Messübung 2018 in Mecklenburg-Vorpommern Fachleute des BfS und der Bundespolizei trainierten vom 5. bis 9. November 2018 in Mecklenburg-Vorpommern die Messung von Radioaktivität vom Hubschrauber aus. Gemessen wurde über dem Gelände der EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH bei Lubmin sowie über einem etwa 500 Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Demmin, Anklam und Neubrandenburg. In zwei kleineren Bereichen bei Lubmin konnte dabei Radioaktivität nicht natürlichen Ursprungs nachgewiesen werden, die auf einen genehmigten Umgang mit radioaktiven Stoffen zurückging, für den entsprechende amtliche Sicherheitsauflagen gelten. Im Ergebnis der Messungen wurden keine auffälligen Werte gefunden. Fachleute des BfS und der Bundespolizei übten vom 5. bis 9. November 2018 in Mecklenburg-Vorpommern die Messung von Radioaktivität vom Hubschrauber aus. Vom 5. bis 9. November 2018 übte das Bundesamt für Strahlenschutz ( BfS ) in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei die Messung von Radioaktivität aus der Luft. Gemessen wurde über dem Gelände der EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH (kurz EWN ) bei Lubmin und über einem etwa 500 Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Demmin, Anklam und Neubrandenburg. Ziel und Umfang der Übung Kommt es zu einem radiologischen Notfall, lässt sich mithilfe der Aero-Gammaspektrometrie schnell und großflächig aus der Luft ermitteln, welche radioaktiven Stoffe am Boden abgelagert wurden und welche Gebiete besonders betroffen sind. Messungen der Radioaktivität aus der Luft liefern nicht nur einen ersten Eindruck vom radiologischen Gesamtbild einer Region: In einem Notfall würden sie auch dabei unterstützen, die mithilfe von Modellen und Dosisrekonstruktionen errechnete Strahlenbelastung der Bevölkerung zu verifizieren. Darüber hinaus ermöglichen hubschraubergestützte Messsysteme das Auffinden von radioaktiven Einzelquellen. Ziele der Messübung in Mecklenburg-Vorpommern waren unter anderem, die kerntechnischen Anlagen der EWN bei Lubmin radiologisch zu kartieren, die Zusammenarbeit zwischen BfS und Bundespolizei zu trainieren und Flugverfahren zur schnellen radiologischen Kartierung von großflächigen Messgebieten zu üben. In der Messübung überflogen Bundespolizei und BfS Flächen bei Lubmin sowie zwischen Demmin, Anklam und Neubrandenburg. In der Übung überflogen Bundespolizei und BfS mit zwei Hubschraubern eine Fläche von über 500 Quadratkilometern bei Lubmin sowie zwischen Demmin, Anklam und Neubrandenburg, um diese radiologisch zu untersuchen. Dabei betrachtete das BfS sowohl natürliche als auch künstliche Radionuklide . Ergebnisse der Übung Mithilfe der im Hubschrauber installierten empfindlichen Messsysteme wurde wie erwartet die natürlich in der Umwelt vorkommende Radioaktivität ermittelt. Im Ergebnis der Messungen wurden keine auffälligen Werte in den Messgebieten gefunden. Lediglich in zwei kleineren Bereichen bei Lubmin konnten die Radionuklide Cobalt-60 und Iridium-192 nachgewiesen werden. In beiden Fällen handelt es sich um einen genehmigten Umgang mit radioaktiven Stoffen, für den entsprechende amtliche Sicherheitsauflagen gelten. Gamma-ODL (Lubmin) Cobalt/Iridium (Lubmin) Radon (Demmin/Anklam/Neubrandenburg) Gamma-ODL (Lubmin) Messergebnisse: Gamma-Ortsdosisleistung bei Lubmin Messergebnisse zur Gamma-Ortsdosisleistung bei Lubmin, gemessen in Nanosievert pro Stunde; Kartenmaterial: © GeoBasis-DE / BKG 2019 - http://www.bkg.bund.de Die Auswertungsgrafik stellt Flächenelemente dar, bei denen die gemessenen Werte der Gamma-Ortsdosisleistung ( ODL ) über die betrachtete Fläche gemittelt werden. In der Grafik ist zu erkennen, dass die meisten Flächen mit Werten von maximal 200 Nanosievert pro Stunde im für Deutschland üblichen Bereich der natürlichen ODL (0,05 bis 0,18 Mikrosievert = 50 bis 180 Nanosievert ) liegen und somit unbedenklich sind. Lediglich zwei Bereiche weisen erhöhte Werte auf: Links im Bild sind Messwerte einer einzelnen Strahlenquelle (Iridium-192) mit hoher Dosisleistung auf sehr kleinem Raum zu erkennen, rechts im Bild Messwerte einer weiteren ausgedehnteren Quelle (Cobalt-60) aus vielen, aber im Vergleich niedriger aktiven Einzelteilen. Cobalt/Iridium (Lubmin) Messergebnisse: Cobalt-60 und Iridium-192 bei Lubmin Messergebnisse (Zählrate) von Cobalt-60 bei Lubmin, Kartenmaterial: © GeoBasis-DE / BKG 2019 - http://www.bkg.bund.de In zwei kleineren Bereichen im Messgebiet bei Lubmin wies das BfS Radioaktivität nicht natürlichen Ursprungs nach. In beiden Fällen handelt es sich um einen genehmigten Umgang mit radioaktiven Stoffen, für den entsprechende Sicherheitsvorkehrungen gelten. Cobalt-60 Während der Überflüge waren auf dem Gelände der EWN auf sogenannten Bereitstellungsflächen Container mit Abfällen aus dem Rückbau des Kernkraftwerks Greifswald abgestellt. Von der Luft aus konnte darin enthaltenes Cobalt-60 nachgewiesen werden. Iridium-192 Fundort und Einzelspektrum von Iridium-192 bei Lubmin, Kartenmaterial: © GeoBasis-DE / BKG 2019 - http://www.bkg.bund.de Außerhalb des Anlagengeländes wurde in einem kleinen Bereich, in dem Bauarbeiten für die Gasempfangsstation in Lubmin stattfanden, Iridium-192 gemessen. Der Stoff war Teil eines Geräts, mit dem Dichtigkeitsprüfungen an den Rohrleitungen der Pipeline durchgeführt wurden. Die Übersichtskarte zeigt den Fundort des Iridium-192 und ein Einzelspektrum, das zur Bestimmung der Aktivität der Quelle genutzt wurde. Iridium gehört nicht zu den Standardnukliden der bei den Messungen genutzten Auswertemethode, konnte aber mithilfe des Spektrums über seine Peak-Energien nachgewiesen werden. Radon (Demmin/Anklam/Neubrandenburg) Messergebnisse: Radon zwischen Demmin, Anklam und Neubrandenburg Spezifische Aktivität A des Radonfolgeproduktes Bismuth-214 (bezogen auf Trockenmasse, gekennzeichnet durch den Index D ("dry"). Kartenmaterial: © GeoBasis-DE / BKG 2019 Im Messgebiet zwischen Demmin, Anklam und Neubrandenburg haben die Experten von Bundespolizei und BfS Flugverfahren geübt und natürliche Radionuklide gemessen. Dabei kartierten sie ein sehr großes Messgebiet mit hohen Bahnabständen von 2 Kilometern und ein kleineres Messgebiet höheraufgelöst mit einem geringeren Bahnabstand von 250 Metern (Zoomausschnitt). Im Messgebiet gibt es – wie überall in Deutschland - unterschiedlich hohe Radon -Konzentrationen in der bodennahen Luft. Radon entsteht im Boden als eine Folge des radioaktiven Zerfalls von natürlichem Uran , das im Erdreich in vielen Gesteinen vorkommt. Als Folgeprodukt des Radon entsteht Bismuth-214, dessen Vorkommen im Boden und in der bodennahen Luft im Messgebiet das BfS bei der Messübung ermittelt hat. Daraus konnte das BfS eine Übersichtskarte zur Aktivität des Radonfolgeproduktes Bismuth-214 erstellen. Stand: 15.10.2024
Internationale Messübung 2017 in der Schweiz Hubschraubergestützte internationale Messkampagne "ARM 17" Vom 26. bis 30. Juni 2017 haben Experten des BfS und der Bundespolizei an einer internationalen Hubschraubermessübung in der Schweiz teilgenommen. Gemeinsam mit Teams aus der Schweiz, Frankreich und Tschechien trainierten die Spezialisten des BfS und der Bundespolizei, im und auf dem Boden abgelagerte radioaktive Stoffe vom Hubschrauber aus zu messen. Es gelang den sechs Messteams innerhalb von nur sechs Flugstunden ein Messgebiet mit einer Fläche von 2.800 Quadratkilometern zu kartieren. Damit haben die Teams gezeigt, dass sie im Ereignisfall schnell handlungsfähig sind. Die Messteams konnten alle versteckt ausgelegten radioaktiven Quellen identifizieren und innerhalb des Einsatzzeitraumes deren geographische Position an die Einsatzzentrale übermitteln. Um im Ernstfall schnell und routiniert handeln zu können, haben Teams aus vier Ländern trainiert, gemeinsam Radioaktivität am Boden vom Hubschrauber aus zu messen. Experten des Bundesamts für Strahlenschutz ( BfS ) und der Bundespolizei (BPol) nahmen zusammen mit Kollegen aus der Schweiz, Frankreich und Tschechien an der internationalen Übung "ARM 17" teil, die