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Stickstoffüberschuss der Landwirtschaft seit 20 Jahren zu hoch

Bis 2017 keinerlei Trendwende bei Regionen mit Intensivtierhaltung Die Landwirtschaft hat noch erheblichen Nachholbedarf bei der Minderung ihrer Stickstoffeinträge. Das zeigt die aktuelle Stickstoffflächenbilanz des Umweltbundesamtes (UBA) mit ausgewerteten Daten bis 2017. Insgesamt liegt der durchschnittliche Stickstoffüberschuss der Flächenbilanz bei 77 kg pro Hektar (kg/ha) und ist seit mehr als 20 Jahren praktisch unverändert. Zuwächse gab es in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in den Kreisen mit intensiver Tierhaltung. Die hohe Stickstoffzufuhr kommt zum einen durch die klassischen Dünger, wie Mineraldünger und Gülle, zustande. Zudem steigt die Belastung durch Gärreste aus der Biogaswirtschaft, die mittlerweile rund 15 Prozent der in der Landwirtschaft verwendeten Stickstoffmenge verursachen. Maria Krautzberger, Präsidentin des ⁠ UBA ⁠: „Diese Situation hat Deutschland durch Untätigkeit selbst verschuldet. Wer so lange viel zu wenig tut, darf sich nicht wundern, wenn die EU-Kommission gerichtlich auf die Einhaltung der Regeln pocht.“ Deutschland wurde 2018 vom Europäischen Gerichtshof wegen Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie verurteilt und zu wirksamen Minderungsmaßnahmen verpflichtet. Auch die 2017 novellierte Düngegesetzgebung wurde von der EU-Kommission nicht als ausreichend erachtet und muss daher abermals überarbeitet werden. „Wird Deutschland nicht aktiv, drohen empfindliche Strafzahlungen an die EU – und es bleibt bei hohen Belastungen für Mensch und Umwelt“, so Krautzberger. Stickstoff (N) ist ein elementarer Baustein aller Lebewesen. Die Landwirtschaft setzt Stickstoffdünger ein, um die Erträge zu steigern. Im Übermaß ausgebrachter Stickstoff beeinträchtigt Gewässer, ⁠ Klima ⁠, Luftqualität und die ⁠ Biodiversität ⁠ erheblich. Seit mehr als 20 Jahren lässt das UBA daher den Stickstoffüberschuss in der Landwirtschaft berechnen. Für die nationale Flächenbilanz werden die Stickstoffmengen ermittelt, die mit der Düngung, mit dem Saatgut und aus der Luft auf die Äcker und Wiesen gelangen, und es wird ermittelt, wie viel Stickstoff mit der Ernte wieder entzogen wird. Die Differenz ist der Stickstoffüberschuss, der zur Gewässerbelastung beiträgt. Die nun aktualisierte Flächenbilanz auf regionaler Ebene ist neben der Stall- und Biogasbilanz eine Teilgröße der Stickstoff-Gesamtbilanz. Der Stickstoffüberschuss aus der Flächenbilanz hat im Mittel der Jahre 1995 bis 2017 zu 73 Prozent zum Gesamtüberschuss beigetragen. Die Stickstoffmenge, die im Mittel 2015 bis 2017 in die Biogasanlagen gelangte und dann als Gärrest auf die Felder ausgebracht wurde, betrug rund 574.000 Tonnen oder 15 Prozent der in der gesamten Landwirtschaft verwendeten Stickstoffmenge. Vergleichsweise betrug 2015 bis 2017 der Anteil der Mineraldünger 46 Prozent der insgesamt verwendeten Stickstoffmenge. Erstmals systematisch erfasst wurden somit die regionalen Auswirkungen der Biogaserzeugung auf die Stickstoffflächenbilanzen in den Kreisen. Die Stickstoffüberschüsse lassen sich mit Maßnahmen wirksam mindern. „Dafür muss der Stickstoff in der Gülle und in den Gärresten aus Biogasanlagen so ausgebracht werden, dass er nicht als Ammoniak in die Luft entweicht und von den Pflanzen besser aufgenommen werden kann. Dann könnte synthetischer Stickstoffdünger eingespart werden. Dort, wo hohe Nitratgehalte das Grundwasser belasten, kann eine Begrenzung der Tierhaltung und eine Reduzierung der Stickstoffdüngung sinnvoll sein“, empfiehlt Krautzberger. In Deutschland steht im Mittel der Jahre 2015 bis 2017 einer Zufuhr von insgesamt rund 226 Kilogramm Stickstoff pro Hektar (kg N/ha) landwirtschaftlich genutzte Fläche (LF) eine Abfuhr von rund 149 (65,8 Prozent) Kilogramm Stickstoff pro ha/LF gegenüber. 77 kg/ha Stickstoff sind also überschüssig auf den Feldern und verbleiben in der Umwelt. Dies entspricht 34,2 Prozent der gesamten Stickstoffzufuhr. Regional ist der Flächenbilanzüberschuss unterschiedlich verteilt und bewegt sich zwischen 51 kg N/ha LF für Brandenburg und 108 kg N/ha LF für Niedersachsen (siehe Abbildung). Mit den Nährstoffberichten für die Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein konnte erstmalig der Transfer von Wirtschaftsdüngern zwischen Kreisen bzw. Bundesländern in der Stickstoffbilanz berücksichtigt werden. In den Schwerpunktregionen intensiver Tierhaltung führten Gülletransporte in einigen Kreisen zu einer Verminderung der Stickstoffüberschüsse, während in den aufnehmenden Kreisen, wie in den Ackerbauregionen im östlichen Niedersachsen sowie im südlichen Nordrhein-Westfalen die Bilanzsalden erhöht werden (Abbildung rechts zeigt die Änderung der Flächenbilanz über die 20 Jahre 1995 bis 1997 zu 2015 bis 2017).

