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PFAS-haltige Pestizide in der Landwirtschaft

<p>PFAS-haltige Pestizide in der Landwirtschaft</p><p>PFAS-haltige Pestizide, die in der Landwirtschaft großflächig eingesetzt werden, rücken vermehrt in den Fokus. Trotz wirksamer Schädlingsabwehr haben sie negative Folgen für Umwelt und Gesundheit, etwa durch das stabile Abbauprodukt Trifluoracetat (TFA), das sich in Gewässern anreichert und kaum entfernbar ist. Die Regulierung dieser Stoffe kann lange dauern, wie am Wirkstoff Flufenacet zu sehen.</p><p>Ob Weizen oder Kartoffeln, landwirtschaftliche ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/p?tag=Pestizide#alphabar">Pestizide</a>⁠ – auch ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/p?tag=Pflanzenschutzmittel#alphabar">Pflanzenschutzmittel</a>⁠ genannt – schützen die Ernte vor Pilzbefall, unerwünschten Beikräutern und weiteren Schädlingen und Krankheiten. Da etwa die Hälfte Deutschlands aus Ackerland besteht, werden diese Chemikalien großflächig in unsere Umwelt eingebracht. Dort können sie sich im Boden anlagern, über Regen und Versickerung in Flüsse und Grundwasser gelangen sowie über die Nahrungskette in Organismen anreichern. Doch ihre Wirkung bleibt nicht auf Schadorganismen beschränkt: Auch sogenannte Nichtzielorganismen werden gefährdet, was die biologische Vielfalt beeinträchtigt.</p><p>⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/p?tag=PFAS#alphabar">PFAS</a>⁠-haltige Pestizide sind solche, die Wirkstoffe mit einer C-CF2 oder C-CF3-Gruppe im Molekül besitzen. Die Bausteine werden eingesetzt, um die Anwendungseigenschaften und Wirksamkeit von Pestiziden zu verbessern. Sie sind wasser- und fettlöslich und erleichtern dadurch den Transport der Wirkstoffe innerhalb der Pflanze. Ebenso trägt die Langlebigkeit der PFAS dazu bei, dass die Mittel länger wirksam bleiben und in geringerer Menge angewendet werden müssen. Dies hat mutmaßlich dazu geführt, dass der Anteil an fluorierten Stoffen unter den Pestiziden stark zugenommen hat und zu einer besseren Schädlingsbekämpfung und höheren Produktivität beitrug. Doch die Konsequenzen für Umwelt und Gesundheit rücken zunehmend in den Fokus: Dazu gehören schädliche Auswirkungen auf Nichtzielorganismen, wie Beeinträchtigungen des Hormonsystems, der Fruchtbarkeit und des Immunsystems. Dennoch ist das Wissen über die Auswirkungen in komplexen Ökosystemen noch begrenzt.</p><p>Der Blick auf Deutschland zeigt: Von den 278 hier zugelassenen Wirkstoffen enthalten drei Wirkstoffe eine C-CF2-Gruppe und 29 eine C-CF3-Gruppe. Damit sind 11,5 Prozent der auf dem deutschen Markt zugelassenen Wirkstoffe PFAS. Während bei den Substanzen mit C-CF2-Gruppe der jeweilige Wirkstoff oft selbst langlebig ist, kann sich bei Wirkstoffen mit C-CF3-Gruppe als finales Abbauprodukt das persistente Trifluoracetat (TFA) bilden.</p><p>Lange galt TFA als toxikologisch unauffällig, bis der ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/s?tag=Stoff#alphabar">Stoff</a>⁠ durch neue Erkenntnisse Anfang 2024 als fortpflanzungsgefährdend bewertet wurde. Doch auch darüber hinaus ist TFA kritisch für die Umwelt, wie ausführlicher im<a href="https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/chemikalieneintrag-in-gewaesser-vermindern">TFA-Hintergrundpapier</a>sowie im<a href="https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/trifluoracetat-tfa-grundlagen-fuer-eine-effektive">Abschlussbericht eines TFA-Gutachtens zur räumlichen Analyse</a>dargestellt. TFA bildet sich aus einer Vielzahl an fluorierten Substanzen – nicht nur aus Pestiziden, sondern auch aus Kältemitteln von Klimaanlagen, Arzneimitteln oder industriellen Prozessen. Der Stoff ist einer der stabilsten organischen Verbindungen und baut sich in der Umwelt nicht weiter ab. Da er extrem wasserlöslich ist, verbreitet er sich über Versickerung und Oberflächenabfluss von landwirtschaftlichen Flächen schnell über den Wasserkreislauf. Über industrielle Abwässer wird TFA in die Flüsse geleitet, während sich TFA durch den Abbau fluorierter Gase weit in der ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/a?tag=Atmosphre#alphabar">Atmosphäre</a>⁠ verteilt – und über Niederschläge wieder auf die Erde gelangt. Es gibt praktisch keine Methoden, die Substanz wieder aus der Umwelt zu entfernen, wodurch sich TFA immer weiter anreichert.