Pflanzenschutzmittel gefährden Feldvögel Der großflächige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft gefährdet zunehmend Vögel auf Feldern. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA). Vor allem Rebhuhn und Feldlerche finden durch den Chemikalieneinsatz weniger Nahrung, weil mit den Schädlingen auch Futtertiere wie Schmetterlingsraupen und andere Insekten getötet werden. Herbizide beseitigen außerdem Wildkräuter auf den Äckern, von denen die Insekten leben. So wird die Nahrungskette nachhaltig gestört. Dabei wäre es möglich, die Artenvielfalt auf Äckern, Feldern und Wiesen zu schützen. Thomas Holzmann, derzeit amtierender Präsident des Umweltbundesamtes: „Wir brauchen einen Mindestanteil von Flächen, auf denen nicht gespritzt wird. Auf solchen Blühstreifen und Brachen fänden Feldvögel, Schmetterlinge, und Bienen dann genügend Nahrung.“ Vor allem bei Feldvogelarten, die für die Aufzucht ihrer Jungen auf den Feldern nach Insekten suchen, führt der Einsatz eines Insektenvernichtungsmittels während der Aufzucht oft zum Verhungern der Jungtiere und zur Gefährdung der Art. Bei Rebhuhn, Goldammer und Feldlerche sind solche indirekten Gefährdungen durch Pflanzenschutzmittel nach überwiegender wissenschaftlicher Auffassung weitgehend gesichert. Alle Vogelarten, die am Boden brüten, leiden zudem darunter, dass Getreide durch den Einsatz von Pilzbekämpfungsmitteln (Fungiziden) immer dichter angepflanzt werden kann. Den Vögeln bleibt so zu wenig Raum und Nahrung, um ihre Nachkommen aufzuziehen. Für die aktuelle Studie haben Forscher und Forscherinnen die Ergebnisse zahlreicher anderer Studien zur Gefährdung von Beständen ausgewertet, bei insgesamt 27 Vogel- und 22 Säugetierarten. Sie wollten wissen, welche Ursachen es für den an vielen Orten beobachteten Artenrückgang gibt. Da mit der intensiven Landwirtschaft ein generelles Verbot chemischer Pflanzenschutzmittel nicht vereinbar ist, sind Ausgleichsmaßnahmen notwendig: „Mit Blühstreifen, Brachflächen und unbehandelten Dünnsaaten lässt sich auch in der modernen, intensiven Landwirtschaft die Artenvielfalt auf den Äckern schützen. Vieles davon ist bereits Bestandteil von den Agrarumweltprogrammen der Bundesländer, wir haben also gute Praxiserfahrungen damit. Die negativen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln lassen sich so deutlich mindern, ohne die Erträge zu gefährden.“, sagte Thomas Holzmann. Langfristig müsse die Abhängigkeit der Landwirtschaft von chemischen Pflanzenschutzmitteln ohnehin verringert werden. Das sei auch der klare Auftrag der EG-Rahmenrichtlinie zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden an die Mitgliedstaaten. „Der Ökolandbau zeigt schon heute, dass es möglich ist, weitgehend ohne chemische Pflanzenschutzmittel auszukommen. Bislang hat der Ökolandbau in Deutschland allerdings nur einen Flächenanteil von 6 Prozent – und verfehlt damit das Ziel der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie von mindestens 20 Prozent Ökolandbau. Hier kann und muss mehr passieren.“, so Thomas Holzmann. In Deutschland werden pro Jahr fast 100.000 Tonnen Pflanzenschutzmittel auf Äckern, Wiesen, Wein- und Obstkulturen eingesetzt. Die Mittel unterliegen einer strengen Zulassung, an der auch das UBA beteiligt ist. Pflanzenschutzmittel dürfen nur nach guter fachlicher Praxis angewendet werden und sich nicht unvertretbar auf die biologische Vielfalt auswirken. Im Zulassungsverfahren prüft das UBA umfassend die Umweltverträglichkeit eines Pflanzenschutzmittels und macht Vorschläge für ein Risikomanagement.