vom 26. bis 30. Juni in Dübendorf in der Schweiz stattfand und von der Schweizer Nationalen Alarmzentrale (NAZ) organisiert wurde. Wesentliches Ziel dieser Übung war es, die Messteams so aufeinander abzustimmen, dass diese in einem nuklearen Notfall sofort grenzüberschreitend einsatzbereit sind. Messgebiete der internationalen Messübung: Das deutsche Team überflog die grün und orange markierten Gebiete; die Sterne zeigen die Verstecke der in der Übung zu findenden radioaktiven Quellen. Quelle: NAZ Internationale Messübungen als Bestandteil des Notfallschutzes Gemeinsame Aero-Gammaspektrometrieübungen von BfS und Bundespolizei finden jährlich an verschiedenen Orten im Bundesgebiet statt. Zusätzlich organisieren BfS und Bundespolizei in enger Zusammenarbeit mit angrenzenden Ländern internationale Messkampagnen . Diese Übungen sind ein wichtiger Bestandteil des Notfallschutzes der beteiligten Länder, da die Zusammenarbeit im Ereignisfall ohne großen zeitlichen Vorlauf länderübergreifend reibungslos funktionieren muss. Herausforderung Eine Besonderheit bei der Übung im Juni 2017 in der Schweiz bestand in der Größe der zu befliegenden Fläche, die sich zwischen dem Bodensee im Norden und dem Zugersee im Süden erstreckt und rund zehn Prozent der Schweiz ausmacht. Dieses Gebiet sollte von allen beteiligten Messteams gemeinsam an nur einem Tag in einem Zeitraum von sechs Stunden radiologisch vollumfänglich kartiert werden. Gleichzeitig sollten zwei versteckte radioaktive Quellen mit Aktivitäten von 19 bzw. 47 Gigabecquerel im Messgebiet lokalisiert werden. Flugbahnen und unmittelbar nach den Messflügen an den Organisator übergebene, ermittelte Gammaortsdosisleistung (ODL) Quelle: NAZ Diese Art der Aufgabenstellung war sowohl flug- als auch messtechnisch äußerst anspruchsvoll, da die Herangehensweise bei der radiologischen Kartierung der überflogenen Gebiete und bei der Suche nach versteckten radiologischen Quellen unterschiedlich ist. Bei der Kartierung sind normalerweise sowohl die Fluggeschwindigkeiten als auch die Abstände der geflogenen Bahnen groß. Typische Bahnabstände hierbei sind 500 Meter bis zu mehreren Kilometern. Bei der Quellensuche wählt man in der Regel geringere Fluggeschwindigkeiten und kleinere Flugbahnabstände. Um beide Anforderungen zu erfüllen, musste ein Kompromiss gefunden werden. Wie bereits bei vorangegangenen Einsätzen wurden Flugverfahren mit parallelen Bahnen (Search-and-Rescue-Pattern) gewählt; von deutscher Seite zudem ein Verfahren, bei dem sich der Hubschrauber dem Zentrum des Messgebietes schneckenförmig von außen nach innen annähert. Damit konnte das deutsche Team sowohl die Radionuklidverteilung als auch die Position der im Messgebiet versteckten Cäsium-137 -Quelle eindeutig ermitteln und nachweisen. Vergleichsmessgebiete Darüber hinaus mussten bei der Übung im Juni 2017 zwei Vergleichsmessgebiete in zuvor definierten Flugverfahren beflogen werden. Das erste Referenzgebiet liegt in der Linthebene und stellt, bis auf einen kleinen Hügel, eine nahezu ebene Fläche dar. Das zweite deutlich bergigere Referenzgebiet liegt im Raum Murgtal-Mürtschenalp. Die von den Messteams in den jeweiligen Referenzgebieten ermittelten Messdaten werden im Nachgang zur Übung miteinander verglichen, um einen einheitlichen Qualitätsstandard bei den Messdaten der beteiligten Hubschraubermessteams sicherzustellen. Dies ist von großer Bedeutung, da bei einem realen Einsatz, bei dem auch Messteams aus benachbarten europäischen Ländern zur Unterstützung angefordert werden, die Messflüge unmittelbar aufgenommen werden und belastbare Daten liefern müssen. Die von den beiden deutschen Teams ermittelten Thorium-Verteilungen in der Linthebene bei verschiedenen Bahnabständen und Flughöhen sind vergleichbar. Sie werden im Nachgang zur Übung nochmals detaillierter ausgewertet und mit den Ergebnissen der anderen Messteams in Relation gesetzt. Thorium-Verteilung im Referenzmessgebiet Linthebene, ermittelt unter Anwendung verschiedener Flugparameter Ergebnisse Es gelang den sechs Messteams innerhalb von nur sechs Flugstunden, ein Messgebiet mit einer Fläche von 2.800 Quadratkilometern zu kartieren. Damit haben die Teams gezeigt, dass sie im Ereignisfall schnell handlungsfähig sind. Es wurden beide versteckt ausgelegte Quellen von den Messteams identifiziert und noch während des festgelegten Einsatzzeitraumes am 27. Juni 2017 deren geographische Position an die Einsatzzentrale übermittelt. Im deutschen Messgebiet war eine Cäsium-137 Quelle mit einer Aktivität von 19 Gigabequerel ausgelegt worden. Stand: 15.10.2024