</p><p>Bereits heute ist TFA überall zu finden: im Ozean, in Flüssen, Seen, Grundwasser, Böden, Feldfrüchten, Tee, Bier und Leitungswasser. Eine<a href="https://gis.uba.de/maps/resources/apps/TFA-Herkunft-und-Belastungen/index.html?lang=de">interaktive TFA-Karte</a>zeigt die Konzentrationen in Gewässern: Dabei sind im Oberflächengewässerbereich vor allem Hot Spots entlang der Flüsse zu sehen, während die Belastung im Grundwasser flächenhafter verteilt ist. Letztere ist durch den flächenhaften Eintrag landwirtschaftlicher Pestizide zu erklären.</p><p>TFA tauchte in der Pflanzenschutzmittelbewertung erstmals als Abbauprodukt der Wirkstoffe Flurtamone und Flufenacet auf. Es zeigte sich, dass für diesen Metaboliten kein Abbau im Labor nachgewiesen werden konnte und gleichzeitig hohe Einträge ins Grundwasser modelliert wurden – wodurch sich Herausforderungen für den Grund- und Trinkwasserschutz ergeben. In einigen Gebieten arbeiten Wasserversorger und Landwirtschaft zusammen, um den Eintrag von TFA ins Grundwasser durch Pflanzenschutzmittel zu vermindern.</p><p>Nach einem langjährigen Wiedergenehmigungsprozess erhielt Flufenacet im Frühjahr 2025 keine erneute Genehmigung. Ausschlaggebend waren neu nachgewiesene hormonschädigende Eigenschaften des Wirkstoffs sowie neue Erkenntnisse zu den reprotoxischen Eigenschaften seines Abbauprodukts TFA. Obwohl der Wirkstoff bereits 2004 als Substitutionskandidat eingestuft wurde – und damit als besonders bedenklich für die Umwelt und/oder menschliche Gesundheit gilt und nach sieben Jahren erneut überprüft werden muss – sind seit der letzten Prüfung 22 Jahre vergangen. Unter den potentiell TFA-bildenden Wirkstoffen verzeichnete Flufenacet die höchsten Absatzzahlen und den höchsten Zuwachs – mit einem Absatzanstieg von 85 Prozent zwischen 2008 und 2023.</p><p>Doch auch weitere Wirkstoffe haben das Potenzial, große Mengen TFA freizusetzen, darunter Diflufenican, Fluazinam und Fluopyram. Nicht für alle Wirkstoffe mit C-CF3-Gruppe konnte die Bildung von TFA im Labor nachgewiesen werden. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass TFA nicht gebildet wird. Sein Nachweis ist mit bisherigen Methoden nicht immer möglich. Es braucht ein angepasstes Studiendesign, um TFA tatsächlich messen zu können.</p><p>Gemäß eines<a href="https://www.umweltbundesamt.de/themen/pfas-sollen-eu-weit-beschraenkt-werden">PFAS-Beschränkungsvorschlag</a>auf EU-Ebene soll ein Großteil der PFAS aus der Herstellung und Verwendung genommen werden – und nur noch dort zum Einsatz kommen, wo die nützlichen Eigenschaften der Stoffe die Nachteile für Mensch und Umwelt überwiegen, beispielsweise in medizinischen Produkten. Pestizide sind von diesem Beschränkungsvorschlag ausgenommen, da sie tendenziell über die Pflanzenschutzmittelverordnung (Verordnung (EG) 1107/2009) reguliert werden können.</p><p>Aktuell sieht die Verordnung jedoch nicht direkt vor, Pestizide aufgrund ihrer Eigenschaft als PFAS oder ihrer hohen ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/p?tag=Persistenz#alphabar">Persistenz</a>⁠ zu regulieren. National können solche Regelungen durchaus etabliert werden. Ein Blick nach Dänemark zeigt, dass dort keine Zulassungen für Pflanzenschutzmittel mit sehr beständigen Wirkstoffen (mit Halbwertszeiten von mehr als 180 Tagen) erteilt werden.</p>