Gemeinsame Pressemitteilung mit dem Bundesumweltministerium Neue Zulassungspraxis für Pflanzenschutzmittel soll Ausstieg ergänzen Das Bundesumweltministerium hat einen Plan für einen schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung des Breitband-Herbizids Glyphosat vorgelegt. Dazu soll die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung geändert werden. Zudem wird das Umweltbundesamt, das als Fachbehörde am Zulassungsverfahren beteiligt ist, die Zulassung biodiversitätsschädigender Produkte an einen Anwendungsvorbehalt knüpfen. Landwirte, die solche Mittel nutzen wollen, müssen auf ihren Ackerflächen einen Mindestanteil an pestizidfreien Ackerlebensräumen für Tier- und Pflanzenarten garantieren. Dieser Anwendungsvorbehalt gilt nicht nur für Glyphosat, sondern künftig für alle Pestizide, die die Artenvielfalt nachweislich schädigen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Diese Koalition hat sich darauf verständigt, den Einsatz von Glyphosat grundsätzlich zu beenden. Der einfachste Weg, ein Verbot des Wirkstoffs auf EU-Ebene, ist bis Ende 2022 verbaut, weil der frühere Bundeslandwirtschaftsminister in Brüssel für eine erneute Genehmigung des Wirkstoffes gestimmt hat – entgegen der Abmachung der damaligen Bundesregierung. Jetzt müssen wir alle rechtlichen Hebel nutzen, die uns auf nationaler Ebene für einen Glyphosat-Ausstieg zur Verfügung stehen. Glyphosat bedroht nachweislich die Artenvielfalt in unserer Agrarlandschaft. Die große Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich eine naturverträgliche Landwirtschaft ohne Glyphosat. Aber wir dürfen an diesem Punkt nicht stehen bleiben und müssen den massenhaften Einsatz von Pestiziden insgesamt drastisch reduzieren. Wenn statt Glyphosat nur andere, vielleicht noch schädlichere Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, ist für die Umwelt nichts gewonnen. Darum werden wir im Rahmen des Zulassungsverfahrens für jedes Pflanzenschutzmittel, das die Biodiversität schädigt, neue Naturschutzauflagen einfordern.“ UBA -Präsidentin Maria Krautzberger: „Solange Glyphosat in der EU zugelassen ist, ist es rechtlich nicht möglich, seinen Einsatz im Rahmen des Zulassungsverfahrens ganz zu verhindern. Gleichwohl müssen wir jede Möglichkeit nutzen, um die schlimmsten Auswirkungen auf die biologische Vielfalt abzuwenden, indem wir neue und wirksame Auflagen vorschreiben. Daher müssen Landwirte künftig einen Teil ihrer Ackerfläche als Biodiversitätsfläche vorhalten. Dort sollen Wildtiere wie Feldlerche, Rebhuhn, Wildbienen und Schmetterlinge wieder ausreichend Nahrung finden. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit muss diese Anwendungsbestimmungen nun in die Zulassung übernehmen, sonst sind die Produkte nicht zulassungsfähig. Damit tragen wir deutlich zu mehr Schutz der Biodiversität bei als bislang.“ Glyphosat hat wie viele andere Pflanzenschutz-Wirkstoffe gravierende Folgen für die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft. Als Totalherbizid vernichtet es ohne Unterschiede alle Pflanzen und zerstört damit die Nahrungs- und Lebensgrundlage für viele Insekten- und Vogelarten wie Schmetterlinge und Feldlerche. Dies wurde mehrfach wissenschaftlich belegt. Die Bundesregierung hat sich aus diesen und anderen Gründen im Koalitionsvertrag dazu bekannt, den Einsatz von Glyphosat grundsätzlich zu beenden. Der Ausstieg aus Glyphosat ist ein schrittweiser Prozess, den das Bundesumweltministerium mit dem federführenden Bundeslandwirtschaftsministerium gemeinsam gehen will. Ein Verbot des Mittels u.a. in Privatgärten und Parks hat das Bundeslandwirtschaftsministerium bereits vorgeschlagen. Aus Sicht des Bundesumweltministeriums ist es zudem möglich und erforderlich, folgende Beschränkungen in die Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung aufzunehmen: Durch ein solches Maßnahmenbündel ließe sich der Glyphosateinsatz zeitnah in einem EU-konformen Rahmen minimieren. Darüber hinaus will das BMU in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung eine Regelung festschreiben, die den Glyphosateinsatz mit Ablauf der Wirkstoffzulassung auf EU-Ebene und der vorgeschriebenen Übergangsfrist Ende 2023 verbindlich und umfassend beendet. Parallel dazu wird das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel künftig an Auflagen zum Schutz der Artenvielfalt geknüpft und zwar für alle Mittel, die die Artenvielfalt nachweislich schädigen. Demnach müssen Landwirte, die diese Pflanzenschutzmittel einsetzen, ab dem 1. Januar 2020 einen Teil ihrer Ackerfläche als „Biodiversitätsfläche“ vorhalten. Auf diesen Flächen dürfen dann keine Pflanzenschutzmittel mehr gespritzt werden. Als Biodiversitätsflächen werden vom UBA unter anderem Blühflächen und Brachen anerkannt, sowie Getreideäcker mit geringer Saatdichte. Diese Flächen fehlen heute vielerorts in der Agrarlandschaft, was gravierende Folgen für die Artenvielfalt hat. Im Schnitt soll der Anteil dieser Flächen bei 10 Prozent liegen, je nach ökologischer Wertigkeit. Dieser Wert wird von Fachleuten als Mindest-Rückzugsraum für Insekten, Vögel oder Säugetiere empfohlen. Das Umweltbundesamt hat dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) heute die ersten Bescheide übermittelt, die diese neuen Auflagen für die Zulassung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel enthalten. Die Genehmigung dieser Mittel muss in diesem Jahr verlängert werden. Die Zulassung erfolgt durch das BVL im Geschäftsbereich des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Sie muss im Einvernehmen mit dem UBA erteilt werden, das die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt bewertet. Das EU-Recht schreibt ausdrücklich vor, dass Pflanzenschutzmittel nur zugelassen werden dürfen, wenn sie keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt, unter besonderer Berücksichtigung der biologischen Vielfalt, haben.