Umwelt und Landwirtschaft im Dialog

Treffen von landwirtschaftlichen Vertretungen und Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau Das Umweltbundesamt hat sich heute, 7.7.2020, mit unterschiedlichen landwirtschaftlichen Vereinigungen in Dessau-Roßlau zu einem Austausch getroffen. „Die Debatte um die Überdüngung ist ein prägnantes Beispiel für die Zielkonflikte zwischen den Interessen von Landwirtschaft und Umwelt. Auch bei anderen Themen ist die Situation für beide Seiten nicht zufriedenstellend. Die Belastungen von Boden, Wasser, Luft, Klima und Biodiversität durch die Landwirtschaft sind nach wie vor hoch. Gleichzeitig stehen viele Landwirtinnen und Landwirte unter hohem Preisdruck und klagen über zu hohe regulatorische Vorgaben. Für mich ist klar, dass wir die Umweltziele in der Zukunft nur gemeinsam erreichen. Die Landwirtinnen und Landwirte sind für uns daher unverzichtbare Gesprächspartner“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner anlässlich des Treffens mit Vertreterinnen und Vertretern der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“, dem „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“, dem „Deutschen Bauernverband“, der „Deutschen Landwirtschafts-gesellschaft“ und „Land schafft Verbindung – Deutschland“. Deutschland hat seit Jahrzehnten ein Problem mit zu hohen Düngergaben. Die Überschüsse belasten Gewässer, Luft, ⁠ Klima ⁠ und beeinträchtigen die Artenvielfalt. Das Problem konnte bisher nicht gelöst werden – die Interessenkonflikte zwischen Umwelt und Landwirtschaft waren zu hoch. Die Situation spitzte sich zu, als Deutschland 2018 wegen der unzureichenden Umsetzung der Nitratrichtlinie vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wurde und hohe Strafzahlungen drohten. Als Folge musste die erst 2017 überarbeitete Düngeverordnung 2020 abermals angepasst und verschärft werden. „Dies war unvermeidlich“, stellt Dirk Messner fest. „Ich kann nachvollziehen, dass vielen Landwirtinnen und Landwirten unter diesen Umständen die Planungssicherheit fehlt. Die Lehre daraus kann jedoch nicht sein, dass es so bleibt wie es war, sondern dass sich Landwirtschaft und Umweltschutz zukünftig frühzeitig auf wirksame Lösungen verständigen, die die Probleme wirksam beseitigen.“