Pestizidzulassungen hebeln Umweltschutz aus

<p>Pestizidzulassungen hebeln Umweltschutz aus</p><p>Nach geltender Rechtslage bekommen in Deutschland Pestizide Zulassungen, obwohl sie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen der Umwelt schaden. Den deutschen Behörden ist es derzeit nicht möglich, die Umwelt effektiv vor schädlichen Pestiziden zu schützen. Das sollte europarechtlich neu geregelt werden.</p><p><p>Update vom 30.04.2025:Die im Artikel beispielhaft genannten Wirkstoffe S-Metolachlor und Flufenacet wurden auf der EU-Ebene nicht wiedergenehmigt. Die Zulassungen für S-Metolachlor-haltige Mittel in Deutschland hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (<a href="https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fachmeldungen/04_pflanzenschutzmittel/2024/2024_01_22_Fa_Widerruf_S-Metolachlor.html">BVL</a>) zum 23. April 2024 widerrufen. Auch die Zulassungen für Flufenacet-haltige Produkte in Deutschland werden voraussichtlich in 2026 auslaufen. Über die genauen Abverkauf- und Aufbrauchfristen wird das BVL demnächst informieren.</p></p><p>Update vom 30.04.2025:Die im Artikel beispielhaft genannten Wirkstoffe S-Metolachlor und Flufenacet wurden auf der EU-Ebene nicht wiedergenehmigt. Die Zulassungen für S-Metolachlor-haltige Mittel in Deutschland hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (<a href="https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fachmeldungen/04_pflanzenschutzmittel/2024/2024_01_22_Fa_Widerruf_S-Metolachlor.html">BVL</a>) zum 23. April 2024 widerrufen. Auch die Zulassungen für Flufenacet-haltige Produkte in Deutschland werden voraussichtlich in 2026 auslaufen. Über die genauen Abverkauf- und Aufbrauchfristen wird das BVL demnächst informieren.</p><p>Landwirtschaftlich genutzte ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/p?tag=Pestizide#alphabar">Pestizide</a>⁠ – umgangssprachlich ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/p?tag=Pflanzenschutzmittel#alphabar">Pflanzenschutzmittel</a>⁠ (PSM) - müssen in jedem Land der EU zugelassen sein, in dem sie vermarktet werden sollen. Wenn Pestizidhersteller eine Zulassung in mehreren EU-Ländern benötigen, können sie einen Staat auswählen, der das Mittel dann auf seine Wirksamkeit und seine Risiken für Umwelt und Gesundheit prüft. Diese Bewertung kann das Unternehmen dann in weiteren Staaten der EU einreichen. Diese müssen das Mittel ebenfalls zulassen, sofern keine landesspezifischen Gründe, wie bestimmte Landschafts- oder Klimabedingungen oder landwirtschaftliche Besonderheiten dagegensprechen. Die EU-Pflanzenschutzmittelverordnung ermöglicht es allerdings, den Rahmen dafür so eng auszulegen, dass praktisch keine Abweichung in der Zulassungsentscheidung möglich ist, auch wenn es handfeste fachliche Argumente dafür gibt. Laut aktueller Rechtsprechung in Deutschland läuft eine eigene nationale Bewertung, auch wenn sie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, dem Ziel eines harmonisierten Binnenmarktes für Pflanzenschutzmittel zuwider. Die deutschen Behörden seien deshalb an das Fachurteil des erstbewertenden Mitgliedstaates gebunden – auch dann, wenn dieser erkennbar gegen Bewertungsleitlinien verstoßen habe oder seine Bewertung aus heutiger Sicht fehlerhaft sei.</p><p>In mehreren Fällen wurde die Zulassung trotz hoher Risiken erteilt</p><p>In Deutschland hat das Umweltbundesamt (⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/u?tag=UBA#alphabar">UBA</a>⁠) die Aufgabe, die Umweltrisiken von Pestiziden zu bewerten. Für einige kürzlich beantragte Pflanzenschutzmittel stuft das UBA die Umweltrisiken so hoch ein, dass sie nach fachlichen Kriterien nicht oder nur mit strengen Auflagen zulassungsfähig wären. Dennoch konnten die Herstellerfirmen die Zulassungen für Deutschland ohne solche Auflagen vor Gericht durchsetzen.</p><p>Beim Zerfall des Unkrautvernichters Flufenacet etwa entsteht Trifluoracetat (TFA) – ein ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/s?tag=Stoff#alphabar">Stoff</a>⁠, der sich nicht abbaut und schnell im gesamten Wasserkreislauf verteilt, wiewohl er bis jetzt toxikologisch unauffällig ist. Das Maisherbizid S-Metolachlor baut im Boden zu mehreren Stoffen ab, von denen einer sogar noch eine ähnliche Wirksamkeit besitzt wie der Wirkstoff selbst. Für beide Fälle hat das UBA ein hohes Eintragspotenzial in das Grundwasser nachgewiesen und bereits erhöhte Konzentrationen in vielen Grundwasserkörpern deutschlandweit festgestellt. Dennoch durften die deutschen Behörden nicht regulierend eingreifen: Sowohl eine Verweigerung der Zulassung als auch Maßnahmen zur Eintragsminderung wurden für unzulässig erklärt. Demnach hätte das UBA sich der Entscheidung des erstbewertenden Staats anschließen sollen, die allerdings nicht dem aktuellen Wissensstand entspricht und nicht die spezielle Belastungssituation in Deutschland berücksichtigt.</p><p>In Deutschland schlagen Wasserversorger Alarm, denn die Abbauprodukte der oben genannten Stoffe überschreiten bereits jetzt die Schwellenwerte im Rohwasser und beeinträchtigen dessen Vermarktbarkeit. Die derzeitigen Zulassungsbedingungen für Flufenacet und S-Metolachlor stellen daher den hohen nationalen Schutzstandard für das Grundwasser infrage und können zu einer Verschlechterung der Grundwasserqualität insgesamt führen – auch mit Blick auf andere Stoffe. Der Konflikt um die landwirtschaftliche Nutzung von Trinkwassereinzugsgebieten wird verschärft, wenn der sachgemäße Einsatz von Pestiziden zu enormen Grund- und Trinkwasserbelastungen führt.</p><p>Ein anderer Fall: Für Pestizidanwendungen mit dem Wirkstoff Fluazinam errechnete das UBA so hohe Wirkstoffgehalte im Boden, dass schädliche Effekte auf Regenwürmer zu erwarten waren. In die Berechnung bezog das UBA Studien ein, die die Regenwurmpopulationen direkt auf dem Acker untersuchten und einen starken Effekt durch die Anwendung der Mittel zeigten. Da diese Pilzmittel aber in anderen Mitgliedstaaten ohne Berücksichtigung dieser Studien zugelassen worden waren, musste die Zulassung auch in Deutschland erteilt werden. Regenwürmer werden stellvertretend für alle Bodenorganismen bewertet. Diese spielen eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. Ihr Schutz liegt daher auch stark im Interesse der Landwirtschaft. Die Agrarbetriebe können nun nicht mehr davon ausgehen, dass zugelassene Mittel unschädlich für ihre Böden sind.