Umweltschutz wird gestärkt Die EU hat neue Regeln zum Pflanzenschutz in Kraft gesetzt. Die neuen Regelungen in der EU über die Zulassung und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln sind für den Umweltschutz in Europa ein großer Wurf: „Die neue Zulassungs-Verordnung verbietet die Anwendung besonders gefährlicher Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln. Das war lange überfällig und ist nun ein Fortschritt für den vorsorgenden Umweltschutz” - sagt Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes. Auch eine Rahmenrichtlinie zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bringt Umweltvorteile: Erstmals wird in Europa ein einheitlicher Rahmen geschaffen, um die mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verbundenen Risiken für Menschen und Umwelt zu reduzieren. Wirkstoffe mit besonders bedenklichen Eigenschaften sind zukünftig in Pflanzenschutzmitteln generell nicht mehr zulassungsfähig. Darunter sind auch Stoffe, die für die Umwelt besonders gefährlich sind: Neben den international geächteten POP -Stoffen gilt dies für Stoffe, die sich in der Umwelt nur sehr schwer abbauen, sich in Lebewesen und damit in der Nahrungskette anreichern und gleichzeitig (umwelt-)giftig sind (sogenannte PBT -Stoffe - persistent, bioakkumulierend und toxisch). Auch Stoffe, die Krebs auslösen und solche, die das Hormonsystem oder das Erbgut von Menschen und Tieren schädigen können, werden zukünftig grundsätzlich verboten. Um die neuen Regelungen in der Praxis anwenden zu können, entwickelt nun das Umweltbundesamt gemeinsam mit seinen Schwesterbehörden in den anderen EU-Staaten geeignete Prüf- und Bewertungsmethoden. Jochen Flasbarth: „Es geht darum, die Spreu vom Weizen zu trennen. Wir müssen sicherstellen, dass die Kriterien so ausgestaltet werden, dass ein Verbot auch tatsächlich diejenigen Stoffe trifft, die in der Umwelt Schäden verursachen können. Vor allem bei den hormonsystemstörenden Stoffen fehlt uns noch das Werkzeug, um die Verbotsnorm auch anwenden zu können.” Die neue Rahmenrichtlinie über den nachhaltigen Gebrauch von Pestiziden geht hingegen gezielt solche durch Pflanzenschutzmittel verursachte Umweltprobleme an, die nicht über ein Zulassungsverfahren geregelt werden können: So wenden viele Landwirte in Europa noch immer deutlich mehr Pflanzenschutzmittel an, als für eine erfolgreiche Ernte eigentlich nötig wäre. Auch Verstöße gegen Umweltauflagen treten noch zu häufig auf. Ein weiteres Problem ergibt sich direkt aus der Bekämpfung von Ackerbegleitkräutern und Schadinsekten: Feldvogelarten wie das Rebhuhn oder die Feldlerche finden nicht mehr genügend Nahrung, um ihre Jungen zu versorgen. Die Richtlinie verpflichtet nun die Mitgliedstaaten, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Landwirte nach Methoden arbeiten können, die mit weniger Pflanzenschutzmitteln auskommen. Hierzu zählt neben der ökologischen Landwirtschaft auch der sogenannte integrierte Pflanzenschutz. Auch das Sprühen vom Flugzeug oder Hubschrauber aus wird, abgesehen von begrenzten Ausnahmen, verboten. In einem Nationalen Aktionsplan (NAP) muss jeder EG-Mitgliedsstaat künftig konkrete Ziele, Maßnahmen und Zeitpläne festlegen, um die mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verbundenen Risiken und Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu verringern. Dazu kann auch das Anlegen von Schutzstreifen entlang von Gewässern zählen, um den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln zu verringern. Das Umweltbundesamt setzt sich außerdem dafür ein, dass dort, wo der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln unvermeidbar ist, geeignete Ausgleichsmaßnahmen ergriffen werden, damit die für unsere Agrarlandschaft typischen Vogel- und Säugerarten nicht in ihrem Bestand gefährdet werden. Damit die Richtlinie erfolgreich umgesetzt werden kann, müssen die zum Schutz der Umwelt notwendigen Ziele und Maßnahmen in Nationalen Aktionsplänen und den gesetzlichen Regelungen konkret benannt werden. Jochen Flasbarth hierzu: „Wir dürfen es nicht bei Appellen und Empfehlungen belassen, sondern müssen die Anforderungen klar beschreiben und verbindliche Ziele setzen, damit der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Mindestmaß reduziert wird.” Das Umweltbundesamt gestaltet diesen Umsetzungsprozess aktiv mit.
