Viele Pflanzenschutzmittel (PSM), die in der Europäischen Union für den landwirtschaftlichen und privaten Gebrauch zugelassen sind, enthalten mehr als einen Wirkstoff. Solche Kombinationsprodukte und auch Monoformulierungen mit einem Wirkstoff werden häufig mit anderen Pflanzenschutzmitteln in Tankmischungen in einer Sequenz von Feldanwendungen eingesetzt. Daher stellt die Bewertung von realistischen Behandlungsregimes einen wesentlichen Bestandteil der Umweltrisikobewertung von PSM dar. Seit Jahrzehnten beschäftigen sich viele Studien mit den Effekten von Schadstoffmischungen auf verschiedene Organismen und Endpunkte. Das Modell der Konzentrationsadditivität (CA) gilt in vielen Fällen als geeignet die Wirkung von Schadstoffmischungen vorherzusagen. Dennoch fehlt es an Kenntnissen zur Vorhersagbarkeit von chronischen Mischungseffekten und von Effekten auf aquatische oder terrestrische Gemeinschaften. Zur Beantwortung dieser Fragestellung haben wir im COMBITOX-Projekt vorhandenes Wissen und Daten zu chronischen Effekten sowie für aquatische und terrestrische Gemeinschaften ausgewertet. Zudem haben wir verfügbare Modelle und Ansätze (z.B. HAIR 2014, SYNOPS-WEB, PRIME-beta etc.) kritisch evaluiert, um deren Nutzen für eine Risikovorhersage von Behandlungsregimes in terrestrischen und aquatischen Ökosystemen zu bewerten. Weiterhin wurde ein einzigartiger und großer Datensatz von agrarwirtschaftlichen Spritzfolgen für verschiedene Agrarkulturen in Deutschland analysiert. Aus diesem Datensatz haben wir vier Spritzfolgen ausgewählt, die verschiedene Behandlungsszenarien (Worst-Case- und Typical-Case-Spritzfolgen) für Apfel- und Winterraps darstellen. Für diese Spritzfolgen wurde das zusätzliche Umweltrisiko im Vergleich zur Einzelanwendung von PSM quantifiziert. Das zusätzliche Risiko wurde mit dem maximalen kumulativen Verhältnis (MCR) berechnet (Verhältnis des geringsten toxicity exposure ratio, TER, für die toxischste Substanz zum kumulativen TER einer Mischung oder Spritzfolge). Unsere Analysen ergaben, dass CA chronische Mischungseffekte auf Individuenebene in vielen Fällen vorhersagen kann, wenn die Toxizitätsdaten auf ECX-Werten im Vergleich zu weniger präzisen NOEC-Werten basieren. Aus der verfügbaren wissenschaftlichen Literatur und regulatorischen Studien konnten keine klaren Aussagen zur Anwendbarkeit von CA oder Effektaddition für die Vorhersage von Mischungseffekten auf Gemeinschaftsebene getroffen werden. Anhand der Spritzfolgendaten haben wir kulturspezifische Muster bezüglich der angewandten PSM-Klassen und der Behandlungshäufigkeit identifiziert. Für die vier Spritzfolgen wurde ein zusätzliches Risiko der Behandlungsregime mit einem Faktor von 2,18 (50. Perzentil) bis 5,26 (90. Perzentil) über alle untersuchten Risikoindikatoren und Spritzfolgen ermittelt. Darüber hinaus wurde ein neuer Ansatz, MITAS, entwickelt, um die zeitabhängige Mischungstoxizität in einem Behandlungsregime bewerten zu können. Es wird geschlussfolgert, dass das zusätzliche Risiko von PSM-Anwendungen in Spritzfolgen ökotoxikologisch relevant ist und für eine protektive Risikobewertung von PSM berücksichtigt werden muss. Unsicherheiten bestehen noch hinsichtlich des Einflusses von Synergismen, indirekten Effekten, Saatgutbehandlung, wiederholter Exposition oder Umweltstressoren auf die Effekte von PSM-Spritzfolgen. Quelle: Forschungsbericht