</p><p>Deutschland ist immer weniger an wissenschaftlicher Bewertung beteiligt</p><p>Die Herstellerfirmen können selbst auswählen, in welchem Staat sie ihr Produkt zur erstmaligen Bewertung und Zulassung einreichen. Dadurch können sie ihre Zulassungsanträge gezielt in solchen EU-Staaten einreichen, die in ihren Bewertungen einen niedrigeren Schutzstandard ansetzen als Deutschland. Da alle anderen EU-Staaten an die Schlussfolgerung aus dieser Bewertung gebunden sind, setzt sich in Europa nach und nach der niedrigste Standard durch. Dass die Herstellerfirmen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, zeigt sich deutlich: Während 2011–2013 noch 46&nbsp;Prozent aller Zulassungen in Deutschland bewertet wurden, waren es in den Jahren 2019/2020 nur noch 9 Prozent. Damit können bei über 90 Prozent aller Zulassungen in Deutschland die deutschen Behörden nicht mehr eigenständig über Bewertung und Zulassung entscheiden.</p><p>Die Behörden der EU-Länder sind sehr unterschiedlich ausgestattet</p><p>Die Arbeitsteilung im Zulassungsverfahren zielt darauf ab, gleich hohe Schutzstandards in der gesamten EU zu haben und den Aufwand für alle zu reduzieren. Praktisch sind die Behörden der einzelnen Staaten aber sehr unterschiedlich aufgestellt, was Personal und Arbeitsroutinen angeht. Manche Staaten entscheiden sich, nur die Daten und Studien zu verwenden, die zum Zeitpunkt der letzten Wirkstoffgenehmigung vorlagen – auch wenn zwischenzeitlich neue Erkenntnisse gewonnen wurden, die deutlich höhere Risiken anzeigen. Als Basis für die Produktzulassungen in den Ländern wird jeder Wirkstoff alle 7 bis 15 Jahre auf EU-Ebene überprüft. Die Wiedergenehmigungsverfahren auf EU-Ebene werden allerdings oft über Jahre verzögert: Wenn das geschieht, wird die Genehmigung über die gesetzlichen Fristen hinaus immer wieder verlängert. Dadurch können neue Daten und Erkenntnisse mitunter schon jahrelang vorliegen, werden aber von vielen Mitgliedstaaten trotzdem nicht verwendet – obwohl die Pflanzenschutzmittelverordnung klar vorsieht, dass der prüfende Mitgliedstaat eine Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik vorzunehmen hat. Der bereits genannte Wirkstoff Flufenacet beispielsweise wurde zuletzt 2004 genehmigt. Bis heute ist die Neuprüfung nicht formal abgeschlossen und wird frühestens 2024 erwartet. Viele Zulassungen Flufenacet-haltiger Mittel basieren dadurch auf einem Wissensstand von vor 20 Jahren. Die Gerichtsurteile untersagen dennoch die Verwendung neuerer Erkenntnisse, wenn sie nicht vom erstbewertenden Mitgliedstaat verwendet wurden.</p><p>Das UBA bewertet die Risiken von Pestiziden nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik, so wie es auch in der Pflanzenschutzmittelverordnung vorgesehen ist. Dies bedeutet, dass alle relevanten Daten und Erkenntnisse in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. In Deutschland gemessene Pestizidrückstände im Grundwasser bilden eine wertvolle Datenbasis, um die Risiken dieser Pestizide zu beziffern. Dass sowohl neue Studien, als auch Messdaten aus Deutschland laut der Gerichtsurteile nicht genutzt werden dürfen, wenn ein Produkt schon in einem anderen Staat zugelassen worden war, ist problematisch, denn es steht im Widerspruch zu dem wissenschaftlichen Anspruch einer Risikobewertung.</p><p>Keine Bewertungsmethode – keine Risiken</p><p>Oft werden neue Bewertungsleitlinien in der EU mit zeitlicher Verzögerung erarbeitet, nachdem entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse schon länger vorliegen. Und auch die anschließende Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten ist langwierig. Es dauert im Regelfall viele Jahre, bis ein neuer Leitfaden gültig wird. Der aktuellen Rechtsprechung nach können neue wissenschaftliche Erkenntnisse aber erst dann für die Risikobewertung verwendet werden, wenn eine EU-anerkannte Bewertungsmethode vorliegt. Das UBA hat auf diese Bewertungslücke in Bezug auf die biologische Vielfalt schon länger hingewiesen. Die großflächige Anwendung von z. B. Unkrautvernichtungsmitteln führt zu einem deutlichen Rückgang der Pflanzen in der Agrarlandschaft. Dies führt wiederum zu einem Rückgang von Insekten, was letztlich Vögel wie die Feldlerche gefährdet, die diese Insekten fressen. Es gibt noch immer keine abgestimmte Bewertungsmethode für Auswirkungen auf das Nahrungsnetz – und das, obwohl das europäische Pflanzenschutzmittelrecht sogar ausdrücklich vorschreibt, dass Auswirkungen auf das Nahrungsnetz und die ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/b?tag=Biodiversitt#alphabar">Biodiversität</a>⁠ bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln betrachtet werden sollen. Deshalb kann das UBA seinem Auftrag, der umfassenden Umweltbewertung von Pestiziden, derzeit nicht nachkommen.</p><p>Zulassungspraxis widerspricht Nachhaltigkeitsstrategien</p><p>Mit dem „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“, der Farm-to-Fork-Strategie und der Zero Pollution Ambition der EU-Kommission sowie weiteren Programmen wurde der gesetzliche und politische Auftrag formuliert, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und deren Risiken für Mensch und Umwelt zu verringern. Dennoch drohen derzeit mehr gefährliche Pestizide auf den Markt und in die Umwelt zu gelangen. Dies stellt einen Rückschlag für die Vereinbarkeit von Landwirtschaft und Umweltschutz dar. Die in der Pflanzenschutzmittelverordnung und im deutschen Pflanzenschutzgesetz festgeschriebenen Ziele zum Schutz der Umwelt können so nicht erreicht werden.</p><p>Aus Sicht des UBA können die dargestellten Problemfelder nur auf europäischer Ebene geregelt werden. Die EU-Pflanzenschutzmittelverordnung muss so umgesetzt werden, dass das Schutzniveau steigt anstatt zu sinken. Ein großer Schritt wäre getan, wenn alle Wirkstoffe in ihrer vorgegebenen Frist neu geprüft und genehmigt würden und damit ein relativ aktueller Stand verpflichtend für die Zulassung von Produkten wäre. Zulassungsanträge sollten außerdem zukünftig von unabhängiger Stelle auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. Auf europäischer Ebene muss geklärt werden, in welchem Maße es den Mitgliedstaaten möglich ist, in ihrer nationalen Zulassung auf besonders empfindliche Ökosysteme und nachgewiesene Vorbelastungen einzugehen. Auch sollte auf EU-Ebene entschieden werden, ob die Mitgliedstaaten die Anwendung der jeweiligen Produkte an Maßnahmen der Risikominderung binden können, wenn dies fachlich notwendig ist. Nicht zuletzt sind bestehende Bewertungslücken, wie Auswirkungen auf das Nahrungsnetz und die Biodiversität, zu schließen. Die Bundesregierung hat dieses Ziel in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Die vom UBA entwickelte Bewertungsmethode für Effekte auf die Biodiversität soll nun auf europäischer Ebene diskutiert und verankert werden.</p>

