Am 22. Februar 2017 teilte das Bundesamt für Naturschutz mit, dass die Eisente (Clangula hyemalis), die zum Seevogel des Jahres 2017 erklärt wurde, zunehmend in Bedrängnis gerät. Die Entenart überwintert in großen Zahlen in der Ostsee. Durchschnittlich wurden im deutschen Teil der Ostsee große Winterbestände von 350.000 Eisenten ermittelt. Das sind 22 Prozent des westsibirischen-nordeuropäischen Gesamtbestands. Untersuchungen zeigen jedoch, dass in den letzten Jahrzehnten der Bestand der Meeresenten immer weiter zurückgeht. Vergleiche zwischen den Jahren 1992/1993 und 2007 bis 2009 belegten einen Rückgang der westsibirischen-nordeuropäischen Population um 65 Prozent von 4,1 Millionen auf 1,5 Millionen Individuen. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren fortgesetzt. Derzeit ist nicht bekannt, ob hierfür vor allem ein zu geringer Bruterfolg oder eine zu hohe Sterblichkeit verantwortlich sind. In den Brutgebieten werden zum Beispiel Altvögel bejagt und Gelege und Küken fallen Räubern zum Opfer. Doch auch in den Rast- und Durchzugsgebieten der Ostsee lauern Gefahren: So halten sich viele Eisenten insbesondere in Flachwasserbereichen auf, in denen teilweise auch intensive Stellnetzfischerei betrieben wird. Da sich Eisenten tauchend ernähren, können sie sich in Stellnetzen verfangen und ertrinken. Darüber hinaus reagieren Eisenten sehr sensibel auf Störungen, zum Beispiel durch Schiffsverkehr. Auch in Windparkgebieten konnten Meidungseffekte beobachtet werden. Darüber hinaus führen Verölungen insbesondere nahe der Schifffahrtswege zu weiteren hohen Verlusten.
Das Projekt "Entwicklung von alternativen Managementansätzen und Fangtechniken zur Minimierung der Konflikte zwischen der Stellnetzfischerei und Naturschutzzielen und Schutzgütern in der deutschen AWZ der Ostsee (STELLA: STELlnetzfischerei-LösungsAnsätze)" wird vom Umweltbundesamt gefördert und von Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Institut für Ostseefischerei durchgeführt. Die kommerzielle Fischerei ist eine menschliche Aktivität, die erhebliche negative Auswirkungen auf das marine Ökosystem haben kann. In den deutschen Ostseegewässern sind die Beifangraten von Seevögeln und marinen Säugetieren in Kiemen- und Verwickelnetzen eines der wesentlichen Konfliktfelder zwischen Fischerei und Naturschutz. Trotz diverser Einzelstudien in der Vergangenheit sind wesentliche Eckpunkte und Managementoptionen, die zu einer Lösung dieses Konfliktes beitragen können, weiterhin unklar. Gesamtziel dieses Vorhabens ist es, signifikante Fortschritte auf dem Weg zur Lösung der bestehenden oder potentiellen Konflikte zwischen den fischereilichen Aktivitäten der passiven Fischerei (v.a. der Stellnetzfischerei) und dem Schutz von Seevögeln und Meeressäugern in der deutschen AWZ der Ostsee zu erreichen.
Bisherige Arbeiten konzentrierten sich dabei vor Allem auf einzelne Fragestellungen im weiteren Umfeld der Problematik von unerwünschten Beifängen von Seevögeln und Meeressäugern, wie z.B. Untersuchung fangtechnischer Möglichkeiten oder die Erhebung von Daten zur aktuellen Beifang-Situation. Diese thematisch enge Betrachtung hat bisher weder zu einem besseren Verständnis der Ursachen und Mechanismen der Beifang-Problematik, noch zu den gewünschten technischen Lösungen geführt.
Aus diesem Grund sollen in diesem Projekt verschiedene Aspekte zur Datenerhebung, zu fangtechnischen Lösungen und zum Verhalten der Fischer untersucht und entsprechende Konzepte und Methoden erarbeitet werden. Hierbei wird es insbesondere durch die enge Verknüpfung der einzelnen Themenschwerpunkte und dem daraus resultierenden Gesamtverständnis möglich, ganzheitliche Konzepte und Lösungen zu erarbeiten.
Konkret sollen zunächst verbesserte Aufwands- und Beifangdaten der Stellnetzfischerei erhoben werden. Aus der heterogenen Flotte der passiven Fischereien werden homogene(re) Fischereifahrzeugcluster identifiziert. Für diese Flotteneinheiten sollen dann geeignete Alternativen zur bisherigen Fangpraxis entwickelt werden. Dafür werden einerseits Strategien zur Vermeidung von Phasen mit hohen Beifängen identifiziert, andererseits Fanggeräte weiterentwickelt und getestet, die je nach Zielart in Zeit und Raum alternativ zu Stellnetzen eingesetzt werden können. Um die Effektivität bei der Umsetzung möglicher Maßnahmen zu steigern, soll die Bereitschaft der Fischer zur Anwendung der Lösungsvorschläge ermittelt werden. Die Szenarien können dann sogar spezifisch für einzelne Fischereisegmente empfohlen werden.