36 Jahre Tschernobyl: BfS veröffentlicht neue Radioaktivitätskarten Erste flächendeckende radiologische Kartierung der Sperrzone seit über 30 Jahren Ausgabejahr 2022 Datum 20.04.2022 Auch aus Hubschraubern der Bundespolizei heraus nahm das BfS 2021 Messungen der Radioaktivität in der Sperrzone rund um Tschernobyl vor Anlässlich des 36. Jahrestags der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April hat das Bundesamt für Strahlenschutz ( BfS ) erste Ergebnisse einer radiologischen Neukartierung der dortigen Sperrzone veröffentlicht. Die zugrunde liegenden Radioaktivitätsmessungen hatte das BfS auf Einladung der Staatlichen Agentur der Ukraine zur Verwaltung der Sperrzone bereits im September 2021 in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und ukrainischen Partnerorganisationen durchgeführt. Zwei Übersichtskarten zeigen die Cäsium-137 -Belastung der Böden und die Gamma-Ortsdosisleistung innerhalb der Sperrzone. Die Ortsdosisleistung gibt an, wie viel Strahlung von außen auf einen Menschen einwirkt. Erhöhte Ortsdosisleistungswerte in der Sperrzone gehen heute fast ausschließlich auf Cäsium-137 zurück, das eine Halbwertszeit von 30 Jahren hat. Kurzlebigere radioaktive Stoffe wie Jod-131 sind bereits seit Jahren nicht mehr nachzuweisen. Bedeutung internationaler Zusammenarbeit im Strahlenschutz BfS-Präsidentin Dr. Inge Paulini "Mit der Entscheidung, erste Auswertungen von Messdaten aus der Sperrzone von Tschernobyl trotz des Krieges in der Ukraine zu veröffentlichen, wollen wir die Bedeutung einer engen internationalen Zusammenarbeit im Strahlenschutz unterstreichen" , betont BfS -Präsidentin Inge Paulini. "Wir setzen damit auch ein Zeichen des Respekts für unsere ukrainischen Kolleginnen und Kollegen, die trotz widrigster Umstände ihre wissenschaftliche und praktische Arbeit im Strahlenschutz fortsetzen." "Die Messungen, auf denen die Karten basieren, wurden im Jahr 2021 in einer beispiellosen deutsch-ukrainischen Kooperation in der Sperrzone von Tschernobyl erhoben" , sagt Paulini. "Diese gemeinsame wissenschaftliche Arbeit ist in dieser schwierigen Zeit wichtiger denn je: Sie zeigt Perspektiven für die Zeit des Wiederaufbaus in der Ukraine auf und kann schon jetzt bei der Beantwortung praktischer Fragen des Strahlenschutzes unterstützen." Aktueller Überblick über die radiologische Situation Räumliche Verteilung von Cäsium-137 in der Sperrzone in Kilobecquerel pro Quadratmeter Gamma-Ortsdosisleistung in der Sperrzone von Tschernobyl in Mikrosievert pro Stunde In den Karten zeichnen sich 36 Jahre nach dem Reaktor-Unfall noch deutlich die beiden Haupt-Ausbreitungsrichtungen der 1986 aus dem Reaktor freigesetzten Stoffe nach Norden und Westen ab (zum Vergrößern der Karten auf das Lupen-Symbol klicken). Die Karten und die zugehörigen Messdaten bieten einen umfassenden Überblick über die aktuelle radiologische Situation in der Sperrzone . Mit ihrer Hilfe lässt sich für jeden vermessenen Ort innerhalb der Sperrzone vorausberechnen, wie lange dort Personal eingesetzt werden kann, ohne einer unzulässigen Strahlenbelastung ausgesetzt zu werden. Dies ist beispielsweise für die ortsansässige Feuerwehr wichtig, die in der Sperrzone immer wieder Waldbrände zu bekämpfen hat. Das bisher für die Einsatzplanung genutzte Programm kann mit den neuen Messdaten aktualisiert werden. In gleicher Weise können mit den aktuellen Messdaten kriegsbedinge Aufräumarbeiten wie Munitionsbereinigung unterstützt