Spezialisten unter extremen Lebensumständen Viele Flechten sind an extreme Umweltbedingungen angepasst. Orte, an denen die meisten Pflanzen und Pilze allein wegen fehlender Nährstoffe oder häufiger Austrocknung nicht existieren könnten, bieten noch Lebensräume für Flechten. Einige Arten sind so kältetolerant, dass sie selbst nackten Fels in der nivalen Höhenstufe der Gebirge besiedeln können. An vielen dieser unwirtlichen Standorte haben Flechten keine Konkurrenz. Flechtenvielfalt und Luftqualität Viele Flechtenarten reagieren empfindlich auf Veränderungen der Luftqualität. Im 20. Jahrhundert gingen die Bestände einiger Flechtenarten aufgrund des hohen Schwefeldioxidgehalts der Luft zurück. Durch die Minderung von Emissionen breitete sich ein Teil der Arten später wieder aus, andere haben sich von den Bestandseinbußen noch nicht erholt. Aktuell setzen besonders die hohen Stickstoffeinträge aus Industrie und Landwirtschaft den Flechten zu. Wie geht es den Flechten? Für die Rote Liste der Flechten Deutschlands aus dem Jahr 2011 wurden 1.946 etablierte Flechtenarten, -unterarten und -varietäten bewertet. Es wurden 714, also rund 37 % aller aus Deutschland bekannten Flechten-Taxa (Arten, Unterarten, Varietäten) als bestandsgefährdet eingestuft, weitere 152 sind bereits ausgestorben oder gelten als verschollen. Wie bedenklich die Situation der Flechten insgesamt ist, wird anhand des Anteils ungefährdeter Taxa deutlich: Für nur etwa ein Viertel der in Deutschland vorkommenden Taxa wird eine Gefährdung sicher ausgeschlossen. Eine Aktualisierung der Roten Liste ist derzeit in Arbeit, eine überarbeitete Referenzliste („Checkliste“) mit mehr als 2.000 Taxa wurde bereits in der Fachzeitschrift Herzogia veröffentlicht. Viele Pilzarten wachsen nur auf ganz bestimmten Substraten oder Wirten. Einige von ihnen haben sich auf Flechten spezialisiert und werden daher als lichenicol oder flechtenbewohnend bezeichnet. Da Funddaten dieser Arten traditionell eher von Flechten- als von Pilzexperten erhoben werden, wird die Gefährdung der flechtenbewohnenden Pilze gemeinsam in einer Roten Liste mit den Flechten bewertet. Für etwa die Hälfte der Arten reichen aktuell die Daten und Kenntnisse noch nicht aus, um die Gefährdung zu beurteilen. 40 Arten werden in der aktuellen Roten Liste als bestandsgefährdet, weitere 16 als ausgestorben oder verschollen angesehen. 80 Arten sind in Deutschland extrem selten, bei 75 Arten ist von ungefährdeten Beständen auszugehen. Flechtenähnliche Pilze werden traditionell von der Lichenologie mitbearbeitet und sind deshalb in dieser Roten Liste enthalten. Von ihnen sind 7 Arten ausgestorben oder bestandsgefährdet, für 66 % reicht die Datenlage nicht für eine Einstufung aus. Aktuelle Rote Liste und Datenportal Wirth, V.; Hauck, M.; Brackel, W. von; Cezanne, R.; Bruyn, U. de; Dürhammer, O.; Eichler, M.; Gnüchtel, A.; John, V.; Litterski, B.; Otte, V.; Schiefelbein, U.; Scholz, P.; Schultz, M.; Stordeur, R.; Feuerer, T. & Heinrich, D. (2011): Rote Liste und Artenverzeichnis der Flechten und flechtenbewohnenden Pilze Deutschlands. – In: Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 6: Pilze (Teil 2) – Flechten und Myxomyzeten. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (6): 7–122. Die Rote-Liste-Daten sind auch als Download verfügbar. Im Datenportal Flechten Deutschlands stehen darüber hinaus Beobachtungsdaten, Kartier-/Artenlisten und Verbreitungskarten zur Verfügung. Eine überarbeitete Checkliste (Stand März 2023) ist bei der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e. V. als Download verfügbar. Artportraits Isländisches Moos ( Cetraria islandica ) Raue Braunschüsselflechte ( Melanohalea exasperata )