UBA sieht dringenden Nachbesserungsbedarf, um die Ziele des europäischen Green Deal zu erreichen Die EU-Kommission hat den Entwurf einer neuen Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln veröffentlicht, mit der der Pestizideinsatz deutlich verringert werden soll. Das Umweltbundesamt (UBA) begrüßt dies, sieht jedoch deutlichen Nachbesserungsbedarf, damit die Verordnung in der Praxis funktioniert. UBA-Präsident Dirk Messner: „Die Landwirte werden den Pestizideinsatz nur verringern, wenn finanzielle Nachteile abgefedert werden. Hierzu braucht es konkrete Festlegungen in der EU-Verordnung. Auch müssen sensible Lebensräume wie Naturschutzgebiete besser vor Pestiziden geschützt werden.“ Um den Erfolg der Pestizidreduktion messen und nachsteuern zu können, sollte die Verordnung zudem sinnvolle Kennzahlen festlegen, die die gesundheitlichen und ökologischen Risiken von Pestiziden berücksichtigen. Daten über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln müssen für Behörden verfügbar sein. Am 22. Juni 2022 hat die EU-Kommission den Entwurf einer Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln veröffentlicht – die „Sustainable Use Regulation“. Diese legt die Ziele der Farm-to-Fork-Strategie und Maßnahmen zu deren Umsetzung verbindlich fest. Demnach soll der Einsatz und das Risiko von Pestiziden bis 2030 halbiert werden. EU-Kommissarin Stella Kyriakides weist in dem Kontext nachdrücklich darauf hin, dass es nicht um mehr Verbote von Stoffen gehe, sondern um eine Reduzierung von deren Nutzung. Dies sei auch Anliegen der Bürgerinnen und Bürger der EU. Die Verordnung verpflichtet alle EU-Staaten gleichermaßen zur Mitwirkung und ist rechtlich bindender als ihre Vorgängerin, die Rahmenlichtlinie 2009/128/EC. Damit die Umsetzung der Verordnung in der Praxis auch gelingt und die verankerten Ziele erreicht werden, sieht das UBA jedoch folgenden Nachbesserungsbedarf: Finanzierung von Maßnahmen sichern: Die Verordnung umzusetzen wird Kosten für die Landwirtschaft verursachen. Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden kann durch viele Maßnahmen reduziert oder ersetzt werden. Landwirt*innen sollen diese Methoden nun verbindlich anwenden. Die Anwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden soll also die Ausnahme werden. In der Praxis können höhere Kosten und mögliche reduzierte Erträge die Betriebe daran hindern, neue Methoden einzuführen. Daher sollte die EU-Verordnung die Staaten dazu verpflichten, ein konkretes Budget im Staatshaushalt zu reservieren, um Mehrausgaben und Ertragsminderungen auszugleichen, die bei der Reduzierung des Pestizideinsatzes entstehen. Die Höhe des Budgets könnte sich an der landwirtschaftlichen Wertschöpfung orientieren. Pestizidabgabe als Steuerungs- und Finanzierungsinstrument: Eine Pestizidabgabe kann einen Beitrag zur Finanzierung leisten. Die neue EU-Verordnung sollte einen rechtlichen Rahmen hierfür schaffen. In Dänemark hat sich gezeigt, dass eine zweckgebundene Abgabe auf Pflanzenschutzmittel eine Lenkungswirkung entfalten kann – weg von besonders gefährlichen Pestiziden hin zu weniger kritischen Stoffen oder alternativen Methoden. Die Einnahmen sollten vollständig in die Landwirtschaft zurückfließen. Sie könnten Landwirt*innen zugute kommen, die umweltgerechtere Methoden zum Pflanzenschutz einführen. Auch könnten Maßnahmen für einen besseren Schutz der Gewässer vor Pestizideinträgen und den Schutz der biologischen Vielfalt finanziert werden. Wirksamer Schutz für sensible Gebieten : Der Schutz der Biodiversität ist eines der grundlegenden Ziele der EU-Verordnung. Besonders Naturschutzgebiete und Parks sind ökologisch wertvolle Lebensräume, die besser geschützt werden müssen. Hier braucht es deutlich größere Pufferzonen zu landwirtschaftlichen Flächen als bisher vorgesehen, um Pestizideinträge in diese Gebiete zu vermeiden. Ergänzend sollte der Anteil pestizidfreier Ackerflächen stetig erhöht werden – zum Schutz von bedrohten Tieren wie Feldlerche und Rebhuhn. Hier sollte die Verordnung eine eindeutige, hochgesteckte Zielmarke definieren. Geeignete Indikatoren für Fortschrittsmessung: Der Fortschritt bei der Halbierung des Einsatzes und des Risikos von Pestiziden muss mit EU-weit anwendbaren, sinnvollen Kennzahlen verfolgt werden. Zurzeit sieht die EU-Verordnung vor, beides anhand des Harmonized Risk Indicators (HRI) zu bewerten. Dieser stützt sich praktisch nur auf die verkaufte Menge der Wirkstoffe, betrachtet jedoch kaum, wie giftig sie sind. Hier unterscheiden sich die Wirkstoffe oft um mehrere Größenordnungen. Besser geeignet wären Kennzahlen, die bereits in einigen EU-Mitgliedsstaaten verwendet werden. Der Pesticide Load Indicator (PLI) bezieht die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und das Umweltverhalten einzelner Wirkstoffe ein. Der in Dänemark etablierte Treatment Frequency Index (TFI) und der in Frankreich verwendete Number of Dose Unit (NODU) sind gut geeignet, um die Intensität des Pestizideinsatzes in den Flächen abzubilden. Sie erlauben zudem bereits eine Einschätzung zur Belastung der Umwelt. Die Fortschrittmessung zur EU-Verordnung sollte sich an diesen Indikatoren orientieren. Digitale Anwendungsdaten : Laut EU-Verordnung sollen Landwirt*innen alle getätigten Pflanzenschutzmaßnahmen in ein zentrales Register eintragen. Aus Sicht des UBA ist diese Digitalisierung der Dokumentation ein essentieller Schritt für eine erfolgreiche Umsetzung. Nur so kann genau verfolgt werden, ob und wie schnell der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln zurückgeht, welche Hemmnisse konkret auftreten und welche alternativen Maßnahmen besonders effektiv waren. Wer die Einspeisung der Daten kontrolliert und welche Daten von wem einsehbar sein werden, ist bisher aber noch unklar. Wichtig für den Erfolg der Verordnung ist, dass Behörden und wissenschaftliche Institutionen Zugriff auf die Daten haben. Anonymisierte Auswertungen sollten öffentlich verfügbar sein. Dänischer Pesticide Load Indicator: Kudsk, P, Jørgensen LN, Ørum JE (2018): Pesticide load — A new Danish pesticide risk indicator with multiple applications. Land Use Policy 70, 384–393. https://doi.org/10.1016/j.landusepol.2017.11.010 Möhring N, Kudsk P, Jørgensen LN, Ørum JE, Finger F (2021): An R package to calculate potential environmental and human health risks from pesticide applications using the ‘Pesticide Load’ indicator applied in Denmark. Computers and Electronics in Agriculture 191 (2021). https://doi.org/10.1016/j.compag.2021.106498
Umweltbundesamt legt „5-Punkte-Programm für nachhaltigen Pflanzenschutz“ vor Das Umweltbundesamt (UBA) rät in einem „5-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz“ zum Umdenken beim Pflanzenschutz auf dem Acker. „Chemischer Pflanzenschutz ist ohne Zweifel risikobehaftet, denn wenn die Mittel wirken, dann nicht ohne Nebenwirkungen für die Umwelt. Deshalb können viele der Mittel nur mit hohen Umweltauflagen zugelassen werden. Besonders wichtig ist, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln insgesamt deutlich zu minimieren und stärker auf Alternativen zu setzen. Immerhin werden die Mittel großflächig in erheblichen Mengen ausgebracht – etwa 100.000 Tonnen pro Jahr in Deutschland“, sagt UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Der massive Einsatz von Ackergiften lässt die Tier- und Pflanzenwelt auf Feldern und Wiesen immer weiter verarmen. Denn die meisten dieser Gifte wirken nicht nur auf die Schädlinge allein. Beispiel Rebhuhn: Weil Pflanzenschutzmittel auch Ackerkräuter und Insekten vernichten, finden die Rebhühner nicht genügend Nahrung für sich und ihren Nachwuchs. Für Maria Krautzberger ist klar: „Der massive Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel ist einer der Hauptgründe für den Verlust der biologischen Vielfalt auf unseren Äckern. Dass es anders geht zeigt der Ökolandbau, der weitgehend auf Pflanzenschutzmittel verzichtet. Mit unserem 5-Punkte-Programm wollen wir vor allem ein Umdenken bei der konventionellen Landwirtschaft anstoßen. Wir definieren fünf Grundprinzipien für einen für die Umwelt nachhaltigen Pflanzenschutz und geben Empfehlungen, wie diese konkret umgesetzt werden können.“ Nötig seien neben der Minimierung des Einsatzes vor allem Änderungen in der Risikobewertung und im Risikomanagement von Pflanzenschutzmitteln. Hierzu zählt für das UBA insbesondere die bessere Berücksichtigung der Auswirkungen auf die biologische Vielfalt in der Zulassungspraxis: Für die Biodiversität gefährliche Mittel sollten nur dort eingesetzt werden dürfen, wo genügend unbehandelte ökologisch wertvolle Flächen vorhanden sind. Unvermeidbare Auswirkungen auf den Feldern, wie beispielsweise die Störung der Nahrungsketten beim Rebhuhn oder bei anderen Tierarten, könnten somit weitestgehend ausgeglichen werden. Für eine verbesserte Risikobewertung ist es zudem wichtig, einzelne Pflanzenschutzmittel nicht isoliert zu betrachten. „Denn es ist nicht das einzelne Pflanzenschutzmittel“, erläutert Maria Krautzberger, „sondern der intensive Einsatz in seiner Gesamtheit, der ökologisch nicht nachhaltig ist und unsere Tier- und Pflanzenwelt gefährdet.“ Weiterhin sieht Krautzberger eine Risiko-Nutzen-Diskussion als geboten: „Wir kommen nicht umhin, auch darüber nachzudenken, wer die Kosten, die der chemische Pflanzenschutz durch Schäden an der Umwelt anrichtet, tragen soll. Bislang sind das vor allem die Steuerzahler. Das sollten wir ändern.“ Eine Möglichkeit könnte eine Abgabe auf Pflanzenschutzmittel sein, die jüngst von Länderseite und von Forschungseinrichtungen ins Spiel gebracht wurde; sie würde das Verursacherprinzip auch beim Pflanzenschutz umsetzen. Wichtig dabei ist, dass die Gelder für eine nachhaltige Gestaltung des Pflanzenschutzes und Kompensation der bereits entstandenen Schäden eingesetzt werden.
Vogel des Jahres 1991 ist das Rebhuhn (Perdix perdix).
In den vergangenen 30 Jahren ist die Anzahl der Vögel europaweit um 421 Millionen Individuen zurückgegangen. Der Grund sei die moderne Agrarindustrie sowie der damit verbundene fortschreitende Verlust der natürlichen Lebensräume der Tiere. Zu diesem erschreckendem Ergebnis kommt eine am 2. November 2014 in dem Wissenschaftsmagazin Ecology Letters veröffentlichte Studie zur europäischen Vogelwelt von Wissenschaftlern der Universität Exceter, der Royal Society for the Protection of Birds und des Pan-European Common Bird Monitoring Scheme . Einst häufige Arten wie Haussperling, Feldlerche, Rebhuhn oder Star sind besonders betroffen. Insgesamt gehen 90 Prozent der Vogelverluste auf die 35 am weitesten verbreiteten Arten zurück.