Rechtsvorschriften

Verordnung (EG) 1107/2009 Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln Richtlinie 2009/128/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden Verordnung (EU) 2017/625 Kontrollverordnung(Verordnung (EU) 2017/625 Kontrollverordnung) Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz – PflSchG) Verordnung über Anwendungsverbote für Pflanzenschutzmittel (Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung) Verordnung über die Anwendung bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel (Bienenschutzverordnung) Verordnung über Zulassungs- und Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel (Pflanzenschutzmittelverordnung – PflSchMV) Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung (PflSchSachkV 2013) Verordnung über die Prüfung von Pflanzenschutzgeräten (Pflanzenschutz-Geräteverordnung – PflSchgerätV) Pflanzenschutzgebührenordnung Für die Pflanzengesundheitskontrolle relevante Rechtsvorschriften werden vom Julius Kühn Institut (JKI) zur Verfügung gestellt. Julius Kühn Institut – Themenportal Pflanzengesundheit phytosanitäre Rechtsgrundlagen für Deutschland phytosanitäre Rechtsgrundlagen für die gesamte EU phytosanitäre Rechtsvorschriften von Drittländern Zugang zum EPPO-Portal über das Themenportal Pflanzengesundheit Zugang zum IPPC-Portal über das Themenportal Pflanzengesundheit

Verständnis des Begriffs "vernachlässigbare Exposition" in der internationalen Wissenschaft, Politik und Gesetzgebung sowie Definition des Begriffs in Bezug auf die Exposition von endokrinen Substanzen in der Umwelt

Dieses Gutachten zielt darauf ab, den Begriff „vernachlässigbare Exposition“ gegenüber endokrinen Disruptoren im Zusammenhang mit den europäischen Pflanzenschutzmittelverordnungen zu klären. Es wurde eine gründliche Recherche der wissenschaftlichen, politischen und rechtlichen Literatur durchgeführt. Sie resultierte in 3.087 zwischen 2010 und 2023 veröffentlichten Publikationen, von denen sich 204 überwiegend auf die Verwendung und das Verständnis des Begriffs in den Bereichen Umwelt und menschliche Gesundheit konzentrierten. Definitionen des Begriffs „vernachlässigbare Exposition“ wurden aus einer Untergruppe von 49 Veröffentlichungen zu (chemischen) Stoffen in der Umwelt extrahiert. Die Ergebnisse wurden nach narrativen, qualitativen und quantitativen Definitionen des Begriffs gruppiert. Narrative Definitionen umschrieben „vernachlässigbar“ als nicht signifikant, unwichtig, ohne Bedeutung oder nicht bedenkenswert. Qualitative und quantitative Definitionen waren komplizierter und kontextabhängig und definierten vernachlässigbare Konzentrationen/Expositionen/Auswirkungen anhand von niedrigen Werten, Werten unterhalb der Nachweisgrenze und Vergleichswerten wie einer Kontrolle, einem Benchmark oder einem gesetzlichen Schwellenwert. Aus diesen Erkenntnissen wurde eine Definition der „vernachlässigbaren Exposition von endokrin aktiven Substanzen“ abgeleitet, die von den Ergebnissen der Identifizierung und Umweltrisikobewertung dieser Stoffe und deren Unsicherheiten abhängt. Eine quantitative Definition kann auf die Exposition endokrin aktiver Stoffe gegenüber Arten angewandt werden, bei denen die Wirkungsweise bekannt ist und Testmethoden zur Verfügung stehen, die ein akzeptables Maß an Unsicherheit zulassen (risikobasierter Ansatz). Bei größerer Ungewissheit ist eine Definition angemessener, die darauf abzielt zu verhindern, dass endokrin wirksame Stoffe in die Umwelt gelangen, indem ihre Verwendung auf geschlossene Systeme beschränkt wird (gefahrenbasierter Ansatz).

