berlin ein innerstädtisches Mosaik hinsichtlich der Stadt-, Bevölkerungs- und Sozialstrukturen aufweisen, können gesundheitliche Auswirkungen der Wärmebelastung ebenso räumlich unterschiedlich ausgeprägt sein. Räumlich epidemiologische Analysen sind daher ein wichtiger Ansatz, um Stadtgebiete mit erhöhten gesundheitlichen Risiken gegenüber Wärmebelastung zu identifizieren, gerade im Hinblick auf die Entwicklung von spezifischen Interventions- und Präventionsstrategien im Gesundheitswesen und auch langfristig für die Berücksichtigung in der Stadtplanung. Daher wurden für Berlin Sterbefälle und Patientenaufnahmen in Assoziation mit Wärmebelastung auch räumlich differenziert untersucht (Gabriel und Endlicher 2011, Scherber et al. 2014, Schuster et al. 2014). Schuster et al. betrachteten die Gesamtmortalität (alle Ursachen) für eine räumliche Analyse hitzebedingter Überschussmortalität auf Ebene der Planungsräume (SenStadt 2009) im Untersuchungszeitraum 2006-2010 für Berlin. Die hitzebedingte Überschussmortalität wurde anhand des Verhältnisses der Gesamtsterblichkeit in den heißen Julimonaten 2006 und 2010 zur Gesamtsterblichkeit in den eher kühlen Julimonaten von 2007-2009 berechnet, welche im Untersuchungszeitraum die niedrigsten Monatsmittel des täglichen Lufttemperaturmaximums aufwiesen (vgl. Abb. 27). Die Überschussmortalität wurde altersstandardisiert berechnet, um Einflüsse unterschiedlicher Altersausprägungen der Bevölkerung in einzelnen Planungsräumen (PLR) auszuschließen. Im Ergebnis zeigt sich eine innerstädtische Variabilität der hitzebedingten Überschussmortalität, ausgedrückt durch das relative Risiko (RR) (vgl. Abbildung 28). Planungsräume mit erhöhtem und bzw. geringerem relativen Risiko waren relativ gleichverteilt über das Stadtgebiet. Ein erhöhtes relatives Risiko (RR > 1) wurde für mehr als zwei Drittel der Planungsräume festgestellt, in welchen insgesamt 2,26 Mio. von 3,35 Mio. Einwohnern (Stand 31.12.2007) wohnen. Ein allgemeiner Mortalitätsgradient vom Zentrum zum Stadtrand, entsprechend dem städtischen Wärmeinseleffekt, war nicht zu beobachten. Planungsräume mit hohem relativem Risiko fanden sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des Innenstadtrings. Planungsräume mit den höchsten relativen Risiken (RR > 4) wurden im Bezirk Neukölln (PLR Rollberg) aber auch in Stadtrandlagen (PLR Döberitzer Weg, PLR Bucher Forst, PLR Schlangenbader Str.) identifiziert (Schuster et al. 2014). Räumliche Ausprägungen von hitzebezogenen Mortalitätsrisiken unter Einbezug aller Diagnosen und Altersgruppen weisen demnach für Berlin keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen verdichteten Stadtgebieten und erhöhten gesundheitlichen Risiken auf. Anders stellt es sich für differenzierte Betrachtungen nach hitzevulnerablen Personengruppen dar. Auf Basis von Postleitzahlgebieten wurden relative Risiken für Patientenaufnahmen und Sterbefälle im Krankenhaus während der Sommermonate im Zeitraum 2000 – 2009 mit räumlich aufgelösten Daten zur Wärmebelastung (SenStadtUm 2010b) korreliert (Scherber 2014). Dabei konnte ein signifikanter schwach positiver Zusammenhang zwischen der mittleren Wärmebelastung und den relativen Risiken für Patientenaufnahmen mit Atmungssystemerkrankungen bei ≥ 65-Jährigen auf Postleitzahlebene (Patientenwohnorte) identifiziert werden (Scherber et al. 2014). Die unterschiedlichen Bevölkerungsanteile der ≥ 65-Jährigen in den Postleitzahlgebieten wurden dabei berücksichtigt. Da Atmungssystemerkrankungen und ein Alter über 65 Jahre zu den Risikofaktoren gegenüber Wärmebelastung zählen, sind diese Gruppen besonders relevant. Bei der Suche nach räumlichen Häufungen (Clustern) erhöhter relativer Risiken (als Risikorate) für Patientenaufnahmen mit Atmungssystemerkrankungen bei ≥ 65-Jährigen konnten fünf signifikante Cluster identifiziert werden (vgl. Abb. 29). Folgende Patientenwohnorte weisen innerhalb dieser Cluster die höchsten relativen Risiken (RR > 1,5) auf: die Ortsteile Gesundbrunnen, Mitte, Moabit, Tiergarten und Wedding im Bezirk Mitte und der Ortsteil Neukölln im Bezirk Neukölln. Diese Stadtgebiete weisen zugleich hohe Bebauungsdichten und starke Wärmebelastungen im Sommer bei gleichzeitig gesundheitlich nachteiligen sozioökonomischen Bedingungen auf (SenGUV 2011, SenStadtUm 2015d).

Heat-related mortality in Germany from 1992 to 2021

Background: 2018-2020 were unusually warm years in Germany, and the summer of 2018 was the second warmest summer since record-keeping began in 1881. Higher temperatures regularly lead to increased mortality, particularly among the elderly. Methods: We used weekly data on all-cause mortality and mean temperature from the period 1992-2021 and estimated the number of heat-related deaths in all of Germany, and in the northern, central, and southern regions of Germany, employing a generalized additive model (GAM). To characterize long-term trends, we compared the effect of heat on mortality over the decades. Results: Our estimate reveals that the unusually high summer temperatures in Germany between 2018 and 2020 led to a statistically significant number of deaths in all three years. There were approximately 8700 heat-related deaths in 2018, 6900 in 2019, and 3700 in 2020. There was no statistically significant heat-related increase in deaths in 2021. A comparison of the past three decades reveals a slight overall decline in the effect of high temperatures on mortality. Conclusion: Although evidence suggests that there has been some adaptation to heat over the years, the data from 2018-2020 in particular show that heat events remain a significant threat to human health in Germany. © Authors

Gesundheitsrisiko Hitze: Mitteldeutschland ohne Aktionspläne

Die durchschnittliche Zahl der Hitzetoten in Deutschland ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Mit sogenannten Hitze-Aktionsplänen sollen Länder und Kommunen gegensteuern. Das ist seit Jahren klar â€Ì doch passiert ist bisher wenig. Quelle: https://www.mdr.de/

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