werden. Da die Karten des BfS die radiologische Situation in der Sperrzone vor dem Krieg zeigen, können sie bei Verdacht auf größere Verlagerungen von radioaktiven Stoffen und kontaminiertem Material – zum Beispiel durch Panzerbewegungen – oder bei Verdacht auf neue Freisetzungen innerhalb der Sperrzone als Vergleich herangezogen werden. Überprüfung der Sperrzone möglich Langfristig können die ukrainischen Strahlenschutzbehörden die Messdaten des BfS als Planungsgrundlage zur Neubewertung der Größe der Sperrzone nutzen. Anhand der Daten kann beurteilt werden, welche Bereiche der Sperrzone möglicherweise wieder für eine Nutzung freigegeben werden können. Voraussetzungen dafür wären zusätzliche Detailmessungen vor Ort, die eine entsprechende Ersteinschätzung bestätigen. Messungen von Hubschraubern aus Für die erste flächendeckende radiologischen Kartierung der Sperrzone von Tschernobyl seit über 30 Jahren wurden Messungen von Hubschraubern aus durchgeführt. BfS-Projektleiter Dr. Christopher Strobl "Wir halten diese Technik vor, um bei einem akuten Unfall schnell die betroffenen Gebiete ermitteln zu können" , erläutert der zuständige Projektleiter im BfS , Christopher Strobl. Dabei arbeitet das BfS eng mit der Bundespolizei zusammen, die die Hubschrauber mit Besatzung zur Verfügung stellt und sich um die fliegerische Vorbereitung und Koordination der Flüge kümmert. "Bei den Messungen in Tschernobyl standen wir vor einer besonderen Herausforderung: Gelangen bei einem Unfall radioaktive Stoffe in die Umwelt, lagern sie sich direkt auf dem Boden ab" , erklärt Strobl. " 35 Jahre nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl sind die radioaktiven Stoffe aber mehrere Zentimeter tief in den Boden gewandert." Umfangreiche Messungen am Boden Damit dieser Umstand die Messergebnisse nicht verfälscht, führten Messteams des BfS zusammen mit ukrainischen Expert*innen an fast zweihundert Punkten zusätzliche Messungen am Boden durch. Außerdem nahmen sie an diesen Punkten Bodenproben, um zu bestimmen, wie tief die radioaktiven Stoffe mittlerweile in den Boden eingedrungen sind. Auf dieser Grundlage ließ sich die Abschirmung der Strahlung durch den Boden aus den Messergebnissen herausrechnen. Der Vergleich der bodengestützten Messungen und mit den Messungen von den Hubschraubern aus zeigte eine gute Übereinstimmung und diente der Qualitätssicherung der Messkampagne. Schutzhülle (New Safe Confinement) über dem havarierten Reaktor von Tschernobyl Quelle: SvedOliver/Stock.adobe.com Karten bestätigen bisherige Erkenntnisse Die neuen Karten bieten einen Überblick über die gesamte Sperrzone, mit Ausnahme des direkten Umkreises des havarierten Reaktors : Um die kerntechnischen Anlagen in der Sperrzone zu schützen, besteht dort eine Flugverbotszone, sodass dort keine Hubschraubermessungen möglich waren. Die Karten sind aktueller und räumlich besser aufgelöst als die bisherigen Gesamtdarstellungen aus den 1990ern. Sie bestätigen die Erkenntnisse aus den Jahren nach dem Reaktorunglück: Es zeichnen sich deutlich die beiden Haupt-Ausbreitungsrichtungen der 1986 aus dem Reaktor freigesetzten Stoffe nach Norden und Westen ab. Große Bandbreite der Gamma-Ortsdosisleistung Die in der Sperrzone von Tschernobyl ermittelte Gamma-Ortsdosisleistung liegt zwischen 0,06 Mikrosievert pro Stunde und etwa 100 Mikrosievert pro Stunde. In Deutschland liegt die natürliche Ortsdosisleistung üblicherweise zwischen 0,06 und 0,2 Mikrosievert pro Stunde. Die niedrigsten in der Sperrzone gemessenen Werte unterscheiden sich damit nicht von der Situation in Deutschland . Messung der Ortsdosisleistung mit einem Handmessgerät am havarierten Reaktor von Tschernobyl im Jahr 2016 (Archivfoto) Hielte man sich in der Sperrzone von Tschernobyl dagegen an den Orten mit den höchsten Werten dauerhaft im Freien auf, wäre bereits nach etwa acht Tagen eine Strahlendosis von 20 Millisievert (20.000 Mikrosievert ) erreicht. Das ist die maximale Strahlendosis, die Personen in Deutschland im Jahr erhalten dürfen, die