Das Projekt "Vergleichend-chorologische Untersuchungen ausgewählter Flechtengattungen" wird vom Umweltbundesamt gefördert und von Universität Greifswald, Botanisches Institut und Botanischer Garten durchgeführt. Die Kenntnis der Areale und anthropogener Arealdynamik besitzt einen hohen Stellenwert bei der Bewertung der Biodiversität. Chorologische Untersuchungen liefern Hinweise für die Interpretation des ökologischen Verhaltens und des bioindikatorischen Wertes der jeweiligen Art, außerdem ist die Evaluierung der Schutzwürdigkeit der Flechtenarten nur aufgrund des Bestandes im Gesamtareal möglich. Auch evolutionsrelevante Erkenntnisse können durch chorologische Untersuchungen gewonnen werden. Für die in Europa auftretenden Flechtenarten ausgewählter Gattungen der Lecanorales (Cladonia, Collema, Melanelia, Physconia)und Peltigerales (Nephroma) soll ein Überblick über die Gesamtverbreitung erarbeitet werden. Schwerpunkt der Arbeiten soll die Erstellung von Gesamtverbreitungskarten unter Zuhilfenahme eines GIS und die Abteilung von Arealdiagnosen sein. Auf dieser Grundlage sollen Arealtypen unterschieden werden. Die ausgewählten Gattungen unterschiedlicher taxonomischer Stellung mit ökologisch verschiedenen Arten gewährleisten eine Vielzahl von möglichen Typen. Der Einfluss von thermischen und hygrischen Faktoren sowie von Standortsfakten und anthropogener Beeinflussung soll anhand der Arealbilder herausgearbeitet und diskutiert werden. Außerdem sollen die Zusammenhänge der Arealbildung und -differenzierung innerhalb der Gattungen aufgezeigt werden. Das Projekt erfolgt mit Unterstützung ausländischer Lichenologen, die auf systematischem oder biogeographischem Gebiet tätig sind.
Das Projekt "Bryogeographische und mikrooekologische Untersuchungen in den Tessiner Alpen" wird vom Umweltbundesamt gefördert und von Schweizerische Vereinigung für Bryologie und Lichenologie durchgeführt. In einem 1 km2 grossen Untersuchungsgebiet im Val Piora werden an zufaellig ermittelten Rasterpunkten auf einer Flaeche von jeweils 100 m2 alle Moose mit ihren Kleinstandorten nach einem standardisierten Verfahren aufgenommen. Die erhobenen Daten lassen Rueckschluesse zu auf: - Zusammenhaenge zwischen Kleinstandorten, Artenbestand an Moosen und grossraeumig wirkenden Faktoren,- oekologische Ansprueche einzelner Arten in bezug auf ihren Kleinstandort,- Zusammenhaenge zwischen topographischer Kleinstruktur einer Aufnahmeflaeche und ihrer Artenvielfalt,- Zusammenhaenge zwischen phaenotypischer Variabilitaet einzelner Arten und ihren Kleinstandorten.Genaue Kenntnis der kleinstandoertlichen Ansprueche einzelner Arten liefern Grundlagen fuer die Ausarbeitung von Schutzkonzepten fuer Moose.
Das Projekt "Die epiphytischen Flechten des Gurnigel-Gantrischgebietes" wird vom Umweltbundesamt gefördert und von Universität Bern, Systematisch-Geobotanisches Institut durchgeführt. Versuch einer quantitativen Qualifizierung eines voralpinen Gebirgswaldes anhand von Flechten. Bestandesaufnahme der Flechtenflora des Gurnigel-Gantrischgebietes; diese wird in bezug gesetzt zu frueheren (bruchstueckhaften) Flechteninventaren des Gebietes. Pflanzensoziologische Beschreibung einiger (autochtoner) Waldgesellschaften des vorerwaehnten Gebietes.Grundlagenforschung in Lichenologie (Flechtenkunde). Diese Untersuchungen koennen als Hilfe zur Beurteilung der Umweltqualitaet verwendet werden.