Marktanalyse zu Import, Qualität und Verwendung in Deutschland von in der Europäischen Union gebeiztem Saatgut

In Deutschland darf aus der EU importiertes gebeiztes Saatgut ausgebracht werden, selbst wenn es mit Pflanzenschutzmitteln behandelt ist, welche keine Zulassung in Deutschland besitzen. Aus diesem möglichen Defizit im EU Recht, welches zum Zeitpunkt der Verhandlungen zur Pflanzenschutzmittel Verordnung nicht abschätzbar war, ergibt sich eine Lücke in der aktuellen Umweltrisikobewertung und Risikominimierung von Saatgutbeizen: Es ist weder möglich, die spezifischen Risiken für die Umwelt durch die Ausbringung von gebeiztem Saatgut in Deutschland abzuschätzen, noch geeignete Risikominderungsmaßnahmen festzulegen. Ziel dieser Marktstudie ist, Gründe für den Import und die Verwendung von gebeiztem Saatgut zu beleuchten und Informationen bezüglich der Menge und eingesetzten Pflanzenschutzmitteln zu geben. Die Erkenntnisse des Gutachtens sollen potenzielle, bisher noch nicht bei der Risikobewertung von Saatgutbeizen berücksichtigte Risiken für die Umwelt identifizieren, die durch die Ausbringung von importiertem gebeiztem Saatgut spezifisch für den Naturhaushalt in Deutschland entstehen können. Darauf basierend sollen mögliche Ansätze für die Risikobewertung und Risikominimierung von gebeiztem Saatgut auf regulatorischer Ebene erarbeitet werden.

Regelungen zur Anwendung von Pestiziden in Schutzgebieten

Die Studie untersucht, wie die Bundesländer Sachsen, Niedersachsen und Baden-Württemberg den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten in ihren Schutzgebieten regeln. Sie wertet rund 1.800 gültige Verordnungs- und Gesetzestexte über Schutzgebiete aus, davon knapp 700 in Sachsen und rund 1.000 in Niedersachsen. Für Baden-Württemberg wurde die neuere Landesgesetzgebung zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten analysiert. Die Studie offenbart umfassende Regelungslücken und Defizite. Sachsen gestattet auf sämtlichen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen innerhalb seiner Flächen-Schutzgebiete den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten nach Maßgabe des Bundesrechts bzw. teilweise unter weitergehenden Auflagen und Einschränkungen â€Ì mit Ausnahme von fünf Naturschutzgebieten und der Kernzone eines Biosphärenreservats. In Niedersachsen waren in 96 Prozent der untersuchten Schutzgebieten Pflanzenschutzmittel und Biozid-Produkte zugelassen, im Vergleich zu Sachsen aber mit deutlich mehr Auflagen und Einschränkungen. Während in Baden-Württemberg das Bemühen erkennbar ist, im Landesrecht den Biozid- und Pflanzenschutzmitteleinsatz zu beschränken, unterscheidet sich das Schutzniveau in Sachsen und mit Abstufung in Niedersachsen in Bezug auf den Pflanzenschutzmittel- und Biozideinsatz innerhalb der geschützten Flächen wenig von dem außerhalb liegender Flächen. Der rechtliche Schutz der wertvollen Naturflächen und ihres Arteninventars vor Beeinträchtigung durch Chemikalien ist unzureichend. Insbesondere fehlt es bei den meisten Natura 2000-Gebieten an Schutzgebietsvorschriften, welche das nach EU-Recht erforderliche Schutzniveau sicherstellen. Die Studie leitet daraus Empfehlungen bundesrechtlicher Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz ab: In Naturschutzgebieten sollte ein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten grundsätzlich untersagt sein. In Nationalparks und Biosphärenreservaten sollten für die Kernzonen Komplettverbote normiert und die Pflegezonen wie Naturschutzgebiete gehandhabt werden. Bei Natura 2000-Gebieten ist ein Genehmigungsvorbehalt für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten vorzusehen.

Grundwasser vor Pflanzenschutzmitteln schützen: Gebiete mit hohem Eintragsrisiko in der harmonisierten Zulassungsbewertung berücksichtigen

Der Schutz des Grundwassers hat im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel einen besonders hohen Stellenwert. Pflanzenschutzmittel dürfen nach Artikel 4 der Pflanzenschutzmittelverordnung (EG) Nr. 1107/2009 keine schädlichen Auswirkungen auf das Grundwasser haben. Damit hat der Schutz des Grundwassers einen mit dem Schutz der menschlichen Gesundheit vergleichbaren Rang. Zukünftig gelten in der EU in Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel neue harmonisierte Methoden zur Abschätzung von Einträgen in das Grundwasser. Darauf haben sich die Mitgliedstaaten im Oktober 2014 im Ständigen Ausschuss der KOM verständigt. Das in einem Bericht der EU-Arbeitsgruppe FOCUS beschriebene Stufenkonzept sieht vor, mit Hilfe räumlich basierter Modellabschätzungen unter Verwendung spezifischer regionaler Boden- und Klimaeigenschaften die zu erwartenden Einträge von Pflanzenschutzmitteln ins Grundwasser besser vorhersagen zu können. Ein Instrument (Simulationsmodell), das die Anforderungen hinsichtlich der Verhältnisse in Deutschland erfüllt und damit die potentiellen Einträge ins Grundwasser adäquat abbildet, fehlt bislang. National kommt derzeit ein einfacher szenarienbasierter Ansatz mit dem Modell PELMO, ein von der Fraunhofer-Gesellschaft entwickeltes und auch auf europäischer Ebene akzeptiertes Modell, zur Anwendung. Ergebnisse aus einem laufenden Forschungsprojekt zeigen aber, dass damit die Umweltbedingungen in Deutschland nicht ausreichend abgedeckt sind und somit das Eintragsrisiko in weiten Gebieten unterschätzt wird. Um das zu ändern, müssen Modellanpassungen erfolgen. Vorschläge liegen zwar vor, stehen aber in der Kritik, durch zu konservative Einstellungen unrealistisch hohe Grundwassereinträge zu simulieren und damit überprotektiv zu sein. In dem geplanten Vorhaben sollen Modellerweiterungen mit einer besseren Vorhersagesicherheit der Eintragsrisiken von Pflanzenschutzmitteln für das Grundwasser geprüft, diskutiert und erarbeitet werden. Auf Basis vorliegender Geodaten aus Deutschland sowie unter Hinzuziehen von Monitoringdaten sollen die Modellerweiterungen validiert und bei Bedarf nachjustiert werden. Das damit angestrebtes Ziel ist, das Grundwasser vor Pflanzenschutzmitteln zu schützen, indem die Bedingungen in Deutschland adäquat berücksichtigt werden und damit sichere Eintragsvorhersagen getroffen werden.