beruflich Strahlung ausgesetzt sind. Nachweis von Cäsium-137 Die Cäsium-Belastung der Böden in der Sperrzone schwankt zwischen Werten unterhalb der Nachweisgrenze von Messungen aus der Luft und einem Spitzenwert von 50.000 Kilobecquerel pro Quadratmeter. Der höchste Wert, der 2016 mit derselben Messmethode im Bayerischen Wald – einem der in Deutschland am schwersten von dem Reaktorunfall in Tschernobyl betroffenen Gebiete – erhoben wurde, lag bei 24 Kilobecquerel pro Quadratmeter. Das ist knapp über der Nachweisgrenze von Messungen aus der Luft. Hervorragende internationale Zusammenarbeit "Insgesamt waren an den Messungen in Tschernobyl fast 100 Personen vor Ort und in unserer Datenzentrale im BfS beteiligt" , sagt BfS -Projektleiter Strobl und bedankt sich für die hervorragende internationale Zusammenarbeit. Bundespolizei: Wichtige Einsatzerfahrung in kontaminiertem Gebiet Klaus-Jürgen Jess, Einsatzleiter der Bundespolizei Quelle: Bundespolizei Auch für die Bundespolizei waren die Messungen in der Ukraine ein außergewöhnlicher Einsatz: "Die Zusammenarbeit von BfS und Bundespolizei bei Radioaktivitätsmessungen aus der Luft hat eine lange Tradition und wird regelmäßig trainiert" , sagt der zuständige Einsatzleiter der Bundespolizei, Klaus-Jürgen Jess. "In der Sperrzone von Tschernobyl konnten wir erstmals Einsatzerfahrung in einem kontaminierten Gebiet sammeln und unsere Leistungsfähigkeit auch unter diesen Bedingungen zeigen." Weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen geplant Die veröffentlichten Übersichtskarten sollen den Auftakt für wissenschaftliche Detailauswertungen und deutsch-ukrainische Publikationen bilden. "Während der gemeinsamen Messungen sind intensive persönliche und institutionelle Kontakte gewachsen" , betont Strobl: "Es ist uns wichtig zu zeigen, dass diese Kontakte auch während und nach dem Krieg Bestand haben und dass daraus weitere gemeinsame Projekte erwachsen können." Zusammenarbeit von Bundesamt für Strahlenschutz und Bundespolizei Mit Strahlungsmessungen von Hubschraubern aus lassen sich innerhalb kurzer Zeit große Gebiete auf radioaktive Kontaminationen hin untersuchen. Neben der Schnelligkeit ist von Vorteil, dass sich auch Gebiete untersuchen lassen, die vom Boden aus nicht zugänglich sind. Zur hubschraubergestützten Bestimmung am Boden abgelagerter radioaktiver Stoffe arbeiten das BfS und die Bundespolizei seit vielen Jahren eng zusammen: Die Bundespolizei stellt dabei Hubschrauber und deren Besatzung zur Verfügung. Expert*innen des BfS führen die Messungen durch und stellen den Strahlenschutz aller Beteiligten sicher. Regelmäßige Übungen erhalten die Einsatzbereitschaft. In einem radiologischen Notfall kann eine Fläche von rund 100 Quadratkilometern innerhalb von etwa drei Stunden überflogen und kartiert werden. Die Messergebnisse liegen bereits kurz nach der Landung vor. Stand: 20.04.2022
Messsysteme In der Frühphase eines radiologischen Notfalls kommen stationäre und quasi-stationäre ODL -Messsysteme zum Einsatz. Später dienen ergänzende Messungen mit mobilen Messsystemen dazu, das Bild der radiologischen Lage zu verfeinern. Insgesamt werden vier unterschiedliche Arten an Messsystemen vorgehalten. Kommt es zu einem radiologischen Störfall , ermitteln in der Frühphase eines solchen Störfalls ausschließlich automatisch arbeitende stationäre und quasi-stationäre Messsysteme die äußere Strahlenbelastung durch kontinuierliche Messung der Gamma-Ortsdosisleistung ( ODL ). Die Messdaten ermöglichen eine erste grobe Dosisabschätzung in den betroffenen Gebieten. Nachdem sich die radiologische Lage stabilisiert hat und keine Freisetzung mehr zu erwarten ist, setzt das BfS ergänzend mobile Messsysteme ein, um das Bild der radiologischen Lage zu verfeinern. Dazu wird zunächst die räumliche Verteilung von radioaktiven Stoffen mit Hilfe von hubschraubergestützten Messungen kartiert. Werden bei der Auswertung Bereiche mit Werten der Gamma-Ortsdosisleistung deutlich oberhalb der natürlichen Umgebungsstrahlung lokalisiert, können diese Gebiete zusätzlich durch fahrzeuggestützte Messungen radiologisch detaillierter untersucht werden. Hierfür werden an sechs Standorten Deutschlands speziell ausgerüstete Fahrzeuge vorgehalten. Ergänzt werden können diese Untersuchungen durch Vor-Ort-Messungen und die Entnahme von Boden- und Pflanzenproben mit anschließender radiochemischer Analyse im Labor. Vier Arten von Messsystemen Insgesamt werden vier unterschiedliche Arten von Messsystemen vorgehalten. ODL-Sonden Hubschrauber-Messsystem Fahrzeug-gestützt Mobile ODL ODL-Sonden Stationäre und quasi-stationäre ODL-Sonden Temporär aufgebaute quasi-stationäre Sonde Das ODL -Messnetz verfügt über ortsfest aufgebaute Sonden mit kabelgebundenen Anschlüssen zur Stromversorgung und zur Datenübertragung. Zusätzlich stehen auch sogenannte quasi-stationäre ODL -Sonden bereit. Es handelt sich dabei um mobile Sonden mit autarker Stromversorgung. Im Ereignisfall kann das Messnetz mit diesen Sonden gezielt in einem möglicherweise betroffenen Gebiet verdichtet werden. Dadurch lassen sich kleinräumigere Bewertungen der radiologischen Lage erstellen. Das Gesamtbild wird genauer. Aufbau und Funktionsweise der Messsonden Die stationären und quasi-stationären ODL -Sonden sind weitgehend baugleich. Sie bestehen aus zwei Geiger-Müller-Zählrohren. Die Zählrohre sind mit Gas gefüllt und befinden sich in einem elektrischen Feld. Schlagen Teilchen durch die Rohrwand, wird ein Spannungsimpuls erzeugt, der dann gezählt wird. Die gasgefüllten Zählrohre sind unterschiedlich groß und ermöglichen so einen extrem weiten Messbereich zwischen etwa 0,04 Mikrosievert pro Stunde und 5 Sievert pro Stunde. Das Niederdosis-Zählrohr Das empfindliche sogenannte Niederdosis-Zählrohr ermöglicht die Bestimmung der ODL im Grundpegelbereich. Das ist der Bereich der natürlichen Umweltradioaktivität, die in Deutschland bzw. Europa typischerweise im Bereich von 0,04 bis 0,25 Mikrosievert pro Stunde liegt. Das Hochdosis-Zählrohr Um auf alle Szenarien vorbereitet zu sein, ermöglicht das zweite sogenannte Hochdosis-Zählrohr die Messungen der ODL bis 5 Sievert pro Stunde. Die von den ODL -Sonden erzeugten Daten ermitteln einen Gesamtwert der Umgebungsradioaktivität, ohne zwischen unterschiedlichen Radionukliden zu unterscheiden. Spektrometrierende ODL -Sonden Eine spektrometrierende ODL-Sonde wird zur energieabhängigen Registrierung der Gamma- und Röntgenstrahlung eingesetzt. Beispielsweise wird bei einem Szintillator-Detektor die Energie der Strahlung in Lichtimpulse umgewandelt. Das Licht wird verstärkt und in ein analoges elektrisches Signal verarbeitet. Das elektrische Signal wird in einen digitalen Wert umgerechnet und weiterverarbeitet. Werden diese Signale über einen längeren Zeitraum – zum Beispiel 30 Minuten - aufgezeichnet, so ergibt sich ein Spektrum. Dieses Spektrum gibt Aufschluss darüber, welche Radionuklide in welcher Intensität beteiligt sind. Hubschrauber-Messsystem Messsysteme im Hubschrauber Reinstgermanium-Detektor (HPGe) Für die Messflüge werden Hubschrauber mit speziellen Einrichtungen zum Aufspüren gammastrahlender Radionuklide ausgerüstet. Detektoren Zum Aufspüren gammastrahlender Radionuklide kommen zwei verschiedene Detektortypen zum Einsatz - zum einen ein hochreiner Germaniumdetektor zur sicheren Identifikation von radioaktiven Stoffen , zum anderen bis zu vier Natriumjodid-Detektoren zum Aufspüren von Strahlenquellen und Strahlungsanomalien sowie zur Bestimmung der Gamma-Ortsdosisleistung . Natriumjodid-Detektor (NaI(Tl)-Detektor) Aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Natriumjodid-Detektoren können Spektren schnell aufgenommen und ausgewertet werden. Während eines Messzyklus von einer Sekunde wird bei einer Fluggeschwindigkeit von 100 Kilometern pro Stunde eine Strecke von etwa 28 Metern überflogen. Summenspektren des Germaniumdetektors und eines NaI(Tl)-Detektors vom Messflug "Biblis" Dahingegen können die Messzyklen beim Germaniumdetektor wegen der geringeren Nachweiswahrscheinlichkeit mehrere zehn Sekunden bei der Kartierung der natürlichen Radioaktivität in der Umwelt betragen. Zusätzlich können in den Hubschrauber weitere Messinstrumente eingebaut werden. Derzeit ist zusätzlich ein Gamma-Ortsdosisleistungsmessgerät verbaut. Dadurch kann sich die Hubschrauberbesatzung während des Messfluges jederzeit über die aktuelle Dosisleistung im Hubschrauber bzw. die dort aufgelaufene Dosis informieren. Radiologische Kartierung Neben den Messspektren werden bei jedem Messzyklus auch die Flughöhen anhand des im Hubschrauber eingebauten Radarhöhenmessers und die geographischen Koordinaten (GPS) aufgezeichnet. Diese eindeutige Zuordnung der geographischen Koordinaten zu den Messdaten ermöglicht eine radiologische Kartierung der beflogenen Messgebiete. Mess- und Auswertesoftware Um während des Fluges Daten aufnehmen und anschließend weiter verarbeiten zu können, hat das BfS verschiedene Softwarelösungen entwickelt und nutzt unter anderem die Programme Control Flight Server (CFS), mit dem alle im Messsystem enthaltenen Hardwarekomponenten angesteuert werden können, Programmable Interface for Spectrometry Applications (PISA), das Messungen starten, beenden und eingestellte Messparameter sowie aufgenommene Messdaten visualisieren und speichern kann, sowie Rohflug, dass eine erste detaillierte Auswertung der Messdaten direkt nach der Landung des Hubschraubers ermöglicht. Fahrzeug-gestützt Mobile in-situ Messsysteme HPGe-Detektor Um Radionuklide im Boden in-situ – also vor Ort und ohne Probenahme – nachzuweisen, wird die Art der beim Zerfall der Radionuklide ausgesandten Strahlung analysiert. Diese ist charakteristisch für den jeweiligen Prozess. Die Art der emittierten Teilchen und deren Energie(-verteilung) stellen somit eine Art Fingerabdruck eines Radionuklids dar. In-situ Gammaspektroskopie Für die in-situ Gammaspektroskopie setzt man nahezu ausschließlich Messsysteme ein, deren Kernstück aus einem mit hochreinem Germanium (abgekürzt HPGe nach dem englischen high purity Germanium) gefüllten Detektorkopf besteht. Die Energie der Gammastrahlung wird in elektrische Impulse umgewandelt. Durch einen Vielkanalanalysator wird die Impulshöhe verarbeitet und ein Spektrum erzeugt. HPGe-Detektoren zeichnen sich durch eine sehr gute Energieauflösung aus, die allerdings nur über eine starke Kühlung (circa -196 Grad Celsius) erreicht wird. Durch großvolumige Detektoren und lange Messzeiten können auch sehr geringe Mengen an Radionukliden nachgewiesen werden. Mobile ODL Mobile ODL zur Messung während der Fahrt Sonde für mobile Messungen Für ODL -Messungen während der Fahrt nutzt das BfS ein großvolumiges NBR- (Natural Background Reduction) System. Das System nutzt ein spezielles Verfahren, um zwischen künstlicher und natürlich vorkommender radioaktiver Strahlung zu unterscheiden. Dabei detektiert das System die Gammastrahlung in verschieden Energiebereichen und vergleicht die gemessenen Werte miteinander. Weicht das gemessene Spektrum von dem vorher erlernten natürlichen Spektrum ab, ist dies ein Indiz für künstliche Aktivität . Rucksack-getragene ODL -Messsysteme zur kleinräumigen Kartierung Das mobile Messsystem besteht aus einer eichfähigen Szintillatorsonde in Kombination mit einer GPS-Maus und einem Laptop. An ein vom BfS entwickeltes Programm werden folgende Daten geliefert: die gemessene Ortsdosisleistung (1 Wert pro Sekunde) von der Sonde sowie die geographische Position, die Geschwindigkeit und die geographische Höhe von einer angeschlossenen GPS-Maus. Die Daten können automatisch im Minutentakt über eine Mobilfunkverbindung zu einem der sechs zentralen Datenserver des BfS -Ortsdosisleistungsmessnetzes ( ODL -Messnetz) übertragen und in eine Datenbank eingespeist werden. Die Mitarbeiter vor Ort und in der BfS -Leitstelle können online die Position und die gemessene Ortsdosisleistung der beteiligten Messsysteme beobachten. Bei Bedarf können sie über Handy die Route korrigieren oder kleinräumigere Messungen in einem bestimmten Gebiet anordnen Stand: 14.08.2024