Mit einer neuen Studie macht der NABU am 11.01.2013 auf die alarmierende Situation bei Deutschlands Feldvögeln aufmerksam. Umfangreiche Auswertungen des NABU zur aktuellen Bestandssituation und den Rückgangsursachen zeigen, dass ehemalige „Allerweltsarten“ wie Kiebitz, Rebhuhn und Feldlerche bundesweit erschreckende Rückgänge aufweisen. So ist seit Anfang der 1990er Jahre die Zahl brütender Kiebitze in Deutschland auf etwa ein Viertel gesunken, während die Bestände des Rebhuhns bereits seit den 1970er Jahren auf ein Bruchteil des ursprünglichen Umfangs geschrumpft sind. Neueste Bestandsdaten belegen, dass seit 2008 die Bestände von 26 der 30 Feldvogelarten abnehmen. Für Wachtel, Neuntöter und Grauammer bedeuten diese Rückgänge das Ende einer stabilen oder gar positiven Entwicklung.
Kompetenz für ein lebenswertes Land Heute begeht das LANUV in einer Festveranstaltung auf Zeche Zollverein in Essen sein 10 jähriges Bestehen und stellt dazu den Bericht „10 Jahre LANUV – Kompetenz für ein lebenswertes Land“ vor. Für NRW-Umweltminister Johannes Remmel ist das Jubiläum Anlass, die Leistungen der Fachbehörde zu würdigen: "Das LANUV und seine kompetenten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unzweifelhaft wichtige Partner meines Ministeriums. Ihre Datensammlungen, Ihre Analysen und Ihre Empfehlungen sind eine wichtige Grundlage für Politik, Verwaltung und Kommunen. Das LANUV ist nicht nur die wissenschaftlich-analytische Stütze des Ministeriums. Es ist zugleich auch Seismograph für langfristige Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen. Mit der Gründung des LANUV im Jahre 2007 wurden die Themenbereiche Natur, Umwelt und Verbraucherschutz erstmalig unter einem Dach zusammengeführt - und wir können heute sagen: das war die richtige Entscheidung." Dr. Thomas Delschen, Präsident des LANUV: „Die Wurzeln der nordrhein-westfälischen Behörden im Natur- Umwelt und Verbraucherschutz reichen mehr als 70 Jahre zurück. Dieser enorme Erfahrungsschatz hilft uns heute bei der Bearbeitung aktueller Herausforderungen.“ Am 01.01.2007 entstand aus etlichen Vorgängerbehörden das heutige Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Das ist Gelegenheit Bilanz zu ziehen und nach vorne zu schauen. Stand in den 1960er und 70er Jahren die „Reparatur“ offensichtlicher Umweltschäden wie Smog, Fischsterben und wilde Müllkippen im Vordergrund behördlicher Umweltschutzbemühungen, so sind die Aufgaben und Herausforderungen an eine moderne Fachbehörde wie das LANUV inzwischen wesentlich umfangreicher und komplexer geworden. Mit umfassenden Mess- und Monitoringsystemen wird heute der Zustand von Natur, Luft, Wasser und Boden kontinuierlich überwacht und bewertet. Fast 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeiten an den drei Hauptstandorten Recklinghausen, Essen und Düsseldorf. Hinzu kommen Labore, Wasserkontrollstationen, das Laborschiff „Max Prüss“, zwei Sondereinsatzfahrzeuge, Forschungsstellen und weitere spezialisierte Standorte wie z. B. das Artenschutzzentrum in Metelen, in dem behördlich beschlagnahmte Tiere aufgenommen werden oder die Natur- und Umweltschutzakademie des Landes Nordrhein-Westfalen. Das LANUV nimmt heute auch Aufgaben des vorsorgenden Verbraucherschutzes wahr. So werden zusammen mit den Unteren Verbraucherschutzbehörden und den Chemischen- und Veterinäruntersuchungsämtern (CVUÄ) die Qualität von Lebensmitteln überwacht und der Einsatz von Medikamenten in der Tierhaltung kontrolliert. „Das Ergebnis kann sich sehen lassen“ so LAUNV-Präsident Dr. Delschen anlässlich der Feierstunde auf Zeche Zollverein an einigen Beispielen: „Die Staubbelastung und die Schwefeldioxidbelastung in der Luft konnte drastisch reduziert werden. Die Jahresmittelwerte der Luftkonzentration für Dioxine sind im Ruhrgebiet seit 1988 um mehr als 90 % zurück gegangen, entsprechend hat z.B. auch die Dioxinkonzentration in der Rohmilch um ca. 75 % abgenommen. Der Flächenanteil der Naturschutzgebiete in Nordrhein-Westfalen ist seit Mitte der 80er Jahre von gerade mal 0,5 % über 4 % bis Ende der 90er Jahre auf nunmehr gut 8 % bis heute angestiegen. Damit sind wichtige Vorgaben der EU wie z.B. die EU-Vogelschutz- und die EU-Fauna-Flora-Habitatrichtlinie umgesetzt worden“. Trotz aller Erfolge stellen sich neue Herausforderungen. Beispiele sind: Klimawandel Messungen zeigen, dass der Klimawandel auch in Nordrhein-Westfalen angekommen ist, Starkniederschläge und Hitzewellen nehmen tendenziell zu. Um den Ausstoß klimarelevanter Gase zu reduzieren erarbeitet das LANUV Planungsgrundlagen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig werden Auswirkungen des Klimawandels untersucht und dokumentiert, damit rechtzeitig Klimaanpassungsmaßnahmen ergriffen werden können. Grundwasserbelastung Eine weiteres, nach wie vor ungelöstes Problem sind die regional sehr hohen Nitrat- und Pflanzenschutzmittelgehalte im Grundwasser. Mit dem engmaschigen Grundwassermessnetz wird zeigt, dass in Gebieten mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung hier nach wie vor Anlass zur Besorgnis besteht. Schadstoffbelastung in Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen Schadstoffbelastungen in Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen wie Sonnenkappen, Schmuck, Handyhüllen oder Lederschuhen stellen nach wie vor Herausforderungen dar. Globale Handelsströme und größer werdender Strukturen erhöhen hier den Handlungsbedarf. Verlust an Pflanzen- und Tierarten Die Monitoringprogramme des LANUV zeigen, dass in der Agrarlandschaft artenreiche Wiesen und Weiden, bestimmte Insektenarten, typische Feld-Vogelarten wie beispielsweise Rebhuhn und Kiebitz, aber auch Säugetiere abnehmen. Spezielle Verträge mit Landwirten (Vertragsnaturschutz) werden vom LANUV koordiniert und sind ein zentrales Instrument zum Gegensteuern. Tierschutz Der Einsatz von Tierarzneimitteln in der Mast, die sogenannten nicht-kurativen Eingriffe (also z. B. das Schnäbelkürzen oder das Kupieren von Schwänzen) bis hin zu Tierschutz-konformen Stalleinrichtung hängen miteinander zusammen und bestimmen Tiergesundheit, „Tierwohl“ und letztendlich auch Medikamentenrückstände in der Umwelt. Wissenstransfer Eine hohe Transparenz von Daten und Fakten, die zeitnahe Vermittlung von Erkenntnissen über elektronische Medien und der Wissenstransfer hin zu nachfolgenden Generationen lassen Umweltbildung, das Internet und auch die sozialen Medien zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dr. Delschen: „Die aktuellen Herausforderungen im Natur-Umwelt- und Verbraucherschutz sind zunehmend komplexer geworden und erfordern deutlich mehr fachübergreifende Zusammenarbeit als früher. Diese Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen. Deswegen sind 10 Jahre LANUV für mich ein Zwischenstopp in der über 70 jährigen Tradition der Behörden im Natur- Umwelt- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalens.“ Mehr: www.lanuv.nrw.de Pressemitteilung
80 Jahre NRW-Vogelschutzwarte im Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) bedeutet auch 80 Jahre amtlicher Vogelschutz im Tief- und Bergland, in Westfalen und Lippe ebenso wie im Rheinland. Eine der Aufgaben der Vogelschutzwarte ist, Managementpläne für die EU-Vogelschutzgebiete zu erstellen oder Konzepte zum Schutz einzelner Vogelarten. Aktuell gibt es in NRW 28 Vogelschutzgebiete mit einer Gesamtfläche von über 160.000 Hektar. Über 160 unterschiedliche Brutvogelarten leben derzeit in NRW, davon sind 69 vom Aussterben bedroht oder gefährdet. „Der Schutz von Vögeln ist einer der wichtigsten Bereiche des Naturschutzes", erklärte Dr. Heinrich Bottermann, Staatssekretär des NRW-Umweltministeriums, heute (20. September 2019) im Wissenschaftspark Gelsenkirchen, beim Festakt zum 80 jährigen Jubiläum der NRW-Vogelschutzwarte. „Denn viele Vogelarten sind ein Anzeiger dafür, ob die Lebensräume intakt sind. So sind Vögel in starkem Masse abhängig von Insekten. Der Rückgang von Insekten hat direkte Auswirkungen auf viele Vogelarten. Der Schutz von Vögeln ist daher sehr viel mehr, als sich nur um eine einzelne Tierart zu kümmern. Es geht hier um gesunde und funktionierende Ökosysteme, die die gesamte Artenvielfalt betreffen". „Durch menschliche Einflüsse und Nutzungen sind heute mehr Arten gefährdet, als je zuvor“, betonte Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. „Der Rückgang der Arten betrifft die Vogelwelt elementar. Die Vogelschutzwarte NRW setzt dieser Entwicklung bereits seit 80 Jahren etwas entgegen: Sie trägt entscheidend zum Schutz der Vogelwelt in NRW bei und hat den Natur- und Vogelschutz in NRW maßgeblich mitgeprägt.“ Für den Präsidenten des LANUV Dr. Thomas Delschen ist die Signalwirkung wichtig, die von Einrichtungen wie der Vogelschutzwarte ausgehen: „Vogelschutz ist Naturschutz der ersten Stunde, und Vogelschutzwarten gehören damit zu den prominenten Institutionen des Naturschutzes. Alleine die Bezeichnung drückt ja bereits die Bedeutung aus, den der Schutz von Vögeln für unsere gesamte Umwelt hat. Hier wird die Expertise gebündelt die es braucht, um erfolgreich und praxisnah Maßnahmen zum Schutz von Brutvögeln aller Art zu entwickeln“, erklärte Dr. Delschen. Dabei haben sich die einzelnen Aufgaben der NRW-Vogelschutzwarte im Laufe der Jahre maßgeblich verändert, schilderte der Leiter der NRW-Vogelschutzwarte Peter Herkenrath: „Anfangs, also in den 1930er, 1940er und 1950er Jahren, war das erklärte Ziel Vögel zu schützen, die als Schädlingsbekämpfer der Land- oder Forstwirtschaft dienten. Es ging umgekehrt damals auch darum Vögel zu bekämpfen, die selber als Schädlinge galten. Über diese Kategorien sind wir schon lange hinweg. Spätestens seit den siebziger Jahren geht es für uns darum, Populationen zu erfassen und dafür Sorge zu tragen, dass der Schutzbegriff im Sinne des Arten- und Naturschutzes alleinig im Vordergrund steht“. Dazu beigetragen hat maßgeblich die EU-Vogelschutzrichtlinie, die vor 40 Jahren in Kraft trat und neue Prioritäten im Vogel- und Naturschutz vorgab. Ein prägendes Beispiel für Maßnahmen zum Vogelschutz in NRW stellt das Programm zum Schutz von Feuchtwiesen dar, um Wiesenvögel in ihren Beständen zu sichern. Seit 1985 wurden in 92 Gebieten etwa 21.000 Hektar Fläche unter Schutz gestellt. Noch vorhandene Feuchtwiesen wurden gesichert und an anderen Stellen wiederhergestellt. Davon profitieren zum Beispiel der Große Brachvogel, die Uferschnepfe oder der Rotschenkel. Einen wichtigen Part im Schutz von Vögeln spielt der Vertragsnaturschutz. Dieser zielt darauf ab, gemeinsam mit Landnutzern, also den Landwirtinnen und Landwirten in NRW, Maßnahmen umzusetzen und dafür Ausgleichsgelder zu gewähren. Es hat sich gezeigt, das an den Stellen, wo Maßnahmen aus dem Vertragsnaturschutz zum Einsatz kommen, die Lebensräume insgesamt und damit auch viele Vogelarten aus der Feldflur in ihren Populationen wieder ansteigen. Von Brachflächen, einem Verzicht auf das Mähen oder Uferrandstreifen profitieren zum Beispiel der Kiebitz, die Feldlerche oder das Rebhuhn. Geschichte der NRW-Vogelschutzwarte : Die staatlich anerkannte Vogelschutzwarte in Nordrhein-Westfalen besteht seit 1939. Hauptanlass für die Gründung war der „wirtschaftliche Vogelschutz“: einerseits Schutz und Förderung nützlicher Vogelarten zur biologischen Schädlingsbekämpfung, andererseits Bekämpfung „schädlicher“ Vogelarten, zu denen damals beispielsweise Haus- und Feldsperling gezählt wurden. Maßnahmen hierzu wurden von der Vogelschutzwarte erprobt und durchgeführt. Aber auch der Vogelartenschutz aus ethischen Gründen spielte von Anfang an eine Rolle. Nach Umbenennungen, Umzügen, Verstaatlichung und schließlich, mit dem Landschaftsgesetz NRW 1975, Integration in die damalige Landesanstalt für Ökologie, Landwirtschaft und Forsten (LÖLF) gehört die Vogelschutzwarte heute zum Fachbereich Artenschutz, Vogelschutzwarte des LANUV NRW. Wie in früheren Jahren müssen auch heute zahlreiche Fachgutachten zu allen erdenklichen Fragen des Vogelschutzes erstellt, Bestände gefährdeter Vogelarten dokumentiert und Tagungen und andere Veranstaltungen im Rahmen der Beratung und Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt werden. Wichtige Partner der Vogelschutzwarte sind damals wie heute die Vertrauensleute für Vogelschutz, der ehrenamtliche Natur- und Vogelschutz und seit Ende der 1980er Jahre insbesondere auch die Biologischen Stationen. Andere Aufgaben dagegen haben sich gewandelt. An die Stelle von praktischen Arbeiten und Untersuchungen im Gelände sind beispielsweise die Aufbereitung und Bereitstellung von Fachinformationen, Stellungnahmen zu artenschutzrechtlichen Prüfungen, wie z. B. zu Genehmigungen von Windkraftanlagen, und internationale Berichtspflichten getreten. Viele Aufgaben betreffen die EU-Vogelschutzgebiete. Und aus der „Schädlingsbekämpfung“ ist die Erarbeitung von artenschutzverträglichen Lösungen für Konflikte mit so genannten „Problemarten“ wie Kormoran, Kanadagans und Co. geworden. Einige Aufgabenschwerpunkte der nächsten Jahre werden z. B. die Fortentwicklung des Fachinformationssystems sowie die Erarbeitung von Maßnahmenkonzepten für EU-Vogelschutzgebiete und von Artenschutzkonzepten für gefährdete Arten sein. Weitere Informationen zur Historie und den Aufgaben der NRW-Vogelschutzwarte sind zu finden in der zweiten Ausgabe 2019 der Zeitschrift „Natur in NRW“: https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuvpubl/5_natur_in_nrw/Natur-in-NRW-2-2019-web.pdf Weitere Informationen sind zu finden unter https://www.lanuv.nrw.de/natur/artenschutz/vogelschutzwarte Informationen zu den Brutvögeln sind zu finden im NRW-Brutvogelatlas: http://atlas.nw-ornithologen.de/ Der Zustand von Vögeln in NRW ist zu finden unter http://ffh-arten.naturschutzinformationen.nrw.de/ffh-arten/de/arten/vogelarten/liste Downloads: Pressemitteilung Flyer Poster
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