ERGO: EU-Forschungsprojekt zu hormonell wirksamen Stoffen

<p>ERGO: EU-Forschungsprojekt zu hormonell wirksamen Stoffen</p><p>Das Projekt ERGO, Endocrine Disruptor Guideline Optimization, zielt darauf ab, die Identifizierung und Regulierung von hormonell wirksamen Stoffen (endokrine Disruptoren) zu verbessern. Dafür soll gezeigt werden, inwieweit die Auswirkungen von diesen Stoffen in Säugetieren auf Nicht-Säugetiere extrapolierbar sind und umgekehrt. Grundlage der Untersuchungen ist dabei das Schilddrüsenhormonsystem.</p><p>Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor hormonell wirksamen Substanzen, muss die Identifizierung und das Risikomanagement sogenannter endokriner Disruptoren (EDs) verbessert und effizienter gemacht werden. Im Rahmen des EU Horizon 2020Forschungsprojekts ERGO soll dafür überprüft werden inwieweit es möglich ist die Auswirkungen von EDs zwischen verschiedenen Gruppen der Wirbeltiere zu übertragen. Ausgangspunkt ist die begründete Annahme, dass zum Beispiel eine nachteilige Wirkung bei einem Fisch oder einer Amphibie auch auf nachteilige Wirkungen beim Menschen hindeutet und umgekehrt. Durch die Prüfung soll die momentan noch bestehende Abgrenzung zwischen der Forschung an Säugetieren und Nicht-Säugetieren überwunden werden, und so auch Tierversuche vermieden werden können. Als Basis dieser Forschung dient in diesem Projekt das Schilddrüsenhormonsystem, welches hochkonserviert (d.h. weitestgehend ähnlich) innerhalb der Klasse der Wirbeltiere ist.</p><p>Zur Etablierung neuer Ansätze nutzt ERGO das Konzept der Adverse Outcome Pathways, kurz AOPs. Dabei werden die Schritte von der ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/e?tag=Exposition#alphabar">Exposition</a>⁠ des Organismus mit der Chemikalie über die chemischen und biologischen Wechselwirkungen im Organismus bis hin zum nachtteiligen Effekt für einzelne Organismen oder ganze Populationen dargestellt, und als Kette von Ereignissen gesehen. Ein Ziel des Projektes&nbsp; ist es Schnittstellen und Gemeinsamkeiten zwischen den Wechselwirkungen in unterschiedlichen Vertretern der Wirbeltierklasse darzustellen, welche dann zur Extrapolation und ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/v?tag=Vorhersage#alphabar">Vorhersage</a>⁠ von Effekten über Speziesgrenzen hinweg genutzt werden können. Zur Erarbeitung solcher AOP Netzwerke werden in ERGO verschiedene Experimente mit Zellsystemen (in vitro) und Tieren (in vivo) sowie Modellierungs- und Biotransformationsversuche (in silico) durchgeführt.</p><p>In der Europäischen Union (EU) gibt es verschiedene Regulierungen, welche das Screenen und Testen von EDs nach EU Testmethoden-Verordnung erfordern, zum Beispiel die Pflanzenschutzmittelverordnung. Die Identifizierung von EDs und ihren Effekten ist jedoch herausfordernd, vor allem aufgrund der oft schwachen Datenlage bei wenig untersuchten oder bisher unbekannten EDs. Momentan werden die Daten aus der Bewertung der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit bei der Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt nur wenig beachtet und auch anders herum. Die gegenseitige Anerkennung und Berücksichtigung der Testergebnisse könnte die Untersuchung und die Identifizierung von EDs schneller, einfacher und günstiger gestalten. Dies würde bei der Umsetzung der EU-weiten Regulierungen helfen, und auch die Entwicklung von Produkten frei von endokrinen Disruptoren fördern.</p><p>Das ERGO Projekt startete im Januar 2019 und hat eine Laufzeit von 60 Monaten. Nach der Auswahl der zu testenden Chemikalien finden momentan die ersten Experimente statt. Das Projekt wird koordiniert von der Syddansk Universiteit aus Dänemark. Neben dem Umweltbundesamt und der Syddansk Universiteit arbeiten eine Vielzahl von weiteren Universitäten und Forschungsinstitutionen sowie Vertreter aus der Industrie am Projekt mit. Insgesamt sind 15 Partner aus 8 Ländern involviert. Das ⁠<a href="https://www.umweltbundesamt.de/service/glossar/u?tag=UBA#alphabar">UBA</a>⁠ nimmt hier eine koordinierende und beratende Rolle ein und ist für den Wissenstransfer innerhalb des Projekts zuständig.</p><p>ERGO ist Teil des EU Schwerpunkt-Clusters „EURION“, in dem insgesamt acht internationale Projekte zu EDs angesiedelt sind.</p><p>Geplante Ergebnisse des Projektes sind unter anderem die Erweiterung der bestehenden Testrichtlinien für EDs im Hinblick auf eine verbesserte Identifizierung von Auswirkungen auf das Schilddrüsenhormonsystem sowie ein Konzept, um die nachteiligen Effekte zwischen den Wirbeltierklassen zu extrapolieren, und so die Risikobewertung von EDs insgesamt zu verbessern.</p>

Erstellung eines Gutachtens 'Grundwassermodellierungen ausgewählter Pflanzen-schutzmittelwirkstoffe und ihrer Metaboliten nach aktueller EU-Bewertungsleitlinie (SANCO/12117/2014 - final, 2014)'

Im Rahmen des nationalen und zonalen Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel (PSM) sowie in der EU-Wirkstoffprüfung ist das Umweltbundesamt zuständig für die Belange des Naturhaushalts. Der Schutz des Grundwassers als wichtiges Umwelthabitat und als Ressource für die Gewinnung des Lebensmittels Trinkwasser ist dabei von besonderer Bedeutung. In der Pflanzenschutzmittelverordnung (EG) 1107/2009 ist verankert, dass die Prüfung von Pflanzenschutzmitteln in der EU nach weitestgehend einheitlichen Bewertungsmaßstäben unter gleichzeitiger Berücksichtigung nationaler Besonderheiten erfolgen soll. Für die Bewertung des potentiellen Versickerungsrisikos von PSM- Wirkstoffen und ihrer Metaboliten in das Grundwasser wird derzeit auf nationaler Ebene das Simulationsmodell FOCUS PELMO 5.5.3 verwendet und die Auswahl der Eingabeparameter zur Adsorption und zum Abbau einer Substanz im Boden erfolgt nach dem aktuellen nationalen Bewertungsansatz (Holdt et al. 2011). Im Rahmen des Forschungsprojektes 'Schutz des Grundwassers vor Belastungen mit Pflanzenschutzmitteln - Abbildung nationaler Besonderheiten' (FKZ 3711 63 426, Laufzeit 2011-2016) wurden der derzeitige nationale Bewertungsansatz und der EU-Ansatz sowohl untereinander als auch mit höherstufigen experimentellen Ergebnissen aus Freilandlysimeterstudien verglichen mit dem Ziel, die Protektivität des bisherigen nationalen Bewertungsansatz hinsichtlich der Vorhersage eines Versickerungsrisikos von PSM-Wirkstoffen und ihrer Metaboliten in das Grundwasser zu überprüfen und daraus Vorschläge für eine Anpassung bzw. Änderung des Bewertungsansatzes abzuleiten. Seit Mai 2015 ist ein EU-Leitfaden (EFSA GD DegT50 (2014)) in Kraft getreten, mit der ein neuer Ansatz zur Ableitung von Modellierungsendpunkten aus Abbau - und Adsorptionsstudien vorliegt, mit denen zukünftig Modellrechnungen sowohl im Rahmen der EU-Wirkstoffprüfung als auch anschließend auf zonaler Ebene durchgeführt werden. Ziel des Gutachtens ist es, die Ergebnisse des Forschungsprojektes (Part A) auf einen aktuellen Stand im Hinblick auf die neuen Anforderungen der EFSA GD DegT50 (2014) zu bringen. Es soll dabei untersucht werden, welchen Einfluss die Änderungen von Modellierungsendpunkten zur Adsorption, die entsprechend des neuen EU- Leitfadens abgeleitet werden, auf Simulationsergebnisse und damit auch auf die Vorhersage eines potentiellen Versickerungsrisikos von PSM-Wirkstoffen und deren Metaboliten haben.

Validierung PELMO 4: Schutz des Grundwassers vor Belastungen mit PS: Validierung des neuen EU-Simulationsmodells FOCUS PELMO 4 für eine zuverlässige Vorhersage des Versickerungspotenzials von PSM ins Grundwasser

Weitestgehende einheitliche Bewertungsmaßstäbe in der Prüfung von Pflanzenschutzmitteln in der EU unter gleichzeitiger Berücksichtigung nationaler Besonderheiten, wie in der neuen Pflanzenschutzmittelverordnung (EG) 1107/2009 verankert, machen Anpassungen bestehender Bewertungskonzepte erforderlich. Im nationalen Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel (PSM) und in der EU-Wirkstoffprüfung ist das UBA zuständig für die Bewertung des Naturhaushaltes. Der Schutz des Grundwassers als wichtigstes Umwelthabitat für die Gewinnung des Lebensmittels Trinkwasser ist dabei von herausragender Bedeutung. Für den Prüfbereich Grundwasser liegt ein von den EU-Mitgliedstaaten kommentierter Berichtsentwurf vor, der die Verwendung eines neuen Stufenkonzepts unter Einbindung weiterentwickelter Simulationsmodelle (z.B. FOCUSPELMO 4) zur Berechnung des Versickerungspotentials von PSM ins Grundwasser vorsieht. Das aktuell im nationalen Zulassungs-verfahren verwendete Simulationsmodell entspricht somit nicht mehr dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Für eine zeitnahe nationale Umsetzung der Maßgaben des FOCUS-Berichtsentwurfs überarbeitet UBA (FG IV 1.3) zusammen mit Vertretern des Industrieverbandes Agrar (IVA) zur Zeit die Eingabeparameter für die Modellierung des Grundwasserrisikos nach dem vorgesehenen Stufenkonzept unter Berücksichtigung nationaler Besonderheiten. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Überprüfung des angepassten FOCUS-Stufenkonzeptes und die Validierung des neuen Simulationsmodells FOCUSPELMO 4 hinsichtlich der Eignung für die nationale Grundwasserrisikobewertung mit folgenden Schwerpunkten: - Bestätigung experimentell ermittelter Ergebnisse aus Freilandlysimeterstudien durch Berechnungen mit dem Simulationsmodell FOCUSPELMO 4 unter Verwendung der neu festgelegten Eingabeparameter. - Überprüfung der Einbeziehung des Verfahrens der inversen Modellierung anhand von Freilandlysimeterstudien - Identifizierung repräsentativer FOCUS-Modellszenarie.

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