Der Umwelt zu ihrem Recht verhelfen

50 Umweltvereinigungen vom UBA nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannt Das Umweltbundesamt (UBA) hat im Juli der 50. Umweltvereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen ausgesprochen. Damit können bundesweit bereits 50 Umweltvereinigungen von den besonderen Klagerechten des Umwelt-Rechtsbehelfs­gesetzes (UmwRG) Gebrauch machen und vor Gericht als Anwälte für die Umwelt eintreten. Sie können so staatliche Entscheidungen auf die Einhaltung von Umweltvor­schriften überprüfen lassen. „Die Klagerechte der Umweltvereinigungen gegen Umwelt­rechts­verstöße verhindern Defizite bei der Anwendung des Umweltrechts - das stärkt den Umweltschutz”, sagte Dr. Thomas Holzmann, Vizepräsident des UBA. Das UmwRG ist seit dem 15. Dezember 2006 in Kraft. Mit den Klagerechten des UmwRG können Umweltvereinigungen zum Beispiel gegen behördliche Zulassungen zur Errichtung von Industrieanlagen, Anlagen zur Müllverbrennung oder Energieerzeugung, große Tiermastbetriebe sowie zum Straßenbau klagen. Anders als bei Klagen von Bürgerinnen und Bürgern müssen sie dabei nicht selbst von der behördlichen Entscheidung betroffen sein. Derzeit können anerkannte Umweltvereinigungen bereits die Verletzung all derjenigen Umweltvorschriften angreifen, deren Verletzung auch betroffene Bürgerinnen und Bürger zu einer Klage berechtigen würde. „Das ⁠ UBA ⁠ befürwortet eine Ausweitung der Klagerechte auch auf Umweltvorschriften, die allein dem Schutz der Umwelt und der Natur dienen. Gerade hier ist Rechtsschutz durch Umweltverbände wichtig, denn in diesem Bereich können Einzelne nicht klagen.”, so UBA-Vizepräsident Holzmann. Der Europäische Gerichtshof prüft derzeit auf Vorlage des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, ob das europäische Recht eine Ausweitung der Klagerechte verlangt.

Gute Luft in Innenräumen in Gefahr

Umweltbundesamt veröffentlicht Jahresbericht Schwerpunkte 2017 Das Umweltbundesamt (UBA) warnt vor möglichen Gesundheitsrisiken bei der Nutzung von Gebäuden durch nicht ausreichende europäische Standards. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das es den Mitgliedstaaten künftig nicht mehr erlaubt, an Bauprodukte strengere nationale Anforderungen zum Schutz der Gesundheit zu stellen. Maria Krautzberger, Präsidentin des UBA: „Ob Parkett im Wohnzimmer oder Teppich im Kindergarten: Die EU darf bei Bauprodukten keine Abstriche bei der Gesundheit und beim Umweltschutz machen. Es muss auch weiterhin erkennbar bleiben, ob Bauprodukte der Gesundheit schaden oder nicht.“ Die gesunde Luft in Häusern und Wohnungen ist eines der Themen im heute veröffentlichten Jahresbericht „Schwerpunkte 2017“ des UBA. Bis zum Herbst 2016 verlangte das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) für innenraumluftrelevante Bauprodukte anspruchsvolle Tests. Das vergebene nationale „Ü“-Zeichen (Ü für Übereinstimmung) stellte unter anderem strenge Anforderungen an flüchtige organische Verbindungen (⁠ VOC ⁠). Diese können etwa in Fußbodenbelägen, Lacken oder Dichtstoffen enthalten sein. In zu hohen Konzentrationen sind sie gesundheitsschädlich und können unter anderem Kopfschmerzen oder Schwindel auslösen. Das deutsche „Ü“-Zeichen ist nach dem Urteil des EuGH nicht mehr erlaubt. Die EU-Kommission hat zwar einen Vorschlag für eine Ergänzung der EU-weiten und einheitlichen CE-Kennzeichnung von Bauprodukten um gesundheitliche Aspekte vorgelegt. Dieser Vorschlag lässt jedoch Emissionen von VOC aus Lösemitteln und anderen chemischen Hilfsstoffen zu, ohne dies zu kennzeichnen. „Die hohen deutschen Standards sind in Gefahr. Da wir uns über 80 Prozent der Zeit in Innenräumen aufhalten, sehen wir das sehr kritisch. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen erkennen und nachprüfen können, ob Bauprodukte in Wohnung, Kindergarten und Büro gesund-heitlich unbedenklich sind“, so Krautzberger. „Dafür brauchen wir eine eindeutige Kennzeichnung.“ So könnte es analog zu Brandschutzklassen ein Klassensystem für VOC geben. Ein weiterer ⁠ UBA ⁠-Jahresschwerpunkt ist die Landwirtschaft. Maria Krautzberger: „Wasser, Boden, Luft, ⁠ Klima ⁠ und ⁠ Biodiversität ⁠ sind durch die intensive Landwirtschaft belastet. Die durch die Landwirtschaft verursachten Umweltschäden zu beseitigen, kostet die Allgemeinheit Geld. Eine Untersuchung des UBA hatte jüngst gezeigt, dass Trinkwasser in einigen Regionen Deutschlands künftig deutlich teurer werden könnte, wenn die Nitrateinträge aus der Landwirtschaft nicht zurückgehen. „Mit der neuen Düngeverordnung werden wir allerdings Verbesserungen erreichen. So wird beispielsweise die Düngung im Herbst eingeschränkt, bei der die Gefahr besonders hoch ist, dass Nitrat ins Grundwasser gelangt“, so Krautzberger. Das UBA bezweifelt aber, ob mit den geänderten und neuen Regelungen im Düngerecht das Ziel aus der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie von maximal 70 Kilogramm Stickstoffüberschuss pro Hektar bis 2030 erreicht werden kann. ⁠ Klimaschutz ⁠ zählt ebenfalls zu den UBA-Schwerpunkten 2017. Maria Krautzberger appellierte an die Politik, die eigenen Klimaschutzziele nicht aus den Augen zu verlieren. „Laut Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung soll die Energiewirtschaft bis 2030 ihre Treibhausgasemissionen gegenüber 2014 um die Hälfte senken. Dazu müssen bis 2030 deutlich mehr als die Hälfte der Stromerzeugungskapazitäten von Stein- und Braunkohlekraftwerken gekappt werden.“ Das UBA hat bereits im Januar 2017 mögliche Ausstiegspfade aus der Kohle vorgelegt, beispielsweise Preisaufschläge für fossile Brennstoffe wie Kohle oder begrenzte Restlaufzeiten für Kohlekraftwerke. Alle Vorschläge ließen sich national umsetzen, müssten aber durch eine Verschärfung des europäischen Emissionshandels flankiert werden. „In den betroffenen Regionen muss allerdings dringend ein geordneter Strukturwandel eingeleitet werden. Nur so haben Investoren Planungssicherheit, Beschäftigte neue Arbeitsplätze und Fehlinvestitionen durch neue oder erweiterte Tagebaue werden vermieden“, sagte Krautzberger. „Das deutsche Klimaschutzziel sind 80 bis 95 Prozent Minderung bis 2050 gegenüber 1990. Dies sollte in einem Klimagesetz verankert werden, das auch den Rahmen für eine ⁠ Klimafolgenanpassung ⁠ setzt“, so Krautzberger weiter.

UBA: Schutz der biologischen Vielfalt im Zulassungsverfahren in großer Gefahr

Obergerichtliche Überprüfung von Urteilen zu Pestiziden dringend nötig Drei aktuelle Urteile des Verwaltungsgerichts Braunschweig sprechen deutschen Behörden das Recht ab, die tatsächlichen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt vollumfänglich zu bewerten und Schutzmaßnahmen für die biologische Vielfalt und das Grundwasser vorzuschreiben. Das Umweltbundesamt (UBA) hält es deshalb für dringend geboten, dass die zuständige Behörde – das Bundeamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) – gegen die Urteile in Berufung geht. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hatte unter anderem entschieden, dass die vom UBA festgestellten Auswirkungen eines Herbizids und eines Insektizids auf die biologische Vielfalt in der Zulassung nicht berücksichtigt werden dürfen, da es noch keinen Bewertungsleitfaden der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA hierfür gebe. In einer weiteren Eilentscheidung erklärte das Gericht die vom UBA geforderte Anwendungsbeschränkung eines Herbizids zum Schutz des Grundwassers für unzulässig: Neue Informationen zeigten zwar hohe Risiken für das Grundwasser auf, diese Informationen dürfe das UBA aber nicht berücksichtigen. Maria Krautzberger, Präsidentin des UBA: „Sollten die Urteile des VG Braunschweig rechtskräftig werden, geben wir den Schutz der biologischen Vielfalt im Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln auf. Auch der Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen mit Pestizidrückständen wäre in Deutschland nicht mehr sichergestellt. Es ist daher unerlässlich, dass diese Rechtsfragen vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg geklärt werden.“ Die mit den Urteilen des VG Braunschweig aufgeworfenen europarechtlichen Fragen gehen deutlich über die konkret entschiedenen Fälle hinaus. Das ⁠ UBA ⁠ hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit deshalb gebeten, fristgerecht bis zum 28. Oktober 2019 Berufung gegen die Urteile zu beantragen, um die Rechtsfragen abschließend durch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (und gegebenfalls den Europäischen Gerichtshof) klären zu lassen. „Sonst nähme das BVL als Zulassungsstelle klaglos hin, dass umweltschädliche Pflanzenschutzmittel weiter zugelassen werden. Was soll uns das Zulassungsverfahren dann noch nützen?“, so Krautzberger. Herbizid Sunfire : Das UBA hatte seine Zustimmung zur Zulassung des Herbizids „Sunfire“ unter die Bedingung gestellt, dass das Mittel in drei Jahren auf einem Acker nur einmal angewendet werden darf, um das Grundwasser zu schützen. Denn ein Abbauprodukt des Mittels ist Trifluoracetat (TFA), das in der Trinkwasseraufbereitung kaum aus dem Grundwasser entfernt werden kann. In Deutschland wurden schon hohe Konzentrationen von TFA im Grundwasser nachgewiesen, was die Trinkwasserversorgungsunternehmen vor Probleme stellt. Das Verwaltungsgericht Braunschweig erklärte in einer Eilentscheidung die zu Grunde liegende Bewertung des Umweltbundesamtes für unzulässig. Das Umweltbundesamt hatte in seiner Zustimmung zur Zulassung in Deutschland aktuellste Informationen zur Grundwassergefährdung durch TFA herangezogen. Diese dürfen nach Auffassung des Gerichts aber erst in einem zukünftigen Verfahren zur Überprüfung der Zulassung und auch zunächst nur durch den sogenannten berichterstattenden Mitgliedstaat (Niederlande) berücksichtigt werden. Herbizid Corida und Insektizid Fasthrin 10 EC : Das UBA hatte in seiner Prüfung festgestellt, dass die Anwendung der Mittel schädliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben kann. Durch das Abtöten der Begleitkräuter und Insekten wird auch Vogelarten die Nahrungsgrundlage entzogen. Das UBA hatte deshalb seine Zustimmung zur Zulassung davon abhängig gemacht, dass landwirtschaftliche Betriebe diese Mittel nur anwenden dürfen, wenn sie einen bestimmten Anteil sogenannter Biodiversitätsflächen auf ihrem Ackerland vorweisen können. Biodiversitätsflächen sind z.B. Brachen und Blühflächen, die als Ersatzlebensraum für solche Tier- und Pflanzenarten geeignet sind, deren Bestände durch die Anwendung von Pestiziden in Gefahr geraten. Ihre Einrichtung kann von den Bundesländern gefördert werden. Das Verwaltungsgericht Braunschweig bestritt in seinen Urteilen zwar die genannten Auswirkungen der Mittel auf die biologische Vielfalt nicht. Es dürften aber nur diejenigen der in der EU-Zulassungsverordnung genannten Schutzgüter im Pflanzenschutzmittelzulassungsverfahren berücksichtigt werden, zu deren Bewertung die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA Methoden vorgelegt hat. Bei vielen wichtigen Fragen ist die EFSA mit der Vorlage solcher Leitlinien jedoch auch noch zehn Jahre nach Inkrafttreten der EU-Zulassungsverordnung säumig. So auch im Falle der ⁠ Biodiversität ⁠, also der Artenvielfalt. Laut VG Braunschweig dürften sich die Zulassungsbehörden mit diesem Gesichtspunkt und vielen weiteren Fragen des Umweltschutzes bei der Pflanzenschutzmittelzulassung von vornherein nicht befassen. Auch für die Bewertung der Auswirkungen von mit Pflanzenschutzmitteln behandeltem Saatgut auf Insekten gibt es noch keine EFSA-Leitlinie. Bei der Aussaat so behandelten Saatgutes können giftige Abriebstäube in umliegende Flächen verdriften. Dies hatte im Jahr 2008 in Oberrheingebiet ein Bienensterben ausgelöst. Auch vor solchen drohenden Schäden müssten künftig, mangels EFSA-Leitlinie, die Augen verschlossen werden: Man müsste es einfach geschehen lassen und dürfte im Vorfeld, unter Nutzung der Möglichkeiten des Zulassungsverfahrens, nichts tun. Die Urteile haben in der bestehenden Form auch Einfluss auf den Umgang mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Die Ende 2017 erteilte Wirkstoffgenehmigung für Glyphosat enthält eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mit diesem Wirkstoff den Biodiversitätsaspekt besonders zu berücksichtigen und nötigenfalls Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Maria Krautzberger: „Liefen diese Bestimmung zum Schutz der biologischen Vielfalt nun leer, hätte das auch politische Sprengkraft, denn mit der Einfügung der Bestimmung zur Biodiversität hatte der damalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt seine umstrittene Zustimmung zu der erneuten Genehmigung von Glyphosat gerechtfertigt.“ In Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel beurteilt das Umweltbundesamt, ob bei Anwendung des Mittels in Deutschland Schäden an der Umwelt drohen. Ist dies der Fall, verbindet das UBA seine Zustimmung zur Zulassung mit verbindlichen Schutzmaßnahmen bei der Anwendung. Reichen auch solche Maßnahmen nicht aus, versagt das UBA seine Zustimmung. Das Mittel darf dann in Deutschland nicht zugelassen werden.

Flammschutzmittel DecaBDE ab 1. Juli 2008 in Elektro- und Elektronikgeräten verboten

Umweltbundesamt plädiert für Ersatz auch in Textilien Elektro- und Elektronikgeräte, die in Europa auf den Markt kommen, dürfen ab dem 1. Juli 2008 nicht mehr das Flammschutzmittel Decabromdiphenylether (DecaBDE) enthalten. Dies gilt unabhängig vom Herstellungsort der Geräte und für alle enthaltenen Bauteile. Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Prof. Dr. Andreas Troge sagte: „Damit ist das besonders problematische DecaBDE endlich aus neuen Elektro- und Elektronikgeräten verbannt. Auch die Textilindustrie sollte für den Flammschutz bei Vorhängen, Rollos oder Möbelbezugsstoffen auf DecaBDE verzichten. Umweltschonendere Alternativen stehen bereit.” Das können etwa Textilfasern mit fest eingesponnenen Flammschutzmitteln auf Phosphorbasis sowie Gewebe aus schwer entflammbaren Kunststoffen - wie Polyaramiden - oder aus Glasfasern sein. Oft lässt sich die Entflammbarkeit der Textilien und Möbel auch mit einer anderen Webtechnik oder einem dichteren Polsterschaum stark herabsetzen. In diesen Fällen wären überhaupt keine Flammschutzmittel mehr notwendig. ⁠ DecaBDE ⁠ ist in der Umwelt schwer abbaubar und kann sich in Lebewesen anreichern. Daher ist es sowohl in der Polarregion, bei Füchsen, Greifvögeln und Eisbären sowie anderen Tieren nachweisbar, die am Ende der Nahrungskette stehen. Auch in der Frauenmilch ließ sich DecaBDE nachweisen. Der ⁠ Stoff ⁠ wirkt zwar nicht sofort giftig, es besteht aber der Verdacht auf langfristig schädliche Wirkungen für die Embryonalentwicklung (Entwicklungsneurotoxizität) und auf den langsamen Abbau zu den stärker toxischen, bereits in allen Anwendungen verbotenen Verbindungen Penta- und Octabromdiphenylether (⁠ PentaBDE ⁠, OctaBDE). Die Eigenschaften hält das ⁠ UBA ⁠ insgesamt für so problematisch, dass es DecaBDE als persistenten, bioakkumulierenden und toxischen Stoff – sogenannten ⁠ PBT ⁠-Stoff – bewertet und sich schon lange für ein Verwendungsverbot in Elektro- und Elektronikgeräten einsetzt. Als umweltverträglichere Alternativen für DecaBDE sind vor allem bestimmte halogenfreie, phosphororganische oder stickstoffhaltige Flammschutzmittel sowie Magnesiumhydroxid geeignet. Viele Hersteller elektrischer und elektronischer Geräte verzichten daher bereits heute vollständig auf den Einsatz bromierter Flammschutzmittel zugunsten dieser Alternativen. ”Bei problematischen Chemikalienanwendungen, für die weniger schädliche Ersatzstoffe vorhanden sind, sollten die Hersteller schnell auf die Alternativen setzen”, sagte UBA-Präsident Troge. „Sonst kostet es viel zu viel Zeit und Geld, bis man letzte Gewissheit für die Schädlichkeit eines Stoffes hat und schließlich handelt”. Im Fall des DecaBDE bedeutet dies: Der Stoff ist auch beim Flammschutz in Textilien so schnell wie möglich zu ersetzen. Bislang gibt es in Deutschland Brandschutzanforderungen an Textilien nur für Gebäude mit öffentlicher Nutzung. Da flammgeschützte Textilien großflächig in Innenräumen zum Einsatz kommen können und das Waschen – etwa eines flammgeschützten Vorhangs - nicht auszuschließen ist, sind gerade in Textilien umweltschädliche Stoffe zu vermeiden. So werden Belastungen der Innenraumluft sowie des Abwassers und des Klärschlamms - und in Folge der Gewässer oder Böden - von vornherein verhindert. Die Europäische Union wollte bereits vor zwei Jahren die Anwendung des DecaBDE als Flammschutzmittel für elektrische und elektronische Geräte verbieten. Dies sah die Richtlinie 2002/95/EG zur „Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten” (so genannte RoHS-Richtlinie) vor. Bevor das Anwendungsverbot für DecaBDE in elektrischen und elektronischen Geräten überhaupt in Kraft trat, hob die Europäische Kommission es im Herbst 2005 wieder auf. Dagegen wandten sich EU-Parlament und Dänemark. Beiden gab der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun endgültig Recht. Laut EuGH darf ein Anwendungsverbot für Stoffe in elektrischen und elektronischen Geräte unter der RoHS-Richtlinie nur aufgehoben werden, falls keine technisch geeigneten Alternativen vorlägen oder diese noch schädlichere Wirkungen auf Umwelt- und Gesundheit hätten als der Stoff, dessen Anwendung verboten werde. Da es Alternativen gibt, tritt das Anwendungsverbot für DecaBDE in neuen elektrischen und elektronischen Geräten nun zum 1. Juli 2008 wieder in Kraft.

Umweltverbandsklage – erfolgreich in Sachen Umwelt und Natur

Studie belegt Wirksamkeit der Umweltverbandsklage Fast die Hälfte aller umweltrechtlichen Klageverfahren von anerkannten Umweltverbänden ist erfolgreich. Damit übertrifft die Umweltverbandsklage die durchschnittliche Erfolgsquote von verwaltungsrechtlichen Klageverfahren in Deutschland bei weitem. Sie hat sich als wirksames Instrument zur Einhaltung umweltrechtlicher Vorgaben bei der Planung und Genehmigung von Industrie- und Infrastrukturvorhaben erwiesen. Gezielte Klagen auf hohem fachlichen Niveau Im Auftrag des Umweltbundesamtes (⁠ UBA ⁠) haben das Öko-Institut e.V. und die Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse (sofia, Hochschule Darmstadt) die Wirksamkeit der Umweltverbandsklage untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass 48 Prozent aller Klagen von anerkannten Umweltverbänden in den Jahren 2006 bis 2012 vor den Verwaltungsgerichten ganz oder teilweise erfolgreich waren. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Verbände nur in wenigen, besonders aussichtsreichen Fällen von ihrem Klagerecht Gebrauch machen. So stehen durchschnittlich zwölf Klagen pro Jahr mehr als 700 Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Infrastrukturvorhaben gegenüber. Die Studie widerlegt damit die geäußerten Befürchtungen, die Einführung der Verbandsklagerechte werde zu einer Flut von Klagen führen. Der überdurchschnittliche Erfolg dieser Verfahren zeigt vielmehr, dass die Umweltverbände ihre Klagerechte kompetent und verantwortungsbewusst wahrnehmen. Verbesserungen für den Umweltschutz bereits im Vorfeld von Klagen Die Befragung von Verbändevertretern und Akteuren bei Genehmigungsbehörden und Vorhabenträgern hat ergeben, dass bereits die bloße Möglichkeit einer Klage positive Wirkung für die Berücksichtigung von Umweltschutzbelangen entfaltet. Genehmigungsbehörden und Vorhabenträger berücksichtigen die  Stellungnahmen und Einwände der Verbände bereits in der Planungs- und Genehmigungsphase. Dies verbessert die Qualität der Zulassungsverfahren und führt zu mehr Rechtssicherheit für die Vorhabenträger. Letztlich führt die frühzeitige Kooperation so zur Vermeidung von Klageverfahren und entlastet die Gerichte. Blick zu den Nachbarn Die Studie wirft ebenfalls einen Blick auf die Regelungen zur Verbandsklage in drei Nachbarländern (Polen, die Niederlande und Österreich). Das Forschungsteam nutzt die Erfahrungen in diesen Ländern für Vorschläge zur Verbesserung der rechtlichen und institutionellen Ausgestaltung der Verbandsklage in Deutschland. Entwicklungen in Europa und Deutschland Die Ergebnisse der Studie können auch wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Umweltverbandsklage geben. Zu nennen sind hier zum einen notwendige Anpassungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes an die Rechtsprechung  des Europäischen Gerichtshofs  und deutscher Gerichte. Zum anderen sind auch auf europäischer Ebene Änderungen bei den Vorschriften über den Gerichtszugang angekündigt. Die Europäische Kommission erarbeitet derzeit einen neuen Vorschlag für eine ergänzende Richtlinie zum Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.

UN-Ausschuss wirft EU Rechtsbruch vor

Der Gerichtshof der EU hat falsche Urteile bezüglich des Klagerechts von Verbänden in Umweltangelegenheiten gefällt. Dies geht aus einem am 27. Juni veröffentlichten Entscheidungsentwurf des Compliance-Ausschusses des Aarhus-Übereinkommens hervor. Compliance-Ausschusses des Aarhus-Übereinkommens mahnt außerdem die Umsetzung der Konvention in der EU an. Im Januar 2015 hatte der Europäische Gerichtshof in zwei Urteilen das Klagerecht von Umweltverbänden in Umweltangelegenheiten eingeschränkt. Die Aarhus-Konvention trat im Oktober 2001 in Kraft und soll den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten sicherstellen. Insbesondere eine Erleichterung beim Zugang zu Gerichten in der EU ist bisher nach Auffassung des Ausschusses nicht erkennbar. Der Ausschuss stellte nun offiziell einen Rechtsbruch der EU bei der Aarhus Konvention fest und forderte eine Gesetzesänderung ein.

EuGH-Urteil zur BUND-Klage gegen Weser-Vertiefung

Am 1. Juli 2015 verkündete der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sein Urteil zur Weservertiefung. Nachdem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) 2011 vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die in Bremen und Niedersachsen geplante Vertiefung der Weser geklagt und das Gericht den EuGH um eine Klärung gebeten hatte, bestätige das EuGH-Urteil, dass Baumaßnahmen an Gewässern deren Zustand nicht verschlechtern dürften. Der Umweltverband hatte sich bei seiner Klage auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie berufen, die ein ausdrückliches "Verbesserungsgebot" für sämtliche Gewässer in Europa enthält. In dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Weservertiefung sieht Hubert Weiger, Vorsitzender BUND, einen substantiellen Fortschritt im europäischen Gewässerschutz. "Wenn wir naturnahe Flüsse statt Kanalisierungen fordern, die Sicherung einer hohen Wasserqualität, des Fischreichtums und die Wiederherstellung von Flussauen, dann steht ab jetzt das höchste europäische Gericht hinter uns. Der 1. Juli 2015 ist ein bedeutender Tag für Schutz der Flüsse in Europa. Das Urteil des EuGH ist nicht nur für die Weser, sondern für alle Fließgewässer in Deutschland und Europa ein Fortschritt. Jetzt sind die Länder am Zuge. Sie müssen die EuGH-Vorgaben für einen besseren Gewässerschutz umfassend umsetzen", sagte Weiger.

Die deutsche Kernbrennstoffsteuer ist mit dem Unionsrecht vereinbar

2010 erließ Deutschland das Kernbrennstoffsteuergesetz. Dieses Gesetz führt für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2016 eine Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoff für die gewerbliche Stromerzeugung ein. Die Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH hat diese Steuer beim Finanzgericht Hamburg angefochten, weil sie der Ansicht ist, dass die deutsche Kernbrennstoffsteuer nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Das Finanzgericht hat den Europäischen Gerichtshof zur Vereinbarkeit dieser Steuer mit dem Unionsrecht zu befragt. Am 4. Juni 2015, antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht einer Steuer wie der deutschen Kernbrennstoffsteuer nicht